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Nördlingen: Aussterbender Beruf: Von Schrankenwärtern hängt viel ab

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Aussterbender Beruf: Von Schrankenwärtern hängt viel ab

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    Der Arbeitsplatz von Olaf Hoppe: der Bahnübergang an der Nürnberger Straße Ecke Innerer Ring. Der 53-Jährige ist einer der fünf Schrankenwärter, die es in Nördlingen noch gibt.
    Der Arbeitsplatz von Olaf Hoppe: der Bahnübergang an der Nürnberger Straße Ecke Innerer Ring. Der 53-Jährige ist einer der fünf Schrankenwärter, die es in Nördlingen noch gibt. Foto: Jan Kandzora

    Das Telefon klingelt um 16 Uhr. Das Klingeln bedeutet: Gleich kommt ein Zug. Olaf Hoppe nimmt den Hörer ab und meldet sich. „Posten“, sagt er, das war’s. Nach einigen Sekunden legt er wieder auf. Ein kurzes Telefonat. „Die Fahrdienstleiter sprechen miteinander“, erklärt Hoppe. Er hört nur zu.

    Hoppe ist Schrankenwärter am Bahnübergang in Nördlingen, an der Stelle, wo sich Nürnberger Straße und Innerer Ring kreuzen. Sein Arbeitsplatz: ein kleines Häuschen, vielleicht zwölf Quadratmeter groß, eingerichtet mit dem Nötigsten. Schreibtisch, Stuhl, Kühlschrank, Sessel, Wasserkocher, Kaffeemaschine, ein abgetrenntes Eck mit einer Toilette. Hoppes Arbeitswerkzeug: drei Kurbeln, die draußen vor dem Häuschen platziert sind. Mit einer lässt er die Schranken für die Fußgänger und Radler hinunter, mit zweien die großen Schrankenbäume für die Autofahrer.

    Die Züge fahren von Aalen in Richtung Nördlingen und von Nördlingen in Richtung Aalen, ab und an nutzen auch Güterzüge die Strecke und den Bahnübergang. Um 5.32 Uhr rollen die ersten Waggons am kleinen Häuschen vorbei, um 21.34 Uhr die letzten. Hoppe teilt sich die Schichten mit vier Kollegen auf. Sie haben einen Beruf, der vom Aussterben bedroht ist. Die Technik ersetzt den Menschen, Computer übernehmen vielerorts die Aufgaben früherer Wärterposten. In den 1980er-Jahren gab es noch mehr als 5000 Menschen in dem Job, vor zehn Jahren waren es schon nur noch um die 500. Heute sind es nach Auskunft der Bahn lediglich 212. Einige davon in Nördlingen.

    In Deutschland gibt es kaum noch Schrankenwärter

    Hoppe sagt, er kenne in Lindau noch ein paar Kollegen. Aber wo es sonst noch Schrankenwärter gibt? Er zuckt die Schultern. Schwer zu sagen. Dabei hat er durchaus was gesehen von Deutschland. Hoppe ist 53 und stammt aus Thüringen, gelernt hat er mal Maurer. 1983 kam er zur Bahn, und da blieb er auch nach der Wende. 2006 wurde er Schrankenwärter in Stuttgart, seit 2012 ist er in Nördlingen. Das Ries gefällt ihm. Jeden Tag fährt er von Kirchheim aus mit seinem Roller zur Arbeit. „Schöne Ecke“, sagt er.

    Von der Bahn heißt es, dass es kein festes Programm dazu gebe, die Zahl der Schrankenwärter immer weiter zu reduzieren. Die Übergänge würden in der Regel einmal jährlich überprüft; in jedem Fall sei es eine individuelle Entscheidung, wenn der Mensch durch Technik ersetzt wird. Es ergibt sich einfach. Ein Sprecher der Bahn berichtet, das „Ende des Schrankenwärters“ sei schon in den 1960er-Jahren verkündet worden. Der Abschiedskampf des Berufes zieht sich, wenn man so will, schon eine Weile hin.

    Gegen 16.10 Uhr ertönt ein Gong, der von einem kleinen Kasten im Häuschen ausgeht, den Hoppe als „Anrückmelder“ bezeichnet. Nun beginnt die eigentliche Arbeit des Schrankenwärters, Hoppe hastet raus, dann kurbelt er und kurbelt. Erst lässt er die Schranke für die Fußgänger und Radler hinunter, dann jene für die Autos. Es geht schnell, aber ohne Hektik. Früher war das für Hoppe mal anders. Durch Stuttgart fahren deutlich mehr Züge. In Nördlingen vergeht auch mal eine Stunde Zeit, ehe der Schrankenwärter wieder kurbeln muss. Ein Fernseher würde sich anbieten, aber der ist nicht erlaubt. „Das lenkt nur ab“, sagt Hoppe.

    Schrankenwärter haben viel Verantwortung

    Ein Satire-Magazin hat im Fernsehen vor einigen Jahren einen Beitrag gebracht, es ging um einen Schrankenwärter an einem einsamen Bahnübergang irgendwo in der niedersächsischen Pampa. Ein Sprecher dramatisierte die Arbeit des Wärters überspitzt, um sie ins Lächerliche zu ziehen: „Wenn über diese Schienen ein Zug rollt, ist ein Mann zur Stelle“, hieß es. Im Hintergrund lief Musik aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“. Der Beitrag war nicht gerade freundlich.

    Es wäre leicht, mit Häme auf einen Beruf zu blicken, den es in einigen Jahren in Deutschland wohl endgültig nicht mehr geben wird. Wenn man das denn will. Dabei hängt von der Wachsamkeit der Menschen, die ihn ausüben, durchaus einiges ab. In den Zeitungsarchiven lassen sich etliche Berichte über schwere Unfälle nachlesen, die passierten, da Schrankenwärter im falschen Augenblick nicht aufmerksam genug waren. Auch in den vergangenen Jahren gab es mehrere solcher Unfälle. In Nördlingen nicht. Hoppe ist ein ruhiger Typ, doch auf die Frage, ob es schon mal einen außergewöhnlichen Vorfall während seiner Arbeitszeit gab, schüttelt er energisch den Kopf. „Dramen sind bei mir noch nie passiert.“

    Damit es keine gibt, existieren mehrere Sicherheitsvorkehrungen. Es soll schließlich kein Zug durchrauschen, ohne dass die Schranken unten sind. Sofern Hoppe nicht meldet, dass sie geschlossen sind, dürfen die Züge nicht fahren, erzählt er. Dann setzt er sich wieder an seinen Schreibtisch und wartet. Bald kommt der nächste Zug.

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