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Kirchheim am Ries: Biberberaterin Gisela Müller: Dem Biber eine Stimme geben

Kirchheim am Ries

Biberberaterin Gisela Müller: Dem Biber eine Stimme geben

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    Der Biber hat zu unrecht einen schlechten Ruf, meint die ehrenamtliche Biberberaterin Gisela Müller.
    Der Biber hat zu unrecht einen schlechten Ruf, meint die ehrenamtliche Biberberaterin Gisela Müller. Foto: Mark Masuch

    Der Biber hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Das findet zumindest Gisela Müller. Die ehrenamtliche Biberberaterin sieht das Problem größtenteils beim Menschen, der durch Eingriffe in Natur und Landschaft den Tieren ihren Lebensraum genommen habe. Deshalb hat es sich die Hülenerin zur Aufgabe gemacht, die positiven Aspekte der unbeliebten Tiere hinsichtlich Ökosystem und Artenvielfalt hervorzuheben.

    Laut Landratsamt leben etwa 100 bis 120 Biberfamilien im Ostalbkreis. Auch der Käse- und der Klosterweiher in Kirchheim sind seit einigen Jahren bewohnt. Das passt nicht jedem hier. Neben Schäden an Bäumen und Gehölz wird befürchtet, das geschützte Tier könnte durch seine „Baumaßnahmen“ die Klostermauer zum Einsturz bringen. Einen Antrag auf Umsiedlung lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart im vergangenen Frühjahr ab (wir berichteten). Laut Behörde sei es zumutbar, dass Kirchheim weitere Sicherungsmaßnahmen ergreife.

    Biber halten sich nicht an Landesgrenzen

    Dass es in vielen Gemeinden Probleme mit den Tieren gebe, sei nicht die Schuld der Biber, sondern des Menschen – und das bereits seit dem Mittelalter, sagt Gisela Müller. Schon damals habe man begonnen, Flüsse zu begradigen.

    In den 1960er-Jahren habe man in Bayern begonnen, den Biber wieder anzusiedeln, weiß Gisela Müller. Da sich Tiere nicht an Landesgrenzen halten, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Nager auch nach Baden-Württemberg kamen. So sei es zu erklären, warum gerade auf der Ostalb so viele Biber leben würden, so Müller weiter. Dabei habe man es hier hauptsächlich mit dem europäischen und nicht mit dem kanadischen Biber zu tun. Die Tiere unterschieden sich hinsichtlich ihrer Genetik und würden sich daher auch nicht kreuzen, sagt die 59-Jährige.

    Der Biber als "Baumeister"

    Als der Biber Baden-Württemberg als Heimat wiederentdeckte, fand er laut Gisela Müller eine völlig veränderte Landschaft vor. Problematisch seien nicht nur die begradigten Flüsse, sondern auch die fehlenden Gewässerrandstreifen, sagt sie. Frühere Auengebiete seien zu landwirtschaftlich genutzten Flächen geworden. Für die Ehrenamtliche ist die Lösung der meisten Biberprobleme einfach: Man müsse den Tieren genug Platz zum Leben lassen – und dieser sei nicht einmal besonders groß. Der Biber habe einen Aktionsradius von etwa 20 Metern, erklärt sie. Hielte man diesen ein, könnten Biber und Mensch bestens koexistieren.

    Dass, was heutzutage als Renaturierung bezeichnet wird, ist für Gisela Müller meist eher eine „Verschönerungsmaßnahme“. Sie fordert langfristige und nachhaltige Lösungen. Natur müsse wieder Natur werden dürfen, und dazwischen müsse es naturverträgliche Landwirtschaft geben, findet die Hülenerin. Um Biotope erneut entstehen zu lassen, da ist für Gisela Müller der ungeliebte Biber als „Baumeister“ sogar der erste Ansprechpartner. „Dort, wo der Biber lebt, entsteht eine unglaubliche Artenvielfalt.“ Als Beispiele nennt sie Insekten, aber auch den Eisvogel, der sich gern in Bibergebieten aufhält. Das Totholz eines Bibers beheimate 100-mal mehr Kleinstlebewesen als normal. Der Biber sorge dafür, dass ein System intakt bleibe, erklärt Müller. In Zeiten des Artenschwunds müsse man eigentlich froh darüber sein. „Und das beste ist, dass der Biber das alles kostenlos macht“, so die 59-Jährige. Sorgen wegen einer Überpopulation muss man sich nach Meinung der Ehrenamtlichen auch nicht machen. Ein Biber bekomme etwa drei Junge pro Jahr, von denen aber nicht alle überleben würden. Ein junger Biber würde das Nest verlassen, wenn neuer Nachwuchs bevorstehe, und sich ein eigenes Zuhause suchen. Ließe er sich im Gebiet eines anderen Bibers nieder, könne es dazu kommen, dass dieser den Eindringling tot beiße, erläutert Müller.

    Manche Biber kommen bei Verkehrsunfällen ums Leben

    Manche Biber kämen zudem bei Verkehrsunfällen ums Leben. Ein ausgewachsener Biber wiegt laut Müller etwa 20 bis 30 Kilogramm. „Das ist die Masse eines Rehs“, so die Ehrenamtliche. Deshalb rät sie Autofahrern, in der Nähe von Bibergebieten vorsichtig zu fahren.

    Dass es wie in Bayern auch in Baden-Württemberg irgendwann Sondergenehmigungen zum Abschuss bestimmter Tiere geben kann, hofft Müller nicht. An Orten, an denen er störe, zum Beispiel bei Kläranlagen, müsse er von hauptamtlichen Biberberatern des Landratsamts eingefangen werden. „Abschießen ist keine Lösung, aber auch bei uns schreien die Leute nach der Waffe“, sagt Müller und weist darauf hin, dass auf das Stören, Einfangen oder gar Töten eines Bibers „empfindliche Strafen“ stünden. Auch die Dämme dürfe man nicht zerstören.

    Wie man seine Bäume vor Bibern schützt

    In vielen Bibergebieten sind die Bäume mit Drahtmatten geschützt worden, damit der Biber, übrigens nach dem südamerikanischen Wasserschwein das größte Nagetier der Erde, sie nicht annagen kann. Doch diese bieten nicht immer 100-prozentigen Schutz. Müllers Tipp: Die Drahtmatten mit Eisenstangen fixieren. Eisenpfähle würden anders als Holzpfähle nicht verrotten. In Kirchheim sei dies an manchen Bäumen gemacht worden. Das Nagen an Bäumen ist laut Müller allerdings auch wichtig für den Biber: „So hält er seine Zähne kurz. Die würden ihm sonst irgendwann aus dem Maul heraus wachsen.“

    Gisela Müller hat ihre Ausbildung zur Gewässerführerin vor rund zwei Jahren absolviert. Der Biber ist ein Thema von vielen, das im Unterricht behandelt wird. Wenig später wurde Müller gefragt, ob sie nicht als ehrenamtliche Biberberaterin tätig sein möchte. Sie fand das Thema faszinierend und sagte zu.

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