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Landkreis Donau-Ries: 234er-Inzidenz: Woher kommt der sprunghafte Anstieg von Corona-Infizierten?

Landkreis Donau-Ries

234er-Inzidenz: Woher kommt der sprunghafte Anstieg von Corona-Infizierten?

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    Wegen eines Corona-Ausbruchs gilt im Pflegeheim in Hochaltingen Besuchsverbot.
    Wegen eines Corona-Ausbruchs gilt im Pflegeheim in Hochaltingen Besuchsverbot. Foto: Verena Mörzl

    Ist die hoch ansteckende Variante des Covid-19-Virus' bereits in der Region angekommen? Oder ist es nur die Häufung von Testungen nach Corona-Ausbrüchen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen? Auch Experten rätseln, warum der Corona-Inzidenzwert im Landkreis Donau-Ries ausgerechnet am vergangenen Wochenende und am Wochenanfang einen neuen Höchstwert erreicht hat. Wir machen uns auf Spurensuche.

    Fakt ist, dass der Inzidenzwert im Landkreis Donau-Ries laut Robert-Koch-Institut am Montag bei 234,0 lag – das ist der mit Abstand höchste Wert in den Städten und Landkreisen des Regierungsbezirks Schwaben und Rang 15 in Bayern. Gemäß der seit dem 11. Januar verschärften Corona-Regeln in Bayern tritt damit die 15-Kilometer-Beschränkung in Kraft, wonach sich die Bewohner des Landkreises über die bereits geltenden Regeln hinaus in der Freizeit höchstens 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen dürfen. Einkaufen, Familien- und Krankenbesuche, Gottesdienste und Arzttermine bleiben erlaubt.

    Seit vergangenem Donnerstag ist die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis laut RKI um 94 gestiegen. Wie kommt dieser hohe Wert zustande, und was bedeutet er für das Gesundheitswesen? Ein Anruf bei Professor Dr. Kuch, Chefarzt der Inneren Abteilung des Nördlinger Stiftungskrankenhauses. Seit vielen Monaten versorgen er und seine Mitarbeiter Menschen, die das Virus schwer getroffen hat. Das Team intubiert Patienten, die nicht mehr selbstständig atmen können, stellt sicher, dass sie vom wochenlangen Liegen keine wunden Stellen am Körper bekommen. Und es begleitet Patienten, für die jede Hilfe zu spät kommt. Ein Kraftakt, wie Kuch sagt. Der Mediziner führt die unlängst gestiegenen Infektionszahlen auf mehrere Ursachen zurück, sagt: „Zum einen haben sicherlich die Lockerungen der Maßnahmen um Weihnachten und Silvester die Lage verschärft.“ Er betont jedoch: „Letztlich ist es einfach ein hochansteckendes Virus.“

    Kuch schließt nicht aus, dass die unlängst erstmals in Bayern festgestellte neue und hochansteckende Variante des Coronavirus nun auch im Landkreis Donau-Ries angekommen sei. „Das ist jedoch schwer nachprüfbar.“ Nur wenige Speziallabore seien für eine dafür notwendige Sequenzierung ausgerüstet.

    Corona: Kreis Donau-Ries hat den höchsten Inzidenzwert in Schwaben

    Die Lage auf der Nördlinger Intensivstation bewertet der Professor als „auf hohem Niveau stabil“. Aktuell gebe es wenig Herzinfarkte, vier Covid-Patienten würden derzeit beatmet. „Das lässt uns etwas Spielraum an anderer Stelle.“

    Kuch blickt mit gemischten Gefühlen in die nahe Zukunft. „Wir sind kampferprobt und haben große Hoffnungen, dass sich der Lockdown positiv auswirkt.“ Was viele jedoch nicht ganz verstünden, sei, dass das Nördlinger Krankenhaus durch die große Infektionswelle beim Donauwörther Krankenhauspersonal umso mehr ausgelastet sei. Was passiert, wenn sich auch in Nördlingen Personal mit Covid-19 infiziert? „Dann muss man sich die Frage stellen, wer dann die Patienten versorgt“, sagt Kuch.

    Dass der Inzidenzwert derartig sprunghaft angestiegen ist, liegt laut Landratsamt eher weniger daran, dass nun nach Ferien und Feiertagen im Nachgang eine ganze Reihe an Befunden gesammelt übermittelt worden wäre. Es habe zwar an der einen oder anderen Stelle eine gewisse Häufung gegeben, dies habe es aber auch schon rund um Weihnachten gegeben. Derzeit werde in der Region schlichtweg auch viel getestet – „aufgrund laufender Ausbrüche in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“, wie das Landratsamt mitteilt. Deshalb gebe es überwiegend im Wochenrhythmus ausgedehnte Reihentestungen. Zudem sei ein deutlicher Reiserückverkehr zu beobachten, sodass auch hier eine erhöhte Testfrequenz zum Verlassen der Quarantäne oder zur Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit vorhanden sei. Des Weiteren seien durch die Einführung der teilweise verpflichtenden Schnelltestungen, etwa in den Kliniken oder Seniorenheimen, natürlich auch vermehrt Personen als positiv identifiziert worden, die keine oder nur geringe Symptome haben.

    Corona-Ausbrüche im BRK-Heim in Donauwörth und im Pflegeheim in Hochaltingen

    Dennoch kommt es auch in Heimen immer wieder zu Ausbrüchen. Seit Sonntag meldete das Robert-Koch-Institut 84 neue Fälle. Allein 60 gehen auf einen großen Ausbruch im BRK-Seniorenheim am Mangoldfelsen in Donauwörth zurück. Wie Landrat Rößle bestätigt, prüft das Landratsamt wie auch im Seniorenheim Schloss Hochaltingen, ob es einen Zusammenhang zwischen der kurz vorher stattgefundenen Reihenimpfung im Heim gibt. Denn im BRK-Heim war am 2. Januar der Impfstoff 95 Senioren verabreicht worden. Wenige Tage später wurde die Infektionswelle registriert. „Aktuell deutet nichts darauf hin, dass der Ausbruch durch die Impfaktion verschuldet ist“, betont Rößle. Vielmehr sei es wahrscheinlicher, dass ein Bewohner oder Mitarbeiter bereits infiziert gewesen sei.

    Im Altenheim in Hochaltingen gab es Anfang des Jahres einen größeren Corona-Ausbruch. Doch die Zahl der positiv Getesteten ist im ganzen Landkreis gestiegen, die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 234.
    Im Altenheim in Hochaltingen gab es Anfang des Jahres einen größeren Corona-Ausbruch. Doch die Zahl der positiv Getesteten ist im ganzen Landkreis gestiegen, die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 234. Foto: Verena Mörzl

    Denn, so der Landrat, nach wie vor resultieren viele Infektionen daraus, dass sich die Bürger nicht an die Kontaktbeschränkungen halten. „Es gibt Familienfeiern, Freunde treffen sich im großen Kreis“, so Rößle. Danach sei die Verwunderung groß, dass ganze Gruppen infiziert seien. Hinzu kämen weitere Fälle aus den bereits bekannten Ausbrüchen im Seniorenheim Schloss Hochaltingen sowie in der Einrichtung für Behinderte von St. Johannes in Schweins–point. „Wir hatten die 200-er-Marke schon mehrmals überschritten. Nur diesmal hat dies gravierendere Folgen.“ Ob die Radius-Regel bei den Bürgern zu mehr Disziplin in Sachen Kontaktvermeidung führt und damit zu einem Absenken der Inzidenzzahl? „Ich hoffe, dass es was bringt. Mir bleibt nur weiter eindringlich zu appellieren, so gut es geht zuhause zu bleiben und Distanz zu wahren“, so der Kreischef.

    Mediziner setzen große Hoffnungen auf Corona-Impfstoff

    Die Mediziner des Landkreises setzten derweil große Hoffnungen auf den Corona-Impfstoff. Auch, wenn dabei noch nicht alles rund läuft (wir berichteten). Wie das Landratsamt Donau-Ries am Montagnachmittag mitteilte, hat der Landkreis aktuell 1670 Impfdosen zur Verfügung gestellt bekommen. „Diese werden am morgigen Dienstag, 12. Januar, an den lokalen Impfzentren, beziehungsweise durch die mobilen Impfteams vollständig verimpft sein“, heißt es. Mit neuen Impfstofflieferungen sei am 15. Januar zu rechnen.

    Sebastian Völkl ist Hausarzt und zuständiger Koordinator für die mobilen Impfteams im Landkreis. Er bemängelt: „Gesundheitsminister Spahn hat erst darauf gedrängt, die Impfzentren noch vor Weihnachten aufzubauen. Das haben wir geschafft. Und dann wurde uns der Impfstoffhahn zugedreht.“ Aktuell würde jede Impfstofflieferung „sehr kurzfristig“ angekündigt. „Es fehlt an Planbarkeit beim bundesweiten Verteilungssystem“, sagt Völkl.

    Für den Mediziner gibt es noch ein weiteres Problem: „Wir Hausärzte und unsere Mitarbeiter impfen, stehen an vorderster Front, aber kriegen bislang selbst keine Impfung.“ Die Priorisierung sei an dieser Stelle fehlerhaft. „Das ist für uns ein Schlag ins Gesicht.“ Am Nördlinger Stiftungskrankenhaus sind indes schon Teile des Pflegepersonals geimpft worden, wie Professor Kuch sagt. In einem Motivationsschreiben an die Mitarbeiter der Klinik plädiert er für eine möglichst hohe Impfquote des Personals.

    Wie die Polizei die 15-Kilometer-Regel kontrolliert

    Nördlingens Polizeichef Walter Beck ist sich darüber im Klaren, dass sich die Überprüfung der 15-Kilometer-Regelung schwierig gestalten werde. „Wir werden uns jeden Einzelfall anschauen und ihn dann bewerten.“ Die Diskussion darüber sei eine sehr theoretische, für die die Polizei keinen gezielten Plan entwickeln könne. Beck: „Es kann sich eigentlich nur im Zuge einer Routinekontrolle ergeben, dass wir einen Bürger oder eine Bürgerin weiter entfernt von seinem Wohnort antreffen. Dann werden wir natürlich nachfragen.“ Wenn es zu einer Anzeige komme, werde der Fall wie bei allen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz an das Landratsamt Donau-Ries weitergeleitet, das vor der Verhängung eines Bußgeldes (nach derzeitigen Regelungen 500 Euro) die Betroffene oder den Betroffenen noch einmal anhöre.

    Wie immer schütze auch bei der 15-Kilometer-Regelung Unwissenheit nicht vor Strafe. Der Bürger sei in der Pflicht, sich über irgendein Medium kundig zu machen, betont der Ordnungshüter. Wenn allerdings im Einzelfall ein Kontrollierter glaubhaft machen könne, dass er die entsprechenden Verfügungen nicht kenne, seien Ausnahmen denkbar. Beck: „Die Politik gibt uns mit auf den Weg, zwar konsequent, aber mit Fingerspitzengefühl zu handeln. Ich denke, dass uns das zu 80 bis 90 Prozent auch gelingt.“

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