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Nördlingen: Wie Corona die Arbeit am Amtsgericht Nördlingen beeinflusst

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Wie Corona die Arbeit am Amtsgericht Nördlingen beeinflusst

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    Eine Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft liegt im Amtsgericht auf der Richterbank.
    Eine Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft liegt im Amtsgericht auf der Richterbank. Foto: Stefan Puchne, dpa

    Fallen Strafbefehle momentan Corona-bedingt niedriger aus, um die Zahl der Einsprüche und damit der Verhandlungen gering zu halten? Gerhard Schamann, Strafrichter und Bereichsleiter der Strafabteilung am Amtsgericht Nördlingen, sprach jüngst in einem Prozess von einem „Corona-Bonus“ bei

    Er habe beobachtet, dass die Geldstrafen in den Schriftstücken derzeit am unteren Ende der sonst üblichen Anzahl an Tagessätzen lägen, sagte er. Wegen Corona habe die Justiz momentan viele Verfahren abzuarbeiten, deshalb wolle man den Angeschuldigten in einem Strafbefehlsverfahren momentan „ein günstiges Angebot“ machen, so scheint es. Er nenne das den „Corona-Bonus“, sagte Schamann. Nehme ein Beschuldigter den schriftlichen Strafbefehl nicht an, sondern bestehe er auf einer mündliche Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme, so müsse er „nach der derzeit herrschenden Gepflogenheit mit einer Verurteilung rechnen, die bis zu einem Drittel höher liegt“, so der Richter.

    Strafe unter Umständen rund 30 Prozent höher

    In der Verhandlung vergangene Woche ging es konkret um einen 40-Jährigen, der wegen Nötigung im Straßenverkehr einen Strafbefehl erhalten und dagegen Einspruch eingelegt hatte (wir berichteten). Der Strafbefehl lautete auf 60 Tagessätze und drei Monate Führerscheinentzug. Der Angeklagte zog in der Verhandlung nach der Beweisaufnahme seinen Einspruch zurück und akzeptierte damit den Strafbefehl. Gerhard Schamann hatte daraufhin betont, dass der Angeklagte mit einem deutlich „höheren Urteil rausgegangen“ wäre, wenn er den Einspruch nicht zurückgezogen hätte. Sein „Bonus“ wäre dann verlorengegangen und er hätte mit einer rund 30 Prozent höheren Strafe rechnen müssen. In der Beweisaufnahme waren keine wesentlich neuen, belastenden Aspekte zu dem Sachverhalt hinzugekommen.

    Die Anzahl der Tagessätze, die jeweils zugemessen werde, richte sich grundsätzlich „nur nach den Erfahrungswerten“ der Staatsanwaltschaft und der Richter, so Gerhard Schamann. Die Anzahl sei nirgends festgeschrieben. Richter und Staatsanwälte hätten einen „sehr hohen Ermessensspielraum“, wie er sagte.

    Einen generellen "Corona-Bonus" gebe es nicht, so die Staatsanwaltschaft

    Die Staatsanwaltschaft Augsburg verneint auf Nachfrage ausdrücklich, dass es eine Strafvergünstigung gegeben habe oder gebe. „Einen generellen "Corona-Bonus" hat es nicht gegeben“, teilt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Matthias Nickolai mit. „In dem Zeitraum, als pandemiebedingt nur eilbedürftige Verfahren verhandelt werden konnten, wurden seitens der Staatsanwaltschaft

    Die Höhe der beantragten Geldstrafen richte sich, dem im Strafgesetzbuch verankerten Schuldprinzip entsprechend, immer nach der persönlichen Schuld des Angeklagten. Zu den zahlreichen dabei zu berücksichtigenden Kriterien gehöre auch die Verfahrensdauer, die in Pandemiezeiten eine größere Rolle spielen könne. Bei der Beantragung eines Strafbefehls werde regelmäßig davon ausgegangen, dass der Angeschuldigte diesen akzeptieren und damit Reue und Schuldeinsicht zeigen werde, heißt es in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft weiter. „Im Fall eines Einspruches ist daher immer zu prüfen, ob dies Bestand hat oder ob eine höhere Strafe tat- und schuldangemessen ist. Angeschuldigte, die unter normalen Bedingungen angeklagt worden wären, haben in Zeiten des „Lockdowns“ den Vorteil gehabt, durch das Strafbefehlsverfahren, ohne vor Gericht erscheinen zu müssen, ein Urteil zu erhalten“, so der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft.

    Am Amtsgericht gibt es nur einen geringen Rückstau

    Der bayrische Justizminister Georg Eisenreich sagte kürzlich in einem Interview mit der Münchner Abendzeitung: „Die Coronakrise rechtfertigt keine andere Bewertung von Straftaten. Eine Strafe erfordert immer, dass sie tat- und schuldangemessen ist.“ Das Ministerium habe den Staatsanwaltschaften empfohlen, in geeigneten Fällen statt einer öffentlichen Hauptverhandlung einen Strafbefehl zu beantragen.

    Grundsätzlich könne man nicht davon ausgehen, dass Urteile in mündlichen Verhandlungen immer höher liegen würden als die Strafbefehle, sagt Dieter Hubel, Direktor des Amtsgerichts Nördlingen. In der Verhandlung könne sich eine Tat als gravierender herausstellen oder auch als milder.

    Insgesamt habe sich die Lage am Amtsgericht Nördlingen seit Mitte Juni entspannt. „Das Gericht arbeitet wieder im Vollbetrieb“, sagt Hubel. „Alle Fälle werden wieder bearbeitet, wir sind in Straf-, Familien- und Betreuungssachen wieder voll da.“

    Zwischenzeitlich hatte sich das Nördlinger Amtsgericht wegen der Pandemie auf den Kernbereich und einige Eilfälle beschränkt. Gewaltschutzanordnungen im Familienbereich habe es seit Ausbruch der

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