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Oettingen: Das Linsehaus in Oettingen war mehr als nur ein Wirtshaus

Oettingen

Das Linsehaus in Oettingen war mehr als nur ein Wirtshaus

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    Das Linsehaus wurde bis unter das Dach entkernt und energetisch saniert. Ende März soll alles wieder aufgebaut werden.
    Das Linsehaus wurde bis unter das Dach entkernt und energetisch saniert. Ende März soll alles wieder aufgebaut werden. Foto: Heimatmuseum

    Schon im 16. Jahrhundert als Wirthaus bekannt, stand das Linsehaus in Oettingen mit seiner beeindruckenden Größe und – für Häuser in der Schloßstraße eher untypisch – parallel zum Straßenverlauf. Fünfhundert Jahre später wird das Haus rückgebaut, entkernt und saniert. Welche Geschichten mit dem Haus verbunden sind.

    Besitzer und Bauherr Martin Stark, der mit firmeneigenem Personal und Gerätschaften die Sanierung in die Hand genommen hat, sagt: „Ich habe mir das Gebäude über zwei Jahre lang immer wieder angesehen, als es zum Verkauf stand.“ Schlussendlich hat ihn die beachtliche Geschichte, die im Gemäuer des Linsehauses steckt, und der architektonische Stil dazu bewegt, sich dem Projekt anzunehmen. Da das Bauwerk unter Ensembleschutz steht, darf es insofern erneuert werden, solange das alte Erscheinungsbild von außen gewahrt bleibt.

    Linsehaus in Oettingen: Alles musste genehmigt werden

    Der denkmalpflegerische Begriff „Ensembleschutz“ sichert die Erhaltung einer Gruppe von Gebäuden, die räumlich und architektonisch im Zusammenspiel miteinander historisch erhaltenswert erscheinen. Alle von außen sichtbaren Veränderungen an Fassade und Dach müssen von der Denkmalbehörde genehmigt werden. Abzustimmende Veränderungen sind beispielsweise ein Neuanstrich der Fassade, die Erneuerung der Dachdeckung oder der Einbau von Solaranlagen.

    Eine historische Aufnahme des Gebäudes.
    Eine historische Aufnahme des Gebäudes. Foto: Heimatmuseum

    Martin Stark sagt dazu: „Wir haben das gesamte Bauvorhaben in einem komplizierten Verfahren genehmigen lassen. Jeder Anstrich, jede kleinste Maßnahme wurde in einer aufwendigen Dokumentation von der Stadt und der Denkmalschutzbehörde genehmigt. Aber natürlich will ich das Gebäude so rückbauen, wie es ursprünglich einmal ausgesehen hat – nur eben haltbar.“

    Im 19. Jahrhundert wurde das Bierbrauen im Linsehaus eingestellt

    So beachtenswert wie die äußerlichen Begebenheiten ist auch die Historie des großen Bauwerks in der Oettinger Innenstadt. Dr. Petra Ostenrieder, Museumsleiterin des Oettinger Heimatmuseums, erzählt die weitreichende Geschichte des Fachwerkbaus: „Mit seiner prägnanten Stellung am Marktplatz war die einstige „Hirschenwirtschaft“, die seit 1699 im Volksmund so genannt wurde, schon im 16. Jahrhundert als Wirtshaus mit Braugerechtigkeit bekannt.“

    Aus historischen Recherchen geht Georg Böll als einer der ersten Wirte hervor, der die Wirtschaft von 1655 bis 1668 führte. Das Brauen von Bier wurde vermutlich in den 1850er bis 1890er Jahren eingestellt. Das Wirtshaus selbst bestand bis circa 1919. Die sogenannte Wirtschaftsgerechtigkeit, die das Führen einer Gaststätte erlaubt, wurde im Jahr 1921 auf ein anderes Gebäude in der Hofgasse übertragen.

    Das Linsehaus steht parallel zur Straße – untypisch für die Häuser in der Schloßstraße in Oettingen.
    Das Linsehaus steht parallel zur Straße – untypisch für die Häuser in der Schloßstraße in Oettingen.

    Der letzte Hirschenwirt Christoph Eich hatte die Wirtschaft als pensionierter Lehrer im Jahr 1899 erworben und baute unter anderem die Dachzimmer aus. Im Hof befand sich damals eine Kegelbahn in einer Halle. Im weiteren Verlauf wurden die Räume anderweitig verwendet. 1916 ist schon von einem „Wohnhaus mit Büroräumen“ die Rede. Christoph Eich war Großvater des in Kriegszeiten bekannten Autors Günter Eich, der von 1907 bis 1972 in verschiedenen Städten Deutschlands und zuletzt in Österreich lebte.

    Günter Eichs Katarina spielt in Oettingen

    1935 veröffentlichte dieser seine Erzählung „Katharina“, die unverkennbar in Oettingen spielte, was im Buch selbst immer abgekürzt als „O.“ zu lesen war. Als Kind war der neunfach ausgezeichnete Autor tatsächlich auch einmal in Oettingen zu Besuch, sagt die Museumsleiterin. Die Erzählung, die im folgenden Jahr als Buch herauskam, erreichte als Feldpostausgabe später insgesamt 32 Auflagen. 1920 wurde die ehemalige Wirtschaft in der Schloßstraße an die Bayerische Handelsbank verkauft und entsprechend umgebaut.

    Im Jahr 1934 ging das Anwesen an das Bankhaus Linse, eine Privatbank mit damaligem Sitz in Nördlingen. 1976 wurde die sogenannte „Linsebank“ in eine Filiale der Dresdner Bank überführt, zuletzt war dort die Commerzbank. „Über die genaue Baugeschichte des Gebäudes lässt sich derzeit aus den gesichteten Unterlagen noch nichts abschließend sagen“, meint Dr. Ostenrieder.

    In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts standen auf dem heutigen Gelände vermutlich weitere Häuser. Nach dem Dreißigjährigen Krieg ist von der Hirschenwirtschaft und „zwei öden Plätzen“ die Rede. Das Gebäude gehörte in fürstlichen Zeiten der katholischen Seite an. Die Tatsache, dass das Anwesen mit zwei Hausnummern versehen ist zeigt, dass es zeitweise zwischen zwei Hausbesitzern aufgeteilt war. Bis 1960 lautete die offizielle Adresse A 18/19 – erst ab dann war das Haus als „Schloßstraße 16“ bekannt.

    Erst nach 1960 lautete die Adresse Schloßstraße 16.
    Erst nach 1960 lautete die Adresse Schloßstraße 16.

    Als Martin Stark das Bauwerk vor vier Jahren gekauft hatte, befand sich im Erdgeschoss eine Physiotherapie-Praxis und in den oberen Stockwerken waren zwei Wohnungen vermietet. Das sanierte Gebäude hat jetzt einen Fernwärme- und einen Gasanschluss, der Gewölbekeller dient als Versorgungsraum. Im neuen Haus finden die Physiotherapie-Praxis, ein Notariat und in den oberen Stockwerken vier Stadtwohnungen mit Balkon ihren Platz. „Wir haben das Gebäude bis unters Dach entkernt und komplett energetisch saniert“, sagt Stark. Die Sanierung entspreche der höchsten Energieeffizienzklasse. „Für den Wiederaufbau ist alles in der Firma gelagert. Sogar die Fachwerke stehen schon in der Halle.“

    Architekten, Ingenieure, Statiker und Handwerker haben an dieser prägnanten Stell in Oettingen einiges geleistet. Ende März soll alles wieder aufgebaut werden. Der geschäftsführende Zimmerer ist sich sicher: „Ich habe ja schon einige solcher Projekte abgeschlossen und die sanierten Gebäude anschließend wieder verkauft – aber diesmal bleibt es in meinem Besitz.“

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