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Munningen: Wie das elektrische Licht nach Munningen kam

Munningen

Wie das elektrische Licht nach Munningen kam

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    Die Transformatoren-Turmstation von 1919 bei der Furtstraße an der Wörnitz ist neben vier weiteren Stationen des Dorfes noch heute in Betrieb.
    Die Transformatoren-Turmstation von 1919 bei der Furtstraße an der Wörnitz ist neben vier weiteren Stationen des Dorfes noch heute in Betrieb. Foto: W. Gebhard, Archiv Friedel, Archiv UJAG

    Im vergangenen Oktober waren es 100 Jahre, dass der Bau des ersten elektrischen Ortsnetzes in Munningen beendet wurde. Für 109 Haushalte, landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe des Dorfes stand damit elektrischer Strom für Licht und Kraft zur Verfügung. Mit der Maßnahme kam ein zehnjähriges Für und Wider zur neuen Energiequelle in der örtlichen Gemeindeverwaltung und Bürgerschaft zum Abschluss. Die lebhafte Diskussion war eingebunden in die allgemeine und Rieser Entwicklung der Stromwirtschaft.

    Die Elektrizitätsnutzung durch Gleichstrom vollzog sich seit den 1880er Jahren, vorerst nur in den großstädtischen Zentren. Strom fürs flache Land war nach Expertenmeinung wegen eines langen Leitungsnetzes undenkbar. Zudem galt Strom in den unteren Einkommensschichten noch als Luxusgut. Für eine Kilowattstunde Strom musste ein Durchschnittsverdiener im Jahr 1888 zwei Stunden arbeiten. Die Edison-Glühlampe kostete einen Tagesverdienst.

    Zwischen 1890 und 1910 entstanden sieben Kleinelektrizitätswerke

    Eine Wende trat 1891 ein, als die Kraftübertragung mit Drehstrom über eine Länge von 180 Kilometern von Lauffen a. Neckar zur Internationalen Ausstellung nach Frankfurt glückte. Damit war die Voraussetzung zur Stromversorgung auch weitläufiger ländlicher Gebiete geschaffen. In der Folge entstanden viele Überlandzentralen. Nordschwaben und der württembergische Jagstkreis blieben aber noch zwei Jahrzehnte ein weißer Fleck auf der Landkarte der zentralen Stromversorgung.

    Im Ries und dem Bopfinger Raum entstanden von 1890 bis 1910 durch Privatinitiativen sieben Kleinelektrizitätswerke. Ihr begrenztes Leistungsvermögen war jedoch nur zur Versorgung kleiner Abnehmerkreise bzw. weniger Gemeinden ausgelegt. In ihnen wurde die Wasserkraft von Wörnitz und Eger genutzt, auf Generatoren übertragen und Gleichstrom erzeugt.

    Ab dem Jahr 1907 stand das Thema Strom auf den Tagesordnungen der Rieser Beigeordnetenversammlungen (Distriktsrat). Im Nördlinger Magistratsrat drängte Bürgermeister Balthasar von Reiger auf die städtische Elektrifizierung. Bezirksamtmann Gustav Butz ließ durch das Bezirksamt Nördlingen eine Abfrage zur Meinung bei den Landgemeinden durchführen. Sie ergab ein gemischtes Echo aus Zustimmung, Abwarten und Ablehnung.

    Initiative zum Aufbau der regionalen Überlandversorgung

    Zeitgleich ergriff der Regierungspräsident des benachbarten Jagstkreises, Albert von Häberlen, in Ellwangen die Initiative zum Aufbau einer regionalen Überlandversorgung. Ebenso fing die Elektrizitäts-AG-Schuckert und Co. Berlin-Spandau mit Zweigniederlassung Nürnberg an, im Ries Aufklärungsarbeit und Werbung zu betreiben. Sie beabsichtigte das Ries als Versorgungsgebiet zu gewinnen. Hainsfarth schloss als eine der ersten Gemeinden unter dem fortschrittlichen Einfluss ihrer jüdischen Mitbürger 1909 einen Zustimmungsvertrag mit dem Nürnberger Unternehmen. 1910 folgten Munningen, weitere Dörfer an der Wörnitz und die Marktgemeinde Wallerstein mit Umgebung.

    Der Sommer 1910 brachte einen Meinungsumschwung. Regierungspräsidenten Häberlen war es gelungen, die „Bergmann-Elektrizitäts-Unternehmens-AG Berlin (BEU)“ zum Aufbau einer flächendeckenden Stromversorgung zu gewinnen. Sie erklärte sich bereit, auf eigenes Risiko und ohne finanzielle Beteiligung der Bezirke und Gemeinden eine sichere Stromversorgung zu errichten. Die Stadt Nördlingen und zahlreiche Landgemeinden zeigten daran starkes Interesse. Zustimmende Gründe waren kostengünstigere Bedingungen und die Errichtung eines Unter- und Baubüros in Nördlingen. In Verhandlungen des Bezirksamtes 1910 bis 1912 wurden die bisherigen Lieferungsverträge im Ries mit der Schuckert-Gesellschaft Nürnberg wieder aufgehoben und auf die BEU umgeleitet.

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    Foto: W. Gebhard, Archiv Friedel, Archiv UJAG

    Im Januar 1911 legte die BEU durch Oberingenieur Fritz Mann ein zweistufiges Planungskonzept vor. Es beinhaltete die Versorgung von 170 württembergischen und 73 Rieser Gemeinden, der Stadt Nördlingen sowie Harburg, Ebermergen und Wörnitzstein aus dem Bezirksamt Donauwörth. Die Standortwahl der Überlandzentrale mit einem Kohle-Dampfkraftwerk fiel im November 1911 auf Ellwangen. 1912/13 lähmte eine Finanzkrise im Bergmann-Konzern das Bauprogramm, konnte aber mit der Übernahme durch die Rheinische Schuckert-Gesellschaft Mannheim, der späteren Rheinelektra, fortgesetzt werden. Diese gründete am 2. Oktober 1913 die selbständige Überland Werk-Jagstkreis AG (UJAG).

    Heftige Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten

    Mit dem neuen Unternehmen schloss die Gemeindeverwaltung Munningen infolge starken Bevölkerungsdrucks am 31.7.1915 endlich einen neuen und nun dritten Stromlieferungsvertrag. Vorausgegangen waren heftige Diskussionen und Meinungsunterschiede. Bürgermeister J. Bachmann und die Gemeinderatsmehrheit verzögerten seit 1912 den bereits 1910 beschlossenen Stromanschluss durch eine extreme Sparpolitik. Die Ursachen lagen im Rückgang der Betriebs- und Haushaltseinkommen wegen Viehseuchen, Missernten und einer zehnprozentigen Gemeindesteuererhöhung für eine überraschende Wörnitzbrückenreparatur. Zudem begleitete der landläufige Argwohn gegen unbekanntes Neue das Geschehen. Die Kriegsentwicklung setzte dem Vorhaben ein Ende. Das Fehlen der elektrischen Motorkraft und die Rationierung von Petroleum für Licht belastete in der Kriegszeit vor allem Frauen, Kinder und alte Mitbürger.

    Mit Hilfe des neugebildeten Wirtschaftsverbandes für die Elektrizitätsversorgung des Rieses und Umgebung konnte im September 1919 der Vorkriegsvertrag mit der UJAG erneuert werden. Jedoch mussten nun anstelle der bisher kostenfreien Gemeindeanschlüsse infolge der Geldinflation Überteuerungszuschläge bezahlt werden. Dieser betrug für Munningen anfangs 52000 Mark und steigerte sich 1921 auf 198000 Mark. Nur durch laufende Kreditaufnahmen konnte der Gemeindehaushalt in den Folgejahren aufrecht erhalten werden. Mitte Oktober 1919 begannen die Ortsnetzbauarbeiten. Im Garten und Holzschuppen Hausnummer. 95 wurde ein Materiallager mit Ortsbüro errichtet. Die Arbeiten liefen zügig, wurden von Heiligabend bis zum 8. Januar unterbrochen und trotz des Winters weitergeführt. Kopfzerbrechen bereitete noch die Standortfrage der Transformatoren-Station. Der natürliche Mittel- und Lastschwerpunkt am Ende der Hirtengasse (heute Ledergasse) zwischen Hausnummer 83/84 schied wegen Zugangsschwierigkeiten aus. Gegen die zweite Planung bei der Badgassen-Wette Hausnummer 87/88 opponierten die Vieh- und Gänsehalter des Mitteldorfes. Sie fühlten sich an ihrem Viehtränke- und Badeplatz behindert. Entgegen der elektrischen Leistungsgesetzmäßigkeit musste der Bau weit entfernt vom Lastmittelpunkt am Ende der Hexengasse (heute Furtstraße) bei Hausnummer 93 an der Wörnitz errichtet werden. Dadurch entstandene Spannungsverluste wirkten sich zu Erntezeiten bei motorischer Last negativ aus.

    Trafo-Station wurde im April 1920 fertiggestellt

    Die Trafo-Station wurde in Turm-Bauweise von der Munninger Baufirma J. B. Nagler bei Hausnummer 72 errichtet und im April 1920 fertiggestellt. Der Anschluss erfolgte mit einer Stichleitung von der 1911/12 gebauten 15 KV-Wörnitztrasse Wennenmühle – Oettingen. Ein Umspanner der Firma Siemens-Schuckert Berlin mit einem Leistungsvermögen von 150 KVA lieferte über drei Stromkreise, verteilt auf Ober-, Mittel- und Unterdorf, den Strom mit 110/220 Volt in die Anlagen. Kurzzeitig wurde im Juni der Ortsnetzbau unterbrochen und Ende Oktober abgeschlossen. Acht neu auftretende Elektrofirmen der Region installierten ab November 1919 die Abnehmeranlagen.

    Die Nutzung des elektrischen Lichtes stand anfangs im Vordergrund. Kurz vor Weihnachten 1920 brannten in fast zwei Drittel der Haushalte die Glühlampen. Nur zögerlich wurde vorerst motorische Kraft installiert. Als letzte Anlagen bekamen 1935 die katholische Pfarrkirche und 1937 das HJ-Heim elektrisches Licht. Die Wartung und Instandsetzung des Ortsnetzes wurde der UJAG-Bezirksstelle Wechingen unter Leitung des Bezirksmonteurs Karl Oheimer zugeordnet. 1921 wurde der Kleinlandwirt und Flaschenbierhändler Friedrich Bucher, Hausnummer 81, als Ortsbeauftragter bestellt. Ihm oblag die Stromablesung, Einziehung des Stromgeldes und Führung der Verkaufsstelle für Glühlampen und Sicherungen. Letzteres wurde später an die Gemischtwarenhandlung Müller, Nummer 51, übertragen.

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