Einschränkungen hatten sie befürchtet. Dass sie ihre gastronomischen Betriebe aber ab kommenden Montag bis Ende November komplett dichtmachen müssen, hat die Betreiber von Restaurants, Kneipen, Cafés und Bars in Nordschwaben dann doch geschockt. „Das ist ein harter Schlag“, sagt Sepp Meyer, der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga).
Meyer bedauert die Entscheidung aus Berlin, könne er doch – und so sehen es auch seine Kollegen – angesichts ausgeklügelter und erprobter Hygieneregeln nicht erkennen, dass in Gaststätten ein erhöhtes Risiko bestehe, sich mit Covid-19 zu infizieren. Die trotz versprochener Ausgleichszahlungen zu befürchtenden Umsatzverluste sind die eine Seite, doch in Gesprächen mit Wirten und in der Branche Beschäftigten wird klar, was Meyer vorsichtig zurückhaltend formuliert: „Wir alle haben in den letzten Monaten viel getan, auch investiert, um nach der Corona-Zwangspause im Frühjahr einen sicheren Betrieb gewährleisten zu können. Deswegen sind wir jetzt so enttäuscht.“
Reserven der Gastronomie in Nordschwaben aufgebraucht
Meyer ist sicher, dass nicht alle Gaststätten in Nordschwaben den erneuten Lockdown am Ende überleben werden, weil die Reserven im Frühjahr aufgebraucht worden seien und „in den wenigen Sommerwochen keine neuen Polster gebildet werden konnten“. Der Kreisvorsitzende, Inhaber des Hotels „Meerfräulein“ in Wemding, kann sich kaum vorstellen, dass alle Betriebe die Turbulenzen überstehen. „Am ehesten noch die kleinen, familiengeführten“, sagt er.
Häufiges Lüften, ein ausgeklügeltes Hygienesystem, Maskenpflicht und ständiges Desinfizieren – Meyer sagt, die Ansteckungsgefahr in der Gastronomie sei gering. Das würden auch Virologen bestätigen. „Es ging gerade wieder bergauf. Die Leute haben sich wieder getraut, zum Essen zu gehen“, hörte der Kreisvorsitzende von Kollegen zuletzt oft. Nun müsse sich die Gastronomie als Sündenbock fühlen.
„Es trifft die Falschen“, betont Michael Heilig, Leiter des Kreisverbandes Donau-Ries im Wirtschaftsdreieck Bayerisch Schwaben, Mittelfranken, Ostalb. Er vertritt den Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. Die Branche sei gerade dabei gewesen, sich von den massiven Einschränkungen des ersten Halbjahrs langsam zu erholen. Nun komme es zur erneuten Existenzbedrohung.
Seine Existenz sieht Daniel Gaudera vom Oettinger Gasthaus „Zur Post“ derzeit noch nicht bedroht. „Die Stimmung ist dennoch gedrückt“, sagt er. Bei ihm ist es weniger der Lockdown, der ihm Kummer bereitet. Unlängst hat er in Wassertrüdingen das Radl-Hotel gepachtet, der Vertrag beginnt zum 1. November – wegen der Corona-Bestimmungen „mit einer Vollbremsung“, wie Gaudera sagt. Weniger Kopfzerbrechen bereitet ihm die wirtschaftliche Lage seines Gasthauses in Oettingen. „Schon die erste coronabedingte Schließung hat gezeigt, dass unser Abholservice sehr gut angenommen wird.“ Gaudera geht davon aus, dass die Gaststätten auch über Weihnachten geschlossen bleiben müssen. „Ich finde das bescheuert.“ Er habe von Anfang an ein strenges Hygienekonzept umgesetzt, Plexiglasscheiben aufgestellt, Tische entfernt und seine Mitarbeiter geschult. „Wir Gastronomen halten uns an jede Regel und dann sehe ich, wie die Leute dicht gedrängt im Supermarkt stehen.“
Auch Klaus Brosi vom Wallersteiner Gasthaus „Zum Goldenen Löwen“ hat viel Geld und Zeit in ein Hygienekonzept investiert. Bezüglich der Schließung im November sagt er: „Wenn sie ihren Zweck erfüllt, also eine Eindämmung der Pandemie, gehen wir da gemeinsam durch.“ Doch auch er hat Sorgen, nicht nur um seinen Betrieb. „Ich habe mit Kollegen gesprochen, da ist die Stimmung sehr schlecht“, sagt er. Auch in der Zeit nach November werde der Betrieb nur mit „wahnsinnig angezogener Handbremse“ laufen, prognostiziert Brosi. „Viele Gastronomen werden ihre Türen gar nicht mehr aufmachen.“ Er und seine Mitarbeiter werden gemeinsam versuchen, die Zeit zu überbrücken. „Aber jeder wird ein bisschen Federn lassen müssen.“ Etwa durch weniger Arbeitsstunden.
Nördlinger Restaurant-Leiter: "Es war ein Schock."
Ulrich Raab führt das Nördlinger Restaurant „Schlössle“. Nachdem bekannt wurde, dass er den November über würde schließen müssen, habe er eine Nacht nicht schlafen können, wie er sagt. „Es war ein Schock.“ Dann überlegte er, welche Optionen ihm blieben. Das Schlössle wird an den Wochenenden einen Abholservice anbieten. Raab hofft auch auf die erneut angekündigten staatlichen Soforthilfen. Eine Entscheidung über mögliche Kurzarbeit seiner Mitarbeiter hat er noch nicht getroffen. Ihm ist klar: Auf die Angestellten in der Gastronomie kommt nun eine harte Zeit zu. „Trinkgeld, das einen nicht unwesentlichen Teil des Gehalts ausmacht, fällt jetzt zum Beispiel komplett weg.“ Doch bei allen schlechten Nachrichten sagt Raab auch: „Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken.“
Abholservice in der Wallfahrtsgaststätte in Wemding
Juniorchef Alexander Trollmann von der Wallfahrtsgaststätte in Wemding ist froh, „dass wir die Schilder noch im Keller haben“. Es sind die Tafeln, die auf den Abholservice hinweisen. Diesen „Drive-in“, im Frühjahr bereits praktiziert, werde man wiederbeleben, sagt Trollmann. Ein „bisschen“ habe er schon mit Maßnahmen gerechnet, wie sie nun verkündet wurden. Deshalb hat er bei seinem Lieferanten schon tags zuvor „Einpackschalen“ geordert, um wieder einen Abholservice einzurichten.
Den Antrag auf Kurzarbeit für zehn Beschäftigte hat Trollmann unlängst abgeschickt. Er sei enttäuscht, weil im November die in den vergangenen Jahren so beliebte „Schlachtpartie“ ausfallen müsse. Der To-go-Service könne die Ausfälle nicht kompensieren. Es gehe darum, wenigstens den drei Auszubildenden den Arbeitsplatz zu sichern. Ob das Geschäft dann im Dezember wieder anlaufen kann, mag Trollmann noch nicht beurteilen. „Es hat ohnehin schon zahlreiche Absagen für Weihnachtsfeiern von Betrieben gegeben.“ Die Hoffnung auf die Silvestergala mit „Bergkristall“ sei nur sehr gering.
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