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Nördlingen: "Weihnachten im Schuhkarton": Reine Nächstenliebe oder Mogelpackung?

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"Weihnachten im Schuhkarton": Reine Nächstenliebe oder Mogelpackung?

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    So viele Schuhkartons wurden im vergangenen Jahr in Hainsfarth gespendet. Doch es gibt Kritik an der Organisation.
    So viele Schuhkartons wurden im vergangenen Jahr in Hainsfarth gespendet. Doch es gibt Kritik an der Organisation. Foto: Mebert (Archivbild)

    Für viele Kinder gibt es kaum etwas Schlimmeres als die Vorstellung, Weihnachten ohne Geschenke überstehen zu müssen. Doch genau so sieht die Realität in zahlreichen Familien auf der ganzen Welt aus. Viele Aktionen möchten diesen Kindern das Fest verschönern. Eine der bekanntesten ist „Weihnachten im Schuhkarton“. Doch nicht alle, die sich damit befassen, unterstützen das Projekt. Der Vorwurf: Die Kartons seien eine Mogelpackung.

    Jährlich läuft die Aktion in vielen Ländern der Welt, auch im Landkreis Donau-Ries engagieren sich die Helfer, um die Kartons aus der Region zu bedürftigen Kindern zu bringen. Unter anderem das Dekanat Oettingen oder die Grundschule Amerdingen fungieren als Annahmestationen für die Pakete, von dort aus werden sie gesammelt und in viele Länder der Welt gebracht. Veranstalter der Aktion ist die evangelikale Organisation „Samaritan’s Purse“ aus den USA. Der Name soll an den barmherzigen Samariter aus der Bibel erinnern, nach eigener Auffassung leistet die Organisation Entwicklungshilfe.

    Wolfermann: "Entwicklungspolitisch keinerlei Nutzen"

    Dekan Gerhard Wolfermann teilt diese Einschätzung in Bezug auf „Weihnachten im Schuhkarton“ jedoch nicht. Der Leiter der protestantischen Gemeinde in Nördlingen bemängelt, dass mit den Geschenken „entwicklungspolitisch keinerlei Nutzen“ verbunden sei. Stattdessen gehe es dabei um Missionierungsarbeit. Denn die selbsternannten Samariter versuchten mit den Kartons Einfluss auf deren Empfänger zu nehmen und sie für ihre Freikirche zu gewinnen.

    Die Übergabe der Geschenke in den Zielländern folgt festen Mustern. Wie diese einzuordnen sind, darüber sind Vertreter der Aktion mit einigen Protestanten und Katholiken geteilter Meinung. Sicher ist: Die Pakete gehen unter anderem nach Bulgarien, Nordmazedonien oder Weißrussland. Vor Ort wählen die Veranstalter Kinder aus, die zu einer Feier eingeladen werden und dort die befüllten Schuhkartons überreicht bekommen. Dazu erhalten sie eine Infobroschüre und eine Einladung zum Glaubenskurs mit dem Titel „Die größte Reise“.

    1286 gepackte Schuhkartons im Landkreis

    Für Michaela Groß ist dieses Vorgehen mehr als nur legitim. Sie koordiniert als Ehrenamtliche die Sammlung im Landkreis. Heuer fand diese zum 19. Mal statt, 1286 Schuhkartons sind hier für arme Kinder gepackt worden, sagt Groß. Den Glaubenskurs dürfe man sich nicht als religiöse Indoktrination vorstellen. „Die Kinder können dort Lesen und Schreiben lernen, sie finden Anschluss und ein soziales Netz“, sagt sie. Zu „Samaritan’s Purse“ habe sie grundsätzlich keine Verbindung, nur im Herbst und in der Vorweihnachtszeit koordiniere sie in deren Auftrag als Ehrenamtliche die Sammlung. Ein Antrieb dabei: ihr Glaube. „Den empfinde ich als so großartig, und das möchte ich anderen nicht vorenthalten.“ Dass mit den Geschenken ein missionarischer Aspekt verbunden sei, „ist in gewisser Weise vielleicht so“, sagt sie. Doch das ist in ihren Augen unproblematisch. Die Teilnahme an den Kursen sei „vollkommen freiwillig“, die Kartons würden an Kinder aller Glaubensrichtungen verteilt, an Bedingungen seien die Spenden nicht gebunden. Für den Nördlinger Dekan Wolfermann baut die Organisation damit jedoch einen subtilen psychologischen Druck auf. „Reizvoll ist die Aktion vor allem für die, die etwas geben“, sagt er. „Samaritan’s Purse“ empfinde er als „aggressiv“. Auch Vertreter der katholischen Kirche äußern sich kritisch über „Weihnachten im Schuhkarton“. Das Bistum Augsburg verweist bei einer Anfrage auf die Expertise des Bistums Trier, derzufolge durch die Aktion die Lebensbedingungen der Kinder in Not nicht verbessert würden, „weder die Ernährung noch die medizinische Versorgung. Auch die Wohnverhältnisse oder die Möglichkeiten, eine Schul- oder Berufsausbildung zu erhalten, werden nicht verbessert. Diese Aktion leistet daher keine nachhaltige Entwicklungshilfe für Kinder in Not.“

    Urteil über "Weihnachten im Schuhkarton" fällt nicht leicht

    Doch schon, dass auch von außerhalb der Freikirchen Unterstützung für die Aktion kommt – etwa aus dem Dekanat Oettingen – zeigt: Das Urteil über „Weihnachten im Schuhkarton“ fällt nicht leicht. Auch im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland finden sich Unterstützer. Selbst der Papst stattete die Aktion einst mit Segenswünschen aus. Doch diese müsse man einordnen, schreibt das Bistum Trier: „Das vatikanische Dankschreiben ist keine Aufforderung an die deutschsprachigen Diözesen oder an Katholiken, sich an der Aktion zu beteiligen; es ändert nichts an der kritischen Haltung der deutschen Diözesen“, heißt es auf dessen Website.

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