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Nördlingen: Zu wenig Corona-Impfstoff für den Landkreis Donau-Ries

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Zu wenig Corona-Impfstoff für den Landkreis Donau-Ries

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    Im Nördlinger Impfzentrum können zur Zeit nur Zweitimpfungen verabreicht werden, weil es zu wenig Impfstoff im Landkreis gibt. Auch bei den Ärzten im Ries ist die Lage ähnlich schlecht.  	„Wörter wie ,blöde Kuh’ waren noch nett.“
    Im Nördlinger Impfzentrum können zur Zeit nur Zweitimpfungen verabreicht werden, weil es zu wenig Impfstoff im Landkreis gibt. Auch bei den Ärzten im Ries ist die Lage ähnlich schlecht. „Wörter wie ,blöde Kuh’ waren noch nett.“ Foto: Jochen Aumann

    Eigentlich klang es nach einer guten Nachricht, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Anfang dieser Woche sagte: „Wir sind übereingekommen, am 7. Juni, in drei Wochen, die Priorisierung aufzuheben.“ Das gelte für Arztpraxen, Betriebsärzte und Impfzentren gleichermaßen. Bei den Hausärzten in Bayern gilt schon jetzt keine Priorisierung mehr. Doch es gibt im Freistaat und im Landkreis ein Problem: Es ist viel zu wenig Impfstoff da.

    Viele Bürger im Landkreis Donau-Ries vollständig geimpft

    Die derzeit gelieferten Vakzine reichen nur für die anstehenden Zweitimpfungen aus. Eine kleine Ausnahme gibt es laut Landratsamt: den Impfstoff von Moderna. Doch das ist nur ein kleiner Teil, insgesamt zehn Prozent der Impfungen im Kreis gab es mit diesem Impfstoff. In einer Pressemitteilung zeigen sich Landrat Stefan Rößle und Arthur Lettenbauer, Geschäftsführer des BRK Nordschwaben, über die Situation gleichermaßen enttäuscht: „Dass nun sehr viele Zweit-impfungen durchgeführt werden, ist die logische Folge der vermehrten Impfungen im April und absolut positiv zu werten. So kommen viele Bürgerinnen und Bürger in den Genuss des vollständigen Impfschutzes. Die insgesamt rückläufige Impfstofflieferung aber ist mehr als enttäuschend. Selbstverständlich kann nur so viel Impfstoff verabreicht werden, wie geliefert wird – Ankündigungen, die Priorisierung aufgrund des vielen Impfstoffes aufzuheben, wirken im Moment aber äußerst befremdlich auf uns“, heißt es in der Mitteilung.

    Der Impfstoff für Schüler stammte von Biontech.
    Der Impfstoff für Schüler stammte von Biontech. Foto: S. Gollnow, dpa

    Im Gespräch mit unserer Redaktion schildert Lettenbauer, wie eine Aufhebung der Priorisierung in den Impfzentren ablaufen könnte, doch Vorgaben gebe es noch nicht. „Wir werden genauso weiterverfahren wie bisher“, schildert Lettenbauer. Man werde nach dem BayIMCO-System Einladungen zuerst an die Prio-Gruppen eins, zwei und drei verschicken. Doch nun müsse man nicht, wenn ein Bürger ein Schreiben vom Hausarzt vorlegt, den Arzt anrufen, weil gewisse Paragrafen im Schreiben nicht angeben seien. Solcher Verwaltungsaufwand könne dann wegfallen und so schneller geimpft werden – wenn der Impfstoff vorhanden wäre. Doch das ist eben nicht der Fall. In Nördlingen könnten derzeit keine Erstimpfungen durchgeführt werden, nur wenige in Donauwörth mit Moderna. Man dürfe dieses Vakzin selbst nicht transportieren und arbeite daran, dass in Nördlingen dieser Impfstoff bald direkt ankomme, so Lettenbauer. Doch auch in den kommenden Wochen werde es kaum erste Impfungen geben. Bürger würden sich per Mail oder Telefon ans Impfzentrum wenden, doch man könne ihnen keinen Termin anbieten. Lettenbauer bittet, von solchen Anfragen abzusehen.

    Ähnlich wie in den Impfzentren sieht es derzeit auch bei den Hausärzten aus. Dr. Michaela Scheible aus Alerheim hatte für diese Woche vorsichtig geplant, wie sie erzählt, mit sechs Erstimpfungen hat sie gerechnet. Doch nicht einmal die hat sie bekommen. Dabei habe sie einen Krebs-Patienten, der kurz vor einer Chemotherapie stehe und die Impfung dringend bräuchte. Nun habe sie ihn wieder vertrösten müssen.

    Ärztin sieht größere Unruhe bei den Bürgern im Landkreis Donau-Ries

    Auch wenn die Priorisierung bei Hausärzten seit Donnerstag aufgehoben wurde, ändert das für Scheible wenig. „Ich habe noch so viele kranke Leute zu impfen, wenn ich einen Impfstoff kriegen würde, würde ich die zuerst drannehmen.“ Scheible sieht so eher größere Unruhe bei den Bürgern aufkommen.

    Grundsätzlich steht Sebastian Völkl, ärztlicher Koordinator im Landkreis, der Aufhebung der Priorisierung positiv gegenüber. Völkl schildert den Fall eines Patienten, der an Covid-19 gestorben ist. Jetzt hätte er die Möglichkeit gehabt, diesen zu impfen, im Januar wäre es nötig gewesen. Die Hausärzte würden auch bei der Aufhebung der Priorisierung nach ihren chronisch kranken Patienten schauen, nach denjenigen, die gefährdet seien oder wichtige Aufgaben in der Bevölkerung haben.

    Angestellte in Arztpraxen im Landkreis Donau-Ries müssen sich anschreien lassen

    Doch die Kehrseite sei, dass sich die Telefonanrufe in den Praxen seit der Ankündigung vervielfacht hätten. Die medizinischen Fachangestellten müssten sich von fremden Patienten anschreien lassen. Völkl fordert hier mehr Anerkennung vor der Arbeit der Arzthelferinnen in der Öffentlichkeit ein.

    Für eine Ärztin in Wallerstein war das Maß bereits vor zwei Wochen voll, „übervoll“, wie Dr. Bettina Kehrle sagt. Zu diesem Zeitpunkt hat sie beschlossen, keine Corona-Impfungen mehr durchzuführen, von den Zweitimpfungen abgesehen. „Ich will unterstützen, aber wir werden beschimpft, beleidigt, anonym bedroht. Schimpfwörter wie ,blöde Kuh’ waren noch nett. Es gibt keinen Respekt, auch nicht mir gegenüber als Ärztin“, schildert Kehrle und meint: „Wir sind nur noch der Buhmann.“ Sie sei gerne bereit, wieder zu impfen, doch dafür brauche es Respekt ihrer Arbeit gegenüber. Sie erwarte keinen roten Teppich, als Ärztin wolle sie helfen. Aber: „Das geht so nicht weiter, wenn ich Angst um mich und meine Belegschaft haben muss.“

    Dr. Bettina Kehrle
    Dr. Bettina Kehrle Foto: Szilvia Izsó

    Aufgrund solchen Verhaltens befürchtet sie auch Auswirkungen über die Pandemie hinaus. „Ich bin seit zwei Jahren Landärztin, wir tun, was wir können.“ Aber wenn die Menschen weiter auf den Ärzten und Helferinnen rumhackten, würden diese irgendwann aufhören und es gebe kein Personal mehr. Schon jetzt gebe es nur noch wenige Landärzte. „Ich denke, diese Menschen wissen nicht, was sie uns antun“, sagt Kehrle enttäuscht.

    Dr. Bettina Kehrle: Krebspatienten warten noch

    Die Aufhebung der Impfpriorisierung sieht die Ärztin kritisch. Noch immer gebe es Patienten, die beispielsweise eine Krebstherapie machen und auf eine Impfung warten. Wenn es nicht genügend Impfstoff gebe, solle die Priorisierung auch nicht aufgehoben werden. Und aktuell reiche der Impfstoff nicht einmal bei allen Hausärzten für die Zweitimpfungen, wie Koordinator Völkl sagt. Man müsse Termine verschieben, das wiederum verunsichere die Leute. Bei Biontech soll eigentlich die zweite Impfung nach sechs Wochen erfolgen. Die Folge: „Die Leute haben Angst, dass die sechs Wochen bindend sind. Das ist eine Empfehlung, davon kann nach hinten abgewichen werden“, so Koordinator Völkl. Und die Aussichten sind nicht besonders rosig, wenn man Arthur Lettenbauer vom BRK zuhört. „Die nächsten Wochen könnten hart werden“, sagt er. Nach seinen Informationen könne es bis Mitte Juni dauern, bis wieder mit höheren Impfstoffmengen zu rechnen sei. (mit pm)

    Im Landkreis Donau-Ries wurden bisher (Stand 16. Mai) insgesamt 57.547 Impfungen verabreicht. Von diesen entfallen 42.635 auf die Impfzentren und 14.912 auf Arztpraxen. Eine Erstimpfung haben bislang 46.327 Bürger erhalten, dies entspricht 34,62 Prozent der Landkreisbevölkerung. 11.227 Personen haben die Zweitimpfungen erhalten, eine Quote im Kreis von 8,39 Prozent. Weitere 22.009 Personen sind im Landkreis über die Bayerische Impfsoftware BayIMCO registriert.

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