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Nördlingen: Baumpfleger Martin Klungler: Heger und Sprecher der Bäume

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Baumpfleger Martin Klungler: Heger und Sprecher der Bäume

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    Martin Klungler vor der Stiel-Eiche im Schneidt’schen Garten, einem der schönsten Bäume der Stadt.
    Martin Klungler vor der Stiel-Eiche im Schneidt’schen Garten, einem der schönsten Bäume der Stadt. Foto: Ronald Hummel

    Martin Klungler kam auf Umwegen zu seiner naturverbundenen Arbeit als Baumpfleger, die er seit 2012 am Nördlinger Stadtbauhof ausübt: Der heute 62-Jährige, der im fränkischen Döckingen aufwuchs und heute noch dort lebt, war zunächst Werkzeugmacher. Als solcher wartete und reparierte er auch Maschinen einer Baumpflege-Firma und es ergab sich, dass er schließlich beruflich dorthin umsattelte. Er belegte Kurse, in erster Linie Baumklettern mit den entsprechenden Absicherungen: „Dass es lange Zeit keine Baumpfleger in Deutschland gab, lag daran, dass Gärtner nicht klettern konnten“, sagt er.

    Heute kommt zwar immer mehr die Hebebühne zum Einsatz, doch man muss immer noch angeseilt in die Krone steigen. Die vordergründigen Pflegearbeiten sind Ausschneiden und Fällen, doch dahinter steckt ein fundiertes Wissen über Baum-Statik, die von Art zu Art ganz verschieden sei – es gelte, den Baum zu entlasten, wenn er in einer bestimmten Richtung zu schwer wird, sich zu neigen oder gar zu fallen droht. Dabei spielt auch das Erkennen von Pilzen eine wichtige Rolle, die den Baum von innen zersetzen und brüchig machen; um sie zu finden, muss Klungler wissen, wann der Pilzfruchtkörper entwickelt und sichtbar ist. Zu große Schnitte können Eintrittspforten für Pilze sein und müssen deshalb vermieden werden.

    Über den Tellerrand hinaus blicken

    Generell kann der Baumpfleger den Zustand eines Baumes schon äußerlich erkennen, etwa an der Dichte des Laubes oder der Größe der Blätter. Eine umfassende Information gibt das Baumkataster, in dem bereits knapp 10 000 Bäume im Stadtgebiet erfasst wurden. Ein Blick auf das umgehängte Notebook verschafft den ultimativen Überblick: Nummer, Standort, Maße von Stamm und Krone, Noten zu Vitalität, Lebenserwartung, Schädigungsgrad, Bodenbeschaffenheit, Kontrollen und bisherige Maßnahmen sind normiert aufgelistet, so- dass sie jeder andere Baumpfleger gleichermaßen ablesen kann.

    Martin Klungler muss immer über den Tellerrand hinaus auf die Biodiversität blicken, auch Vögel und andere Tiere im Lebensraum Baum berücksichtigen. So werden Arbeiten in den Kronen vorzugsweise im Winter ausgeführt, wenn keine Nester mehr gestört werden; außerdem hat man ohne Laub den besseren Überblick. Oft gehören auch Menschen zum Lebensraum Baum, die das nicht immer schätzen, sondern sich oft über das abfallende Laub ärgern: „Ich habe jeden Tag ein bis zwei Gespräche dazu“, sagt er und sieht sich dann in der Rolle als Sprecher der Bäume, dem es manchmal gelingt, die Faszination dieses Stücks Natur über die Probleme zu stellen.

    Den Klimawandel im Auge behalten

    Klungler muss, wie alle Pflanzenexperten, auch den Klimawandel im Auge behalten: „Manche Baumarten werden wegen der Trockenheit verschwinden, allen voran Fichte und Buche.“ Allein auf der Marienhöhe mussten in den letzten Wochen zehn durch Trockenheit abgestorbene Buchen gefällt werden – „die restlichen werden wohl in den nächsten fünf Jahren gefällt.“ Es werden Lücken im Wald entstehen, wie sie im Stiftungswald bei Buchenbeständen auf felsigem Boden bereits sichtbar sind. Doch die Erfahrung habe gezeigt, dass auf Brachflächen, etwa bei Sturmschäden, schon nach zehn Jahren der Wald wieder nach wächst. Dennoch müsse der Mensch künftig mehr auf die Bäume und ihre Umgebung eingehen – so sei es in Nördlingen mittlerweile üblich, ein besonderes Baumsubstrat bereits bei der Pflanzung mit einzubringen. Klungler selbst ist voll und ganz erfüllt von seiner aktiven Naturverbundenheit: „Ich habe nie bereut, dass ich diesen Beruf noch ergriffen habe.“

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