Welcher Kirchturm kann für sich schon reklamieren, über eine separate Glocke zu verfügen, die nur zu Taufen geläutet wird? Der St.-Gallus-Turm in Dürrenzimmern verfügt über solch ein Unikat, das noch dazu nur von Hand gezogen werden kann. Es stammt aus dem Jahr 1759 und hat eine fast abenteuerliche Geschichte hinter sich. Dazu später mehr.
Im Jahr 1250 wurde die erste Kirche in Dürrenzimmern gebaut, der Turm hatte ein eher flaches Spitzdach, die Glocken waren hinter romanischen Doppelbögen untergebracht. Steigt man heutzutage auf den Turm, tut man das zunächst über eine handelsübliche Scheren-Bodentreppe, wie man sie aus Privathäusern kennt, dann über den Dachboden durch eine kleine Tür ins Turm-Treppenhaus aus handbehauenen Balken des 17. Jahrhunderts, vorbei an zwei alten ausgedienten Uhrwerken – eines aus dem Jahr 1857, das andere von 1939 – hinauf in die ursprüngliche Glockenstube.
Warum St. Gallus in Dürrenzimmern eine eigene Taufglocke hat
Die ist leer, dafür kann man aus den Doppelbögen-Schallöffnungen bequem und umfassend in die Umgegend blicken. Die heutige Glockenstube ist dann noch einen Stock höher – der Turm wurde 1697 aufgestockt und mit dem geschwungenen Helm versehen – bestückt mit vier Exemplaren, zwei davon wurden erst 1958 wieder neue gegossen und ergänzt.
Nur eine hat all die (Kriegs-) Jahre, selbst die des 30-jährigen, überstanden, sie wiegt immerhin stattliche 300 Kilogramm und datiert aus dem Jahr 1595. Die kleinste, die mit der abenteuerlichen Geschichte, war ursprünglich der Ersatz einer Ersatzglocke für das im 30-jährigen Krieg gestohlene und sollte auch im Zweiten Weltkrieg wieder zu Munition eingeschmolzen werden. Doch das Kriegsende verhinderte das, sie wurde auf dem Gelände einer Gießerei wiedergefunden und 1947 zurückgebracht.
Leider passt sie von den Obertönen her nicht zum restlichen Geläut. Doch genau das macht sie zur großen kleinen Besonderheit als einzigartige Taufglocke von St. Gallus.
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