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Interview: Herbert Schein über den Wachstumskurs von Varta in der Krise

Interview

Herbert Schein über den Wachstumskurs von Varta in der Krise

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    Varta-Vorstandsvorsitzender Herbert Schein vor der Großbaustelle seines Unternehmens in Nördlingen.
    Varta-Vorstandsvorsitzender Herbert Schein vor der Großbaustelle seines Unternehmens in Nördlingen. Foto: Varta AG

    Herr Schein, die Varta AG verzeichnet mitten in der Corona-Krise steigende Umsätze und Gewinne. Hatten Sie das zu Beginn der Krise erwartet?

    Herbert Schein: Wir ahnten im Januar, was uns erwarten könnte, weil wir viele Kunden in China haben. Deshalb waren wir gut vorbereitet und haben dann unmittelbar reagiert. Unsere Produktion lief während der vergangenen Monate uneingeschränkt weiter. Zudem haben wir in den letzten Monaten unsere Innovationsprojekte und den massiven Ausbau unserer Produktionskapazitäten auch in Nördlingen uneingeschränkt fortgesetzt. Auch bei den neuen Gebäuden in Ellwangen und in Nördlingen sind wir voll im Zeitplan. Wir verzeichnen nach wie vor eine hohe Nachfrage nach unseren Batterien.

    Anfang des Jahres hatte Varta Mühe, der großen Nachfrage nachzukommen. Wie ist die Situation jetzt?

    Schein: Unsere Produktionen in Nördlingen, Dischingen und Ellwangen sind voll ausgelastet. Jede produzierte Lithium-Ionen-Zelle geht auf dem schnellsten Weg zum Kunden. Die Nachfrage nach unseren Produkten steigt weiter, deshalb erweitern wir unsere Produktionskapazitäten. Auf dem angrenzenden Grundstück in Nördlingen bauen wir derzeit ein hochmodernes Produktionsgebäude namens N3, in dem auf zwei Stockwerken gefertigt wird. Das mittlere Geschoss zwischen den zwei Produktionsebenen ist gefüllt mit Technik. Dort soll die Produktion im Frühjahr 2021 anlaufen und im Laufe des Jahres ihre volle Auslastung erreichen. Zudem haben wir in Nördlingen eine Halle gegenüber unserem bestehenden Standort sowie das ehemalige Gebäude der Firma Güdel angemietet und bauen dort ebenfalls neue Kapazitäten auf. Die Varta wächst weiter.

    Wie viele Arbeitsplätze schaffen Sie dadurch – und wie finden Sie so viel Personal in einer Region, in der nach wie vor fast Vollbeschäftigung herrscht?

    Schein: In Nördlingen schaffen wir bis Ende diesen Jahres 400 neue Arbeitsplätze. Bislang sind es bereits mehr als 800. Die Personalsuche gelingt uns sehr gut, insbesondere weil unsere Mitarbeiter ihre Erfahrungen mit Bekannten teilen und uns als Arbeitgeber weiterempfehlen. Die Berufsbilder sind sehr unterschiedlich. Das geht vom Maschinenfahrer bis hin zu Wissenschaftlern. Als Unternehmen, das mit den großen Unternehmen im Silicon Valley arbeitet, sind wir auch für Hochqualifizierte attraktiv.

    Mit mehr als 1000 Mitarbeitern werden Sie der weitaus größte Arbeitgeber im Ries sein. Ihr derzeitiges Wachstum ist stark vom Boom kabelloser Kopfhörer getrieben. Wie sicher ist der Erfolg Ihres Unternehmens langfristig – und mit ihm die vielen Arbeitsplätze?

    Schein: Derzeit werden rund zehnmal mehr Smartphones als Headsets verkauft. Sobald die Hersteller aus Platzgründen auf externe Anschlüsse an ihren Geräten verzichten, erlebt dieser Markt wohl ein noch größeres Wachstum als jetzt – weil Kopfhörer dann ohne Kabel auskommen müssen. Headsets sind für die Smartphonehersteller mittlerweile ein strategisches Produkt mit viel Potenzial. In den schnurlosen Headsets werden künftig mehr und mehr Funktionen integriert. Neben der Geräuschunterdrückung werden in Zukunft auch medizinische Daten wie der Puls erfasst oder sogar Gehirnströme könnten gemessen werden.

    Ein Börsenanalyst fand heraus, dass Apple Ihre Batterien in seinen Airpods verbaut. Auch Samsung soll auf Varta-Produkte setzen. Wie sehr hängen Sie von einzelnen Großkunden ab?

    Schein: Wir sind gegenüber unseren Kunden zur Verschwiegenheit verpflichtet. Heute beliefern wir die namhaften Premiumhersteller von kabellosen Headsets. Deshalb beeinträchtigt es uns nicht, wenn sich Marktanteile verschieben. Klar ist aber, dass wir uns als Technologieführer immer wieder beweisen müssen – durch Innovationen. Und zwar kontinuierlich. Unsere Kunden möchten noch kleinere Geräte bauen. Dazu benötigen sie noch kleinere Batterien mit größerer Energiedichte – und das bieten wir. Dieses Jahr erhöhen wir die Energiedichte um 30 Prozent, insgesamt in den nächsten Jahren um 50 Prozent. Darüber hinaus ist unser Unternehmen sehr breit aufgestellt: Neben den Lithium-Ionen-Batterien, Mikrobatterien und Haushaltsbatterien, wie sie jeder aus den Geschäften kennt, bieten wir zum Beispiel auch Energiespeicher, um den Photovoltaikstrom zwischenzuspeichern, und Batteriepacks, die zum Beispiel mobile Staubsauger mit Strom versorgen.

    Welche Chancen sehen Sie im sogenannten Internet of things, also der zunehmenden Vernetzung von Geräten?

    Schein: Das ist eine unserer Visionen. Vor elf Jahren habe ich die Gesamtverantwortung für den Varta-Konzern übernommen und ich musste eine Richtung einschlagen. Wir haben uns auf kleine Batterien für vernetzte Geräte spezialisiert. Das Smartphone hat Kameras, Wecker, Taschenrechner oder Diktiergeräte in Schubladen verschwinden lassen. Dafür gibt es heute neue Geräte wie smarte Uhren, Headsets oder medizinische Geräte am Körper. Diese Entwicklung setzt sich fort.

    Im Frühjahr ging Varta gegen Plagiate vor. Mit Erfolg?

    Schein: Ende letzten Jahres haben wir festgestellt, dass chinesische Hersteller unsere Patente verletzt haben. Im ersten Schritt sind wir in Europa und insbesondere in den USA gegen deren Kunden strikt vorgegangen. Unter den Herstellern waren auch Premiumanbieter – mit denen wir uns auf der kommerziellen Ebene einigen wollen und hier gerade entsprechende Verträge neu aushandeln. Wir werden die Patentverletzungen nicht akzeptieren. Wir haben über Jahre an unseren Technologien gearbeitet. Die DNA der Varta ist unsere Expertise im Bereich der Elektrochemie und gleichzeitig das Know-how, diese Technologien in die Massenproduktion zu bringen. Diese Wertschöpfungstiefe ist die Basis unseres Erfolgs und der Grund dafür, dass wir die Forschung, Entwicklung und Produktion dieser Hightech-Zellen komplett in Deutschland vornehmen.

    Hat der hiesige Standort damit zu tun, dass Sie Rieser sind?

    Schein: Nördlingen ist ein junger Varta-Standort. Ich habe ihn für unsere Energiespeicher für Haushalte gegründet. Seit eineinhalb Jahren werden in Nördlingen auch Lithium-Ionen-Zellen produziert. Die Produktion wird durch einen zweiten Standort für unsere Kunden noch besser abgesichert. Wir sind ein internationaler Konzern mit weltweiten Produktionsstätten und in 72 Ländern tätig. Und in der Tat: Ich bin im Ries geboren und lebe hier.

    Das Grundstück des Recyclinghofs gehört der Varta, sobald der Abfallwirtschaftsbetrieb umzieht. Was planen Sie dort?

    Schein: Diese Fläche nutzen wir für das Wachstum von morgen.

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