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Protest: Das treibt die Bauern auf die Straßen

Protest

Das treibt die Bauern auf die Straßen

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    Demonstration der Landwirte in Berlin in der vergangenen Woche: Auch Rieser beteiligten sich an den Protesten.
    Demonstration der Landwirte in Berlin in der vergangenen Woche: Auch Rieser beteiligten sich an den Protesten. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Landwirte aus ganz Deutschland sind in der vergangenen Woche mit ihren Traktoren nach Berlin gefahren, um gegen die Landwirtschaftspolitik der Regierung zu demonstrieren. Auch Rieser waren bei diesen Protesten dabei. Was genau stinkt den Landwirten derart, dass sie auf die Straße gehen?

    Rainer Weng: Wir wollen wieder einen Dialog zwischen Politik, Landwirtschaft und Bevölkerung. In den vergangenen Jahren wurden uns nur neue Auflagen diktiert. Und jetzt soll ein neues Agrarpaket kommen, das für uns weitreichende Folgen hat.

    Johanes Mährle: Die Politik entscheidet alle paar Jahre anders. Wir brauchen aber Planungssicherheit. Wir haben vier Kinder, zwei lernen bereits den Beruf des Landwirts, einer will es noch lernen.

    Können Sie ein Beispiel aus dem Agrarpaket nennen, mit dem Sie nicht einverstanden sind?

    Hermann Kästle: Es enthält beispielsweise eine Vorschrift, die besagt, dass wir weniger Insektizide verwenden sollen. Nun gibt es aber sehr anfällige Kulturpflanzen wie etwa Kartoffeln, die werden vom Kartoffelkäfer befallen. Der hat übrigens die letzte Hungersnot in Europa ausgelöst. Wir wollen Insektizide nicht verwenden – doch wenn es keine Alternative gibt, was bleibt uns übrig, um die Ernte zu erhalten? Es muss mehr Geld in die Forschung investiert werden.

    Aber bevor es Insektizide gab, muss man das Problem doch auch irgendwie gelöst haben?

    Weng: Die Kinder wurden früher in den Ferien auf die Felder geschickt, um die Kartoffelkäfer einzusammeln. Auch bei Biokartoffeln werden die Insektizide nicht eingesetzt – aber schauen Sie sich mal an, wo die vielfach herkommen. Zum Beispiel aus Ägypten, wo sie in der Wüste angepflanzt werden. Da gibt es natürlich keinen Kartoffelkäfer. Allerdings braucht man da auch Unmengen Wasser. Im Ries werden Insektizide übrigens nur für ganz wenige Kulturpflanzen verwendet. Bei Zuckerrüben, Mais und Getreide geht der Einsatz gegen Null.

    Beim Gespräch in der RN-Redaktion (von links): Johannes Mährle (Nähermemmingen), RN-Redaktionsleiterin Martina Bachmann, Hermann Kästle (Steinheim, Kreis Dillingen) und Rainer Weng (Alerheim).
    Beim Gespräch in der RN-Redaktion (von links): Johannes Mährle (Nähermemmingen), RN-Redaktionsleiterin Martina Bachmann, Hermann Kästle (Steinheim, Kreis Dillingen) und Rainer Weng (Alerheim). Foto: Mörzl

    Landwirte sollen künftig auch auf Glyphosat verzichten.

    Kästle: Kein Landwirt wird Glyphosat verwenden, wenn dieses Mittel nachweislich schädlich ist. Wir sind in den vergangenen Jahren dazu angehalten worden, Greening zu betreiben. Hintergrund ist der Schutz der Böden. Wenn man eine Zwischenfrucht anpflanzt, dann ist der Boden nie unbedeckt, das schützt vor Erosionen. In einem kalten Winter stirbt die Zwischenfrucht von selbst ab und verhindert so die Erosion. Doch bei den vergangenen, warmen Wintern funktionierte das nicht mehr, die Zwischenfrucht hat überlebt. Und wir müssen ihr dann Herr werden, um die neue Frucht etablieren zu können. Auch hier muss die Forschung Alternativen finden.

    Mährle: Wir wollen nicht, dass die Insekten verschwinden. Wir brauchen sie, damit sie unser Getreide bestäuben. Wir sind auf die Bienen sogar angewiesen. Die meisten unserer Höfe sind über Generationen weitergegeben worden. Da ist jeder bestrebt, die Böden, das Wasser und die Insekten zu erhalten – sonst machen wir ja unsere Lebensgrundlage, die Natur, kaputt.

    Landwirte konkurrieren mit dem Weltmarkt

    Die meisten Höfe sind heute allerdings eher Agrarunternehmen und entsprechen wenig dem idyllischen Bild vom Bauernhof, das vielleicht Kinderbücher vermitteln.

    Kästle: Wir konkurrieren ja auch mit dem Weltmarkt. In anderen Ländern, etwa in China, werden Tiere deutlich weniger wertgeschätzt als bei uns. Wir würden gerne anders produzieren – doch das müssen die Kunden auch honorieren. In Deutschland geben die Menschen nur zehn Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, obwohl wir über eine hohe Kaufkraft verfügen.

    Weng: Das neue Iphone ist eben vielen wichtiger als Lebensmittel. In Frankreich oder in Italien ist das ganz anders, die Menschen geben da viel mehr Geld für Essen und Trinken aus. Man kann nicht beim Discounter einkaufen und sich gleichzeitig über das Tierwohl beklagen.

    Was würden Sie sich dann von den Riesern wünschen?

    Weng: Das sie regionale Lebensmittel wertschätzen. Bei uns gibt es doch fast alles zu kaufen – Mehl, Gemüse, Fleisch und so weiter. Ich habe allerdings das Gefühl, dass langsam ein Umdenken einsetzt. Immer mehr Menschen interessieren sich für regionale Lebensmittel, das ist gut.

    Mährle: Wir sind alle bestens staatlich ausgebildet. Wenn man jetzt den Landwirten sagt, dass sie die vergangenen 20, 30 oder 40 Jahre alles falsch gemacht haben, dann nimmt man sie nicht mit.

    Kästle: Ich würde es gut finden, wenn sich die Menschen wieder mehr mit Ernährung beschäftigen würden, wenn es eine Grundbildung für Lebensmittel geben würde.

    Ziel der Staatsregierung für das Jahr 2030 ist es, dass künftig 30 Prozent der Fläche in Bayern ökologisch bewirtschaftet wird.

    Weng: Sehr viele Landwirte würden viel schneller umstellen, wenn der Markt auch da wäre. Aber die Menschen kaufen nicht genügend Bioprodukte aus Bayern. Einige Umsteller haben sich deutlich größere Erlöse erhofft. Spontan kann man das einfach nicht drehen. Das ist wie mit dem E-Auto – noch kaufen die Deutschen eben SUVs.

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