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Personalmangel: Warum ein Nördlinger Pflegeschüler den Beruf wechselt

Personalmangel

Warum ein Nördlinger Pflegeschüler den Beruf wechselt

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    Pfleger bewerten ihre Arbeitsbedingungen im Hinblick auf psychische, emotionale und körperliche Belastung laut dem Pflege-Report 2019 schlechter als andere Berufsgruppen. Allerdings kann sich ein Viertel der Jugendlichen vorstellen, in der Pflege zu arbeiten, wie eine aktuelle Befragung ergab.
    Pfleger bewerten ihre Arbeitsbedingungen im Hinblick auf psychische, emotionale und körperliche Belastung laut dem Pflege-Report 2019 schlechter als andere Berufsgruppen. Allerdings kann sich ein Viertel der Jugendlichen vorstellen, in der Pflege zu arbeiten, wie eine aktuelle Befragung ergab.

    Wer am Ende der Ausbildung seine Prüfung besteht, der erhält fortan sein Gesellengehalt, so ist es zum Beispiel im Handwerk und der Industrie. Das schreibt das Berufsbildungsgesetz vor. Es gibt aber eine Ausnahme: die Pflege. Ein Rieser Auszubildender klagt gegenüber unserer Redaktion, er habe seine Prüfungen bestanden, sein Gehalt bleibe aber gleich – und das, obwohl er und seine Mitschüler gerade in der Corona-Krise besonders wichtig gewesen seien für ihre Betriebe, ständig für kranke Kollegen einspringen, anspruchsvolle Aufgaben selbstständig erledigen.

    Eine Arbeitskollegin des Schülers, die seit vielen Jahren in der Pflege arbeitet, hatte sich an unsere Redaktion gewandt. Beide wollen anonym bleiben, um Probleme mit ihrem Arbeitgeber zu vermeiden. „Es ist ungerecht, dass Auszubildende in der Pflege zwei Monate nach ihrer Abschlussprüfung für ein Azubigehalt arbeiten müssen, während Gleichaltrige in anderen Berufen sofort ihr volles Gehalt bekommen“, schimpft sie.

    Sie hat sich an das Bayerische Gesundheitsministerium gewandt. „Warum interessieren sich wohl immer weniger junge Menschen für den Pflegeberuf?“, fragt sie in ihrer E-Mail. Im Antwortschreiben heißt es, die Pflege unterliege dem Pflegeberufegesetz. Der Prüfungsbeginn könne bis zu drei Monate vor dem Ende der Ausbildung liegen. Sie ende nicht mit dem Absolvieren der letzten Abschlussprüfung. „Wie Sie selbst schreiben, braucht es vor allem mehr Pflegepersonal und daher geht es im Kern darum, die Arbeit in der Pflege attraktiver zu machen.“

    Das sieht auch Waltraud Bergmaier so, die Leiterin der Liselotte-Nold-Schule in Nördlingen, in der bislang Altenpfleger und künftige generalisierte Pflegefachkräfte ausgebildet werden. In diesem Jahr hätten ihre Pflegeschüler diesen Umstand mehrmals kritisiert. Dass er eine große Rolle bei der Attraktivität des Berufsbildes spielt, glaubt sie aber nicht. „Eine wesentliche Rolle spielt der allgemein bekannte Personalmangel in der Pflege“, sagt sie. Es sei erfreulich, dass die Anerkennung für den Beruf steige. Trotzdem hält sie für notwendig, dass konkrete Schritte unternommen werden, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern: „Ich würde mir wünschen, dass die Verlässlichkeit des Dienstplanes steigt. Ein freier Tag muss frei sein.“

    Bei aller Kritik müsse man betonen, dass viele Pflegeeinrichtungen und ihre Mitarbeiter großartige Arbeit leisteten, betont Bergmaier. „Mein Vater war in einer Pflegeeinrichtung untergebracht, weil sein Betreuungsbedarf dies erforderte. Er ist vergangenes Jahr gestorben und ich kann mit Überzeugung sagen, dass er bis zum Ende in sehr guten Händen war.“

    Man verschärfe das Problem, wenn man die Pflege insgesamt schlechtrede, auch wenn sie die Personalnot nicht leugnen wolle. „Die Pflege bietet jungen Leuten ausgezeichnete Aufstiegschancen.“ In den vergangenen Jahren hätten jeweils rund 20 Schüler die Altenpflegerausbildung begonnen.

    Für das gKU, den kommunalen Träger der Kliniken und einiger Pflegeheime im Kreis, bildet die Pflegefachschule Donauwörth aus. Schulleiterin Karola Rigel bestätigt, dass heuer sieben bis acht Wochen zwischen Abschluss und Übernahme als Fachkraft lägen, weil das gesetzlich so geregelt sei.

    Unter dem Strich fehlen 1500 Euro

    Unter dem Strich verlieren Schüler so etwa 1500 Euro gegenüber einem Fachkraftgehalt – unter ihren Auszubildenden sei das aber kein Thema, sagt Rigel. Anders dagegen der Pflegebonus des Bundes, der ursprünglich ebenfalls in dieser Größenordnung liegen sollte: Dass er jetzt nur an Altenpfleger ausgezahlt werde und Krankenpfleger leer ausgingen, habe für Unmut gesorgt – auch bei ihr selbst. Sie freue sich aber für die Altenpflege und die ambulante Pflege. „Ohne die geht es gar nicht mehr.“

    gKU-Vorstandsvorsitzender Jürgen Busse sagt, der Personalmangel in der Pflege hänge sicherlich zum Teil mit der Attraktivität zusammen, aber die Politik habe Nachwuchsgewinnung auch jahrzehntelang vernachlässigt. Heute spüre man die Folgen. „Es gibt immer noch Krankenhäuser, die nicht ausbilden.“ Dieses Jahr begännen 34 Schüler ihre Ausbildung beim gKU, mehr als in den Vorjahren. „Die Theorie ist nicht das Problem, aber bei der praktischen Ausbildung in unseren Häusern gelangen wir an eine Kapazitätsgrenze.“ Mit Blick auf die hohe Zahl von Auszubildenden sagt Busse, das gKU habe mehr Bewerber als Plätze und keine Probleme, seine Jahrgänge zu füllen. Am Geld könne es im Übrigen nicht liegen. Beim gKU verdienten Auszubildende je nach Lehrjahr 1100 bis 1300 Euro. „Wer bei uns eine Ausbildung beginnt, erhält sofort eine Übernahmegarantie“, betont Busse. Gleichwohl bestätigt er, dass es viele der künftigen Absolventen der generalisierten Ausbildung in die Kranken-, nicht in die Altenpflege ziehen könnte.

    Den Rieser Pflegeschüler, der sich an unsere Redaktion gewandt hatte, lockt beides nicht. Er kehrt der Pflege den Rücken, sobald sein Vertrag endet. Die Arbeitsbedingungen, die Bezahlung und der Umgang miteinander in diesem Beruf betrachtet er als inakzeptabel. Die Hälfte seiner verbleibenden 14 Mitabsolventen der Nördlinger Klasse planen ihm zufolge ebenfalls, den Beruf zu wechseln.

    Einen Kommentar von Philipp Wehrmann zu diesem Thema lesen Sie hier.

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