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Jubiläum: Das Leitbild hat sich gewandelt

Jubiläum

Das Leitbild hat sich gewandelt

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    . Foto: Szilvia Izsó

    Die 1960-er Jahre waren beschämend für die Gesellschaft: Eltern verbargen Kinder mit Behinderung, die Öffentlichkeit mied sie, es galt noch das Reichsschulgesetz von 1938, das sie als nicht unterrichtbar abstempelte. Eine Handvoll beherzter Eltern ging dagegen an und gründete 1968 als Selbsthilfe-Initiative die Lebenshilfe Donau-Ries.

    Beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen zeigte schon die Begrüßung durch den Lebenshilfe-Vorsitzenden Paul Kling, wie sich die Zeiten verändert haben und wie gut die Lebenshilfe auf allen Ebenen vernetzt ist: intern in der Landes- und Bundesvereinigung, politisch mit der Sitz-Gemeinde Möttingen, Kreis, Bezirk, mit dem Stadtleben in Nördlingen und künftig mit weiteren Einrichtungen in Oettingen und Wemding. Kling rekapitulierte die Verhältnisse zur Gründungszeit und skizzierte unsere Zeit als die, in der die Lebenshilfe-Mitglieder selbstverständlich als unsere Mitbürger angenommen werden. Ein Film anstelle einer Festschrift zeigte in bunten Impressionen Szenen von Stadtlauf, Schwimmbad, Theater, Wohngruppen-Alltag, Freizeit-Vergnügen auf Quads, Arbeit in den Werkstätten, Spaß beim Kickern, Samocca, CAP-Markt. Alle Sequenzen verband eines: Nie war jemand allein zu sehen, sondern immer als Teil der Gemeinschaft. Zu Zirkus-Fanfare und unter tosendem Applaus packten dann jeweils zwei junge Lebenshilfe-Clowns riesige Namensschilder der Redner aus, den Anfang machte Hildegard Metzger, stellvertretende Vorsitzende der Lebenshilfe Bayern. Sie rekapitulierte in ihrer Festrede das gesellschaftliche Umfeld: Saß den Eltern der ersten Stunde noch das Grauen der Nazi-Zeit im Nacken, garantierte das Grundgesetz schon die Gleichheit aller Bürger. Ein weiterer Meilenstein war die UN-Behindertenkonvention, ebenso das Bundes-Teilhabegesetz von heuer. Das anfängliche Leitbild von Schutz und Fürsorge wandelte sich zu Selbstbestimmtheit und Inklusion, doch der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe durchzog die Entwicklung bis zur heutigen Professionalität.

    Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert unterstrich das subsidiäre Vorgehen seiner Behörde, also die staatliche Unterstützung der Lebenshilfe-Einrichtungen, die vor Ort in exzellenter Weise vorhanden seien. Er schlug den Bogen vom Dritten Reich, wo sich eine „niederträchtige und brutale Gesellschaft anmaßte, zu bestimmen, was lebenswert ist und was nicht“, zu ähnlichen Themen, die in der Gegenwart von bestimmten Menschen angesprochen würden. Unter anderem der Bezirk verfasste Leitlinien zur Inklusion, doch laut Reichert dauere es zwei Generationen, bis solch ein Bewusstsein fest verankert sei.

    Die stellvertretende Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Monika Haslberger unterstrich, dass acht von 13 Mitgliedern des Bundesvorstandes, einschließlich sie selbst, Eltern behinderter Kinder seien, die Lebenshilfe also immer noch auf allen Ebenen ein Familien- und Selbsthilfeverband sei. Die Bundesvereinigung mit 16 Landesverbänden und über 500 örtlichen Vereinigungen werde heuer 60 Jahre alt. Als Beispiel für die gute Verknüpfung nannte sie den Parlamentarier-Abend, wo heuer 100 Bundestagsabgeordnete, zwölf Minister und zehn Staatssekretäre der Einladung des Bundesvorstandes gefolgt waren. Landrat Stefan Rößle forderte, über die sich gut entwickelnde Inklusion hinauszugehen und zu den Mitgliedern der Lebenshilfe aufzublicken, von denen die ganze Gesellschaft noch lernen könne – zum Beispiel die unbeschwerte Lebensfreude, die anderen beim ganzen Besitzstreben großteils abhanden kam. Fünf Mitglieder der ersten Stunde wurden für ihre 50-jährige Mitgliedschaft geehrt: Elisabeth Lang, Rosemarie Stelzle, Gertrud Lippacher, Christine Kessler und Helmut Breuer. Günter Schwendner, Vorsitzender der Lebenshilfe Donau-Ries, sprach umfassende Dankesworte aus, nicht zuletzt im Namen der 1300 Klienten und Betreuten sowie der 630 Mitarbeiter der Lebenshilfe. Das bunte Rahmenprogramm bestritten die Akkordeongruppe der Rieser Musikschule sowie die Schulband der Hermann-Keßler-Schule. Auf dem anschließenden großen Marktplatz-Fest spielten die Inklusionsband der Lebenshilfe „Tintenfisch“, die Hol’z Blech Fünferl, die Coverband Felix and Friends sowie die Oktoberfestband Münchner Zwietracht.

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