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Nordschwaben: Neuer Buchband über NS-Täterforschung im Kreis Donau-Ries

Nordschwaben

Neuer Buchband über NS-Täterforschung im Kreis Donau-Ries

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    Das Buch „Täter Helfer Trittbrettfahrer“, Ausgabe Nordschwaben, und sein Herausgeber Dr. Wolfgang Proske (Mitte), sowie die Autoren Werner Eisenschink (links) und Dr. Franz Josef Merkl.
    Das Buch „Täter Helfer Trittbrettfahrer“, Ausgabe Nordschwaben, und sein Herausgeber Dr. Wolfgang Proske (Mitte), sowie die Autoren Werner Eisenschink (links) und Dr. Franz Josef Merkl. Foto: Peter Urban

    Nachforschungen zum Thema Nationalsozialismus waren und sind seit jeher schwierig. Nur allzu gerne wollte man nach 1945 alles vergessen (machen), was im Dritten Reich so gedacht, getan und nicht selten verbrochen wurde. Die nachfolgenden Generationen der Menschen, die den Zweiten Weltkrieg – und seine unsägliche Vorgeschichte – erlebt hatten, stießen bei Nachfragen zu dieser Zeit und den persönlichen Erlebnissen oft genug auf Ablehnung, in der Regel zumindest auf Mauern des Schweigens vor sich, die nur durch hartnäckige Nachfragen zu durchbrechen waren.

    Um so schwieriger gestalten sich die Nachforschungen zum Nationalsozialismus, wenn es keine persönlichen oder verwandtschaftlichen Kontakte (mehr) in diese Zeit gibt. Und vor allem: mündliche Überlieferungen von Zeitzeugen sind zum einen durch persönliche Animositäten und Bewusstseinstrübungen gefärbt, zum anderen selten wirklich zu belegen oder konkret zu beweisen. Erst die Freigabe der lange (70 Jahre) gesperrten Archive ermöglichte es Forschern, zweifelsfreie Beweise für die Umtriebe so mancher Zeitgenossen in der Nazizeit zu sammeln.

    Wolfgang Proske beschäftigt sich seit Langem mit der NS-Geschichte. Und zwar, wie er sagt, „nicht mit den Big Five, deren Leben und zweifelhaftes Wirken ja hinlänglich erforscht ist, sondern mit den selbsternannten kleinen Führern aus der zweiten Reihe“. Denn nur dadurch, dass diese Menschen in ihren jeweiligen Regionen für die ideologische Indoktrination und propagandistische Mobilisierung nach nationalsozialistischen Grundsätzen der Bevölkerung sorgten, konnte die teuflische Saat der Obernazis so weit aufgehen. Dr.

    (geboren am 5. März 1954 in Kelheim) ist ein deutscher Sozialwissenschaftler, Historiker und Pädagoge. Er arbeitete von 1977 bis 2017 als Lehrer, zuletzt für Geschichte und Bildende Kunst, war zeitweise Schulleiter und Entwicklungshelfer und ist Herausgeber und Mitautor der Buchreihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ über NS-Belastete. 2014 begründete er – speziell für diese Buchreihe – den Kugelberg Verlag für historische Sozialforschung. Er will damit das Wissen über den Nationalsozialismus „auf dem flachen Land“ neu beleuchten und zusammen mit Autorinnen und Autoren aus den jeweiligen Regionen die regionale und lokale NS-Täterforschung faktenbasiert und unter Nutzung möglichst vieler Quellen aus den Archiven voranbringen und dem langsamen Vergessen entgegenwirken.

    Fünfzehn Bände unter dem Titel „Täter Helfer Trittbrettfahrer“ sind inzwischen erschienen. Ziel, so Wolfgang Proske, sind insgesamt 20 Bände. Wir haben anlässlich des Erscheinens des Bandes Nr. 11/Nordschwaben mit ihm und zwei seiner Mitautoren gesprochen. Proske sagt: „Wir treten an, um das „Große Schweigen“ (Ralph Giordano) vor Ort zu überwinden und eine möglichst faktenbasierte, bewusst quellengestützte NS-Täterforschung voranzubringen. Die regionale NS-Vergangenheit soll weder schöngeredet noch totgeschwiegen werden. Gerade in „postfaktischen“ Zeiten kommt es darauf an, hart an der Sache sowie kontextbezogen insbesondere in den Archiven nachzuforschen. Denn dabei zeigt sich: die NS-Geschichte muss regional erweitert und nachjustiert werden.“ In diesem 11. Band werden 26 NS-Belastete aus dem Gebiet von Augsburg über Wertingen und Dillingen, von Oettingen bis Nördlingen, von Friedberg über Donauwörth und Günzburg bis hin nach Neu-Ulm portraitiert. Nach wie vor behaupteten und behaupten die Betroffenen unverhohlen, der NS-Staat sei von Verbrechern und asozialen Außenseitern dominiert gewesen, sie selbst hingegen seien durchweg verführte Idealisten. Im Zweifelsfall hätten sie auf Befehl handeln müssen. Innerlich seien Sie im Grunde genommen immer dagegen gewesen. In Zahlen: 36.000 Ermittlungsverfahren führten nach dem Krieg zu lediglich 6.656 Verurteilungen, darunter 1.147 wegen Tötungsdelikten. Nur 172 Angeklagte wurden wegen Mordes mit dem Tod oder lebenslanger Haft bestraft. Wolfgang Proske: „Die allermeisten Täter und Helfershelfer haben sich in ihrer Mehrheit nie für ihre Verbrechen verantworten müssen und wurden sogar oft – im Gegenteil – vor Verfolgung geschützt.“ Das gilt zum Teil auch für Personen aus dem Donau-Ries, die in dem Buch jetzt namentlich benannt werden.

    Für den Nördlinger Teil war Werner Eisenschink zuständig, bestens bekannt als ehemaliger Studiendirektor, für sein politisches Engagement in der Region, als Initiator der Rieser Musikschule, der Oettinger Residenzkonzerte, als Musiker. Er ist im Vorstand des Historischen Vereins Nördlingen, des Heimatvereins Oettingen, des Freundeskreises der Synagoge Hainsfarth. Zahlreiche Vorträge zum Thema in und außerhalb der Region machten ihn auch überregional bekannt. Er recherchierte und schrieb explizit über den Nähermemminger Karl Geiß, ein NS-Multifunktionär, zuletzt SS-Obersturmführer, der nach dem Krieg für die FDP im Kreisrat war. Über Theodor Hippler, Nördlinger Kreisleiter (SS-Rottenführer) und bis 1939 Zweiter Bürgermeister der Stadt Nördlingen. Über Leopold Meyer, einem alten Kämpfer der NSDAP und Außenstellenleiter des SD und Richard Schweizer, NS-Multifunktionär, Ortsgruppenleiter und stellvertretender Kreisleiter in Nördlingen. Sie alle sollen nach dem Krieg relativ unbehelligt weitergelebt haben. Genauso wie viele andere Rieser oder Donauwörther. Zum Beispiel Philipp Meyer aus Donauwörth, der als einflussreicher

    Diesen wie andere Fälle hat Dr. Franz Josef Merkl bearbeitet, der ein „Historisches Bureau“ in Marxheim betreibt und vor seinem Ruhestand lange Jahre bei der Regierung von Schwaben in Augsburg beschäftigt war. Ihn kennt man aus Veröffentlichungen zur Missionsgeschichte des Jesuitenordens, zur Kirchengeschichte und zur jüdischen Geschichte in Bayerisch-

    Das Buch wird, sobald es möglich ist, im Nördlinger Stadtmuseum im Rahmen einer öffentlichen Lesung vorgestellt.

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