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Nördlingen: Wie Nordschwaben im zerstörten Ahrtal ein Gemeinschaftshaus bauen wollen

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Wie Nordschwaben im zerstörten Ahrtal ein Gemeinschaftshaus bauen wollen

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    So sah es in Marienthal mehr als zwei Wochen nach der Flut aus – die Zerstörung ist sichtbar. Ganz rechts in der Mitte soll der neue Dorfplatz entstehen.
    So sah es in Marienthal mehr als zwei Wochen nach der Flut aus – die Zerstörung ist sichtbar. Ganz rechts in der Mitte soll der neue Dorfplatz entstehen. Foto: Bachmann

    Würde Rolf Schmitt jammern, verzagen oder gar aufgeben, man könnte es verstehen. Schmitt stammt aus dem kleinen Dorf Marienthal im Ahrtal. Im Juli dieses Jahres ist Schmitts Heimat von einer Flut heimgesucht worden, deren Zerstörungswut kaum vorstellbar ist. Die Bilder dieser Katastrophe gingen um die Welt, auch in Nordschwaben sahen sie viele im Fernsehen. Und einige beschlossen, zu handeln.

    Fluthilfe Nordschwaben zählt rund 130 Mitstreiter

    Da waren zunächst einmal Jörg Wörle und Thomas Hartmann, die auf eigene Faust in den Westen Deutschlands fuhren, um anzupacken. Diesem Beispiel folgten andere. Und wieder andere – bis heute arbeiten Freiwillige aus der ganzen Region beim Aufbau mit und schlafen danach auf Isomatten und Feldbetten. In der heutigen Gesellschaft sei das nicht normal, sagt Wörle bei einer Pressekonferenz im Gasthaus Wengers Brettl in Nördlingen: „Ich finde es genial.“ Rund 130 Mitstreiter zählt die Fluthilfe Nordschwaben aktuell. Und Rolf Schmitt sagt: „Vielen Dank für diese Hilfe. Jedes Wochenende kommt ein Bus!“ Zunächst einmal war jede helfende Hand benötigt worden, um die Häuser, Höfe oder Weinberge vom Schutt und Müll zu befreien. Jetzt, so berichtet Schmitt, seien die Gebäude in Marienthal soweit leer. Er denkt an die Zukunft.

    Marienthal solle das erste Dorf an der Ahr werden, das CO2-frei heizt, sagt Schmitt in Nördlingen. Er hat dabei auch an die Heizöltanks im Kopf, die durch den Druck des Wassers bei der Flutkatastrophe zerbarsten, das Öl-Wasser-Gemisch, das durch die Häuser schwappte – 110.000 Liter mussten abgepumpt werden, sagt er. Und deshalb sollen die meisten Gebäude von Marienthal künftig über ein Heizkraftwerk versorgt werden, das wiederum mit Pellets und Solarthermie betrieben wird. Bis auf zwei Haushalte machten alle beim Projekt Dorfwärme mit, sagt Schmitt. Und einen Platz gebe es auch schon: Das Hotel mitten im Ort werde abgerissen, der Besitzer wolle das Grundstück verkaufen – da könne ein neuer Dorfmittelpunkt entstehen.

    Das alte Dorfgemeinschaftshaus ist weg

    Zu einem echten Dorfplatz gehört auch ein Dorfgemeinschaftshaus, meint wiederum Uli Wenger von Wengers Brettl, der selbst schon im Ahrtal kochte. Das alte existiere nicht mehr. So eine Freundschaftshütte Marienthal – Donau-Ries stellte sich Wenger vor: „Dann haben wir etwas geschaffen, das nachhaltig ist.“ Um eine reine Hütte geht es aber mittlerweile nicht mehr. Denn Uli Wenger und Thomas Hartmann sind bei Günter Enßlin von der gleichnamigen Möttinger Zimmerei vorstellig geworden. Enßlin gibt an der Berufsschule in Donauwörth den Zimmermann-Azubis im ersten Lehrjahr Praxisunterricht. Mit denen zusammen will Enßlin für Marienthal ein Gebäude in der Größe zehn auf sechs Meter anfertigen, mit einem Gastraum, einem Lager und WCs. Bis zu den Sommerferien 2022 soll das Haus stehen. „Das kostet brutal viel Kraft“, sagt Enßlin – und es werde noch einiges zu besprechen sein. Die Kolpingschule will sich beim Interieur einbringen. Und die Varta AG hat zugesagt, einen Energiespeicher zu spenden, wie Pressesprecher Christian Kucznierz bestätigt.

    Sie engagieren sich für das Projekt Freundschaftshaus, Schirmherr ist Landrat Stefan Rößle (vorne dritter von rechts), links neben ihm Rolf Schmitt.
    Sie engagieren sich für das Projekt Freundschaftshaus, Schirmherr ist Landrat Stefan Rößle (vorne dritter von rechts), links neben ihm Rolf Schmitt. Foto: Bachmann

    Schirmherr ist Landrat Stefan Rößle

    Für das Gebäude werden jetzt Spenden gesammelt. Rund 50.000 Euro benötige man, sagt Landrat Stefan Rößle, der die Schirmherrschaft für dieses Projekt übernommen hat. Man habe schon viele Schulen in Afrika gebaut, wenn jetzt Hilfe im eigenen Land benötigt werde, dann packe man es an. Was im Ahrtal geschehen sei, habe viele Menschen zum Nachdenken gebracht, meint Rößle: „Das hätte uns auch passieren können.“ 180 Menschen seien bei der Katastrophe gestorben, fünf davon in Marienthal. Was den Landrat beeindruckt: Die Marienthaler klagten nicht, es gebe eine richtige Aufbruchstimmung. Nördlingens Zweite Bürgermeisterin Rita Ortler bedankt sich im Namen der Stadt bei den Helfern: „Unsere Zeit ist doch nicht so schlecht, wie sie immer dargestellt wird.“ Und das gebe Hoffnung.

    Für das neue Dorfgemeinschaftshaus kann man an die Hochwasserhilfe Marienthal e.V. überweisen, Stichwort Freundschaftshaus, IBAN DE92 3705 0198 1935 9558 96. Der Kontakt für Sachspenden läuft über E-Mail: hochwasserhilfe-marienthal-ahr@gmx.de

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