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Nördlingen: Die Mess‘ zwischen Nördlinger Altstadt und Kaiserwiese

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Die Mess‘ zwischen Nördlinger Altstadt und Kaiserwiese

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    Der Autoscooter auf dem Weinmarkt.
    Der Autoscooter auf dem Weinmarkt. Foto: Foto Hirsch

    Kann man sich heute überhaupt noch vorstellen, dass die Mess’ früher in der Altstadt stattgefunden hat? Bis 1963 war das aber so, dann wurde die Nördlinger Mess’ auf die Kaiserwiese verlegt.

    In den Erinnerungen mancher Nördlinger spielen die „Raketenfahrt zum Mond“ auf dem Brettermarkt und vor allem die Bude der daneben platzierten Steilwandfahrer „Kitty und Pitt“ eine große Rolle. In einem großen Holzrondell fuhren Motorräder und ein Auto in Achterkurven über- und untereinander an der Steilwand ihre Runden. „Kitty und Pitt“ fuhren ohne Lenkung, oftmals auf dem Sattel stehend. Weil dies lebensgefährlich war, konnte man sie nicht versichern, und so bat man nach jeder Vorführung um Trinkgeld – was dann auch reichlich gegeben wurde.

    Der Autoscooter auf dem Weinmarkt.
    Der Autoscooter auf dem Weinmarkt. Foto: Foto Hirsch

    Vom Brettermarkt aus zog sich die Reihe der Verkaufsbuden über den Schäfflesmarkt einerseits hinab in die Hallgasse, andererseits in Richtung Rübenmarkt und Kriegerbrunnen, wo ein Kinderkarussell auf die kleinen Messbesucher wartete. Gleich im Anschluss begann dann die doppelreihig angelegte Budenreihe vor St. Georg. Und wer diese durchschritten hatte, der landete alsbald auf dem Obstmarkt, auf dem die Schiffschaukel und Menzels Zugspitzbahn platziert waren.

    Schiffschaukel im Juni 1962 vor dem Daniel.
    Schiffschaukel im Juni 1962 vor dem Daniel. Foto: Bergdolt

    In vielen Erinnerungen spielt der Autoscooter auf dem Weinmarkt eine große Rolle, der insofern ungünstig platziert war, weil in der im benachbarten Hallgebäude untergebrachten Oberrealschule mit Gymnasium Unterricht stattfand, dessen Ende die Schüler angesichts des Messvergnügens kaum abwarten konnten.

    1963 fand die Messe mit ihren etwa 230 Verkaufsständen zum letzten Mal in der Altstadt statt. Wegen geplanter Bauarbeiten an der durch die Stadt führenden B 25 musste man an eine Verlegung hinaus auf die Kaiserweise denken. Die vom Stadtrat beschlossene Verlegung wurde in der Bevölkerung durchaus kontrovers diskutiert. Auch wenn es sich abzeichnete, dass der Ausbau der Bundesstraße nicht mit dem Messtermin zusammenfallen würde, war es für eine Rücknahme der Entscheidung zu spät. Wenn es mal eine Umgehungsstraße geben würde, dann könnte man ja wieder über eine Rückverlegung nachdenken, meinte der damals neu gewählte Oberbürgermeister Dr. Hermann Keßler. Für die Rieser Nachrichten war die Sache freilich entschieden. Wörtlich: „Das Tauziehen um den Standort der Nördlinger Jahresmesse 1964 ist beendet. Wer es bis jetzt noch nicht gespannt hatte, kann sich ab heute davon überzeugen, daß Vergnügungspark, Budenstraßen und Nahrungstankstellen nicht die Straßen und Plätze rings um den Daniel belagern, sondern auf der Kaiserwiese einen neuen Platz gefunden haben. Wie allgemein bekannt sein dürfte, entsprang die ebenso heftig bekämpfte wie umjubelte „Kaiserwiesen-Idee“ der Notwendigkeit, die Innenstadt wegen des geplanten Ausbaus der Bundesstraße 25 freizuhalten. Obwohl dieses Projekt … doch nur auf dem Papier steht, sind die Innenstadtbewohner des Messelärms ledig ...“

    Der wirtschaftliche Aspekt lebt wieder auf – aber nur kurz

    Auf der Kaiserwiese wurde der wirtschaftliche Aspekt mit der zum ersten – und zum letzten – Mal ausgetragenen „Rieser Ausstellung“ als eine Art Vorläufer der späteren Rieser Verbraucherausstellung deutlich aufgewertet. In zwölf großen Ausstellungshallen konnten alle Bereiche des Wirtschaftslebens der Stadt und des Rieses dargeboten werden. Und auch die Messe wartete mit einigen technischen Neuheiten auf, wie zum Beispiel mit der „Rennbahn“ für junge Autofahrer. Auch wenn das Riesenrad nach wie vor einen Blickfang bildete, so kündigte sich bei den Fahrgeschäften allmählich das Ende der alten Schiffschaukel an. Denn die Tendenz zeigte auch bei den Fahrgeschäften eindeutig in Richtung „höher, schneller, weiter“. Dies veranlasste unsere Zeitung zu der Frage, ob das allgemeine Streben nach Höhe nicht im Zusammenhang mit den Erfolgen der Amerikaner und Russen in der Weltraumfahrt stehe?

    Das Kinderkarussell auf dem Rübenmarkt.
    Das Kinderkarussell auf dem Rübenmarkt. Foto: Burger

    1965 erfuhr die „Rieser Ausstellung“ keine Neuauflage mehr. Wo im Jahr zuvor die Ausstellungshallen standen, wurde nun Paperts Festzelt aufgestellt. Zum ersten Mal inszenierte man damals ein großes Feuerwerk, das zum unverzichtbaren Bestandteil der Messe werden sollte. Allerdings konnte auch diese Neuheit nicht verhindern, dass der Großteil der Messbesucher im Rahmen einer Umfrage meinte, die Mess’ in der Altstadt sei viel schöner gewesen. Im Großen und Ganzen sei das Experiment der Verlegung aber geglückt und die befürchteten Einbußen seien ausgeblieben, lautete das Gesamtresümee in den RN.

    Gut 20 Jahre später, das heißt 1986, wurde die Rieser Verbraucherausstellung ins Leben gerufen. Auf über 3500 Quadratmetern Ausstellungsfläche war ein neues „Schaufenster der Wirtschaft“ entstanden, das den Besuchern interessante Einblicke und den Anbietern willkommene Präsentationsmöglichkeiten bot. Die Ausstellung trug die Handschrift des viel zu früh verstorbenen Wolfgang Koch, des damaligen Chefs der Ankerbräu, wobei im gleichen Atemzug die Namen des damals ausscheidenden Ordnungsamtsleiters Jochen Hirmer und seines Nachfolgers Hans Rieß genannt werden müssen. Dass man mit dem Projekt ins Schwarze getroffen hatte, zeigt die Tatsache, dass schon im zweiten Jahr 70 000 Besucher gezählt werden konnten.

    Die Mess’-Stände am Obstmarkt.
    Die Mess’-Stände am Obstmarkt. Foto: Beck

    Aber schon 1988 hieß es: Mess’ erstickt im Verkehr. Wolfgang Koch rechnete damals schon mit 100 000 Ausstellungsbesuchern, am Ende waren es dann tatsächlich 104 000 Besucher und dies bei weiterhin steigenden Besucherzahlen, sodass 1991 die Rekordzahl von 167 000 Besuchern erreicht werden konnte. Aber auch die Besucherzahl der Mess’ selbst war erneut angestiegen, sodass 5000 Parkplätze nicht mehr ausreichten.

    1988 Premiere eines Festzugs von der Altstadt zur Kaiserwiese

    1988 konnte man auf 25 Jahre Mess’ auf der Kaiserwiese zurückblicken. Zumindest von offizieller Seite aus sah man die Verlegung der Messe nach wie vor positiv; der Einzelhandel sah das damals noch anders. Einig war man sich jedenfalls darin, dass der in diesem Jahr erstmals veranstaltete Festzug durch die Altstadt hinaus auf die Kaiserwiese im nächsten Jahr wiederholt werden sollte.

    Tatsächlich wurde der 1989 zum zweiten Mal ausgetragene Festzug zu einer festen Einrichtung. Knabenkapelle und Stadtrat mit OB Paul Kling an der Spitze, historische Gruppen, das historische Feuerwehrfahrzeug der Nördlinger Wehr, Hochräder und viele weitere einheimische und auswärtige Gruppen sowie der Wagen der Schausteller kamen bei den Zuschauern hervorragend an.

    Fotoausstellung über die Mess’ der Nachkriegszeit

    Die Jubiläumsmesse 1994 – man feierte das 775-jährige Bestehen – beging man mit einem Festakt im Gemeindezentrum St. Salvator, beendet wurde die Mess’ auch damals mit einem Brillantfeuerwerk. Den Festvortrag hielt Archivoberrat Dr. Voges, eine Fotoausstellung gab Einblicke in die Mess’ der Nachkriegszeit, ein Feuerschlucker begeisterte die Zuschauer, ebenso wie das im Pfarrgarten dargereichte Essen. Die Mess’ selbst konnte mit einer Weltneuheit aufwarten: Egon Menzel kam mit seiner Karussell-Neuheit „Speedy“, die vorher auf dem Plärrer in Augsburg zum ersten Mal gezeigt worden war, und auch die „Etagengeisterbahn“ war zum ersten Mal in Nördlingen zu sehen.

    Kein Wunder, galt die Nördlinger Pfingstmesse doch schon damals als das größte Volksfest Nordschwabens mit einem abwechslungsreichen, zehntägigen Unterhaltungsprogramm, großem Warenangebot, Festzug und Verbraucherausstellung.

    InfoWer mehr über die Geschichte der Nördlinger Mess’ erfahren will, der kann in dem im Jubiläumsjahr 2019 erschienenen Buch nachlesen: Stadtarchiv Nördlingen (Hrsg.), 800 Jahre Nördlinger Mess’. Von der internationalen Fernhandelsmesse zum größten Volksfest Nordschwabens, Olching 2019.

    Im Buchhandel sowie in der Tourist-Information und der RN-Geschäftsstelle erhältlich ist das Jubiläumsbuch zur 800-Jahr-Feier der Mess’ im Jahr 2019.
    Im Buchhandel sowie in der Tourist-Information und der RN-Geschäftsstelle erhältlich ist das Jubiläumsbuch zur 800-Jahr-Feier der Mess’ im Jahr 2019.
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