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Rieser Kulturtage: Rieser Kulturtage wurden digital eröffnet

Rieser Kulturtage

Rieser Kulturtage wurden digital eröffnet

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    In Wallerstein entdeckten Archäologen zwei tönerne Miniaturräder – ein Fund, der so in Bayern noch nicht gemacht wurde. Doch der Zweck ist ungeklärt.
    In Wallerstein entdeckten Archäologen zwei tönerne Miniaturräder – ein Fund, der so in Bayern noch nicht gemacht wurde. Doch der Zweck ist ungeklärt. Foto: Archäologiebüro Dr. Woidich

    Mit einem Online-Festvortrag sind am Freitagabend die 23. Rieser Kulturtage eröffnet worden. Dr. Johann Tolksdorf, Gebietsreferent in der Bodendenkmalpflege am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Thierhaupten, stellte in seinem Vortrag außergewöhnliche Bodenfunde im Ries vor, die vom dritten Jahrtausend vor Christus bis ins Mittelalter datieren.

    Das Ries ist eine der dichtesten Bodendenkmallandschaften Bayerns, doch in den Augen vieler Rieser scheinen die Ausgrabungen, die meist im Zuge der Schaffung neuer Baugebiete stattfinden, wegen der Bauverzögerungen und Kosten nur ein Ärgernis zu sein. Gerhard Beck, Vorsitzender des Vereins Rieser Kulturtage, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass das in anderen Orten und Gegenden anders sei, etwa in Bopfingen, Ruffenhofen, Landshut oder Kehlheim, wo sich die Menschen mit der Archäologie stärker identifizierten und ihre Funde mit gewissem Stolz in Museen oder Freiluftanlagen präsentierten. Im Ries, beklagte Beck, fehle es hingegen an einem archäologischen Verein und an der Vermittlung der Erkenntnisse durch eine archäologische Heimatpflege. Genau diese Vermittlung war das Anliegen von Dr. Tolksdorf.

    Zeitreise beginnt in Balgheim

    Die Zeitreise begann mit Funden zu Grundrissen von „monumentalen“ trapezförmigen Häusern in Balgheim, die auf circa 3000 vor Christus datiert werden und eine Länge von fast 20 Meter erreichten. Für die Archäologen war das spannend, sagte Dr. Tolksdorf, „weil das plötzlich ein Zeitraum war, aus dem wir überhaupt keine Häuser, keine Hausgrundrisse bisher im Ries kannten.“ Die Hoffnung der Archäologen sei, „wenn wir das nächste Mal ähnliche Grundrisse finden und datieren, vielleicht ein ähnliches Alter bekommen und feststellen: wir haben hier eine monumentale Hausgattung, die wir bisher völlig übersehen hatten; die wir bislang gar nicht einordnen konnten.“

    Von Balgheim ging es weiter nach Wallerstein, wo in einem Baugebiet ein Grab eines sechs- bis siebenjährigen Kindes mit zwei circa fünf Zentimeter großen, tönernen Miniaturrädern gefunden wurde, aus der Zeit vom Ende des dritten Jahrtausends vor Christus. „Diese Tonscheiben hatten wir bislang so noch nie in einem Grab gesehen“, sagte Dr. Tolksdorf. Er vermutete einen Kulturbezug zum Karpatengebiet, wo man ähnliche Funde gemacht habe. Die Archäologie gehe allgemein davon aus, dass die ersten Räder und Wagen aus Holz gewesen seien und irgendwann im vierten Jahrtausend erfunden worden seien. Zwar gebe es Funde von (hölzernen) Rädern in Mooren in Nord- und Süddeutschland, aber nicht in Bayern. Mit dem Wallersteiner Fund „haben wir jetzt auch in Bayern endlich mal einen ordentlichen Nachweis für Räder“, so Dr. Tolksdorf. Offen bleibe aber die Frage, wozu der Miniaturwagen gedient haben könnte.

    Die dritte Station des Vortrags lag wieder in Balgheim: ein beachtliches Grabmonument (circa 3000 vor Christus), das komplett mit einer massiven hölzernen Spaltbohlenwand umgeben war und das Anlass gibt, unsere Vorstellung von den sanft sich in die Landschaft einfügenden Grabhügeln zu revidieren. „Das dürfte auch damals in der Landschaft einen entsprechenden Eindruck hinterlassen haben“, meinte Tolksdorf.

    Vorgeschichtliche Müllgrube

    Der vierte vorgestellte Fund waren zwei herzförmige Schmuckanhänger aus Bronze (1400 bis 1300 vor Christus), die in einer vorgeschichtlichen Müllgrube auf dem heutigen Varta-Gelände in Nördlingen gefunden wurden und die dort bewusst niedergelegt worden seien. Dr. Tolksdorf vermutete, dass es sich dabei um den „Rest eines Kultmahles“ handle, „vielleicht am Ende eines Lebensabschnittes“, als sich jemand seines Schmuckes entledigt habe.

    Ein weiterer Fund, auch auf dem Varta-Gelände, war das gut erhaltene Skelett eines neun bis zwölfjährigen, 1,30 Meter großen Jungen aus der Keltenzeit (viertes oder drittes Jahrtausend vor Christus), der in einer früheren Müllgrube „pietätlos entsorgt“ worden war (wir berichteten). Der Schädelfraktur nach zu schließen, wurde er ermordet. Vermutlich handelte es sich um einen Sklaven.

    Zuletzt präsentierte Dr. Tolksdorf fünf Jakobsmuscheln (datiert auf 1266 bis 1301 nach Christus), die zu den Überresten eines bei den Fundamenten der Nördlinger Spitalkirche Bestatteten gehörten und die auf einen Jakobspilger schließen lassen, der zwischen 50 und 60 Jahre alt war.

    Dr. Tolksdorf vermittelte dem Publikum zudem auf anschauliche und unterhaltsame Weise archäologische Untersuchungsmethoden wie die chemische Isotop-Analyse. Zeitweise folgten 110 Gäste dem Online-Vortrag.

    Veranstaltungen bis zum 16. Mai

    Die Veranstaltungen des eröffneten Programms gehen bis 16. Mai. Der Themen-Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf der jüdischen Geschichte im Ries, passend zum bundesweiten Gedenkjahr. Viele Veranstaltungen sind als Freiluft-Führungen und als Online-Vorträge geplant.

    Eine Filmaufzeichnung des Vortrags findet sich unter www.rieser-kulturtage.de. Dort sind auch das täglich aktualisierte Programm und die Zugangslinks zu den Online-Vorträgen zu finden.

    Alle Beiträge zu den Vorträgen der Rieser Kulturtage finden Sie hier:

    Lesen und lernen Sie mehr über die Vorträge der Rieser Kulturtage

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