Im Nördlinger Industriegebiet ragen Betonsäulen neben der bestehenden Varta-Fabrik in die Höhe. Sie tragen bald ein neues Produktionsgebäude, das bis im Frühjahr 2021 fertiggestellt werden soll – dabei hat die Baustelle erst vor wenigen Monaten begonnen. 15000 Quadratmeter Produktionsfläche sollen auf zwei Stockwerken entstehen, zwischen ihnen ein Geschoss nur für Technik, gearbeitet wird dort nicht.
Der Freistaat zahlt ein Drittel der 101,5 Millionen Euro
Weil die Zeit drängt, erhält Varta jetzt 300 Millionen Euro Fördergeld. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat ein Förderprogramm mit einem Volumen von 1,5 Millionen Euro geschaffen. 300 Millionen erhält Varta insgesamt, davon fließen 101,5 Millionen Euro ins Ries. Davon wiederum stammt ein Drittel vom Freistaat.
Das Wachstum, das Varta erlebt, ist in Nördlingen aktuell beispiellos. Die Coronakrise hinterlässt ihre Spuren. Direkt gegenüber dem Varta-Standort etwa streicht SPN Schwaben Präzision 40 Stellen. Wie schlecht es den Unternehmen der Stadt geht, zeigt sich an ihren Steuerzahlungen: In der Stadtkasse landen dieses Jahr etliche Millionen weniger.
Varta wird für Nördlingen immer wichtiger
Welche Bedeutung das Unternehmen mittlerweile für die Große Kreisstadt hat, wurde in der vergangenen Stadtratssitzung klar: Oberbürgermeister David Wittner sprach mit Blick auf die Corona-Pandemie und wirtschaftlicher Probleme mancher Nördlinger Firmen darüber, dass nicht alles schlecht laufe: Ein Unternehmen plane gar eine Aufstockung auf 1800 Mitarbeiter. Eine Belegschaftsgröße, bei der nur Varta gemeint sein kann. „Klar, es ist nur ein Unternehmen“, betonte er, aber es sei ein gutes Zeichen. Das hat Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt. Die Aktiengesellschaft versteuert ihre Gewinne nicht nur an ihrem Hauptsitz in Ellwangen: Die beiden Gesellschaften für Energiespeicher und Lithium-Ionen-Zellen versteuern ihre Gewinne in Nördlingen entsprechend der dort stattfindenden Wertschöpfung beim Finanzort Nördlingen. Die konkrete Summe ist nicht bekannt.
Und auch die geplante Belegschaftsgröße will Varta-Vorstandsvorsitzender Herbert Schein nicht bestätigen. Klar sei aber, dass der Nördlinger Standort wie der Hauptsitz in Ellwangen weiter wachse. „Trotz der Corona-Pandemie haben wir in den vergangenen Monaten in Nördlingen mehrere hundert Mitarbeiter eingestellt. Bis Ende dieses Jahres wird unsere Belegschaft hier auf deutlich über 1000 wachsen.“
Varta erhöht in Nördlingen die Energiedichte der Zellen
Die 100 Millionen Euro werden in Nördlingen verwendet, um Zellen mit einer um 30 Prozent erhöhten Energiedichte zu entwickeln und bis Ende des Jahres in die Massenproduktion zu bringen. Am Ellwanger Hauptstandort wird derweil eine Pilot-Produktionslinie für größere Batterieformate aufgebaut, die Varta zunächst in den eigenen Energiespeichern verbauen will. „Bei den großformatigen Zellen werden sich weitere Chancen für Varta ergeben.“, betont Schein. Das Unternehmen befinde sich inmitten eines Wachstumsplanes. „Das wird auch insbesondere in Deutschland zu steigenden Beschäftigungszahlen führen.“
Am Dienstag übergab Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den entsprechenden Förderbescheid in Ellwangen. Der bayerische Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler) sagte einer Mitteilung zufolge: „Bayern übernimmt eine 30-prozentige Kofinanzierung der Fördermaßnahmen des Bundes, um die nächste Generation Lithium-Ionen-Zellen bei Varta in Nördlingen zu erforschen und in die Massenproduktion zu überführen.“ Man gehe fest davon aus, dass man damit Arbeitsplätze in Bayern sichere und neue schaffe.
Bundestagsabgeordneter Ulrich Lange (CSU) betonte: „Das sind großartige Neuigkeiten für die Stadt Nördlingen und unserer ganzen Region, insbesondere in Bezug auf den Ausbau von Arbeitsplätzen.“ Der Bund unterstreiche damit erneut die Wichtigkeit des ersten Großprojekts für eine europäische Batteriezellfertigung, von dem auch die Varta AG ein Teil ist.
Die 300-Millionen-Euro-Förderung ist eingebettet in ein von der EU-Kommission genehmigtes Batteriekonsortium, an dem auch weitere deutsche Unternehmen wie BMW beteiligt sind. Mehr dazu lesen Sie hier: 300 Millionen Euro für Varta: Wie der Konzern-Chef sie nutzen will
Lesen Sie dazu auch den Kommentar:
Kommentar: Varta wird zum „Eurocopter“ Nördlingens
Mehr zu Varta:
Herbert Schein über den Wachstumskurs von Varta in der Krise
Sensationsfund unter Varta-Fabrik: Warum verließen die Kelten das Ries?
Das geschieht auf dem Varta-Gelände in Nördlingen
- Herbert Schein über den Wachstumskurs von Varta in der Krise
- Sensationsfund unter Varta-Fabrik: Warum verließen die Kelten das Ries?
- Das geschieht auf dem Varta-Gelände in Nördlingen