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Interview: Donau-Rieser Landrat Stefan Rößle räumt ein: „Ja, ich wurde geimpft“

Interview

Donau-Rieser Landrat Stefan Rößle räumt ein: „Ja, ich wurde geimpft“

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    Landrat Stefan Rößle bezieht im Interview Stellung zum Nördlinger Impfzentrum und seiner eigenen Impfung.
    Landrat Stefan Rößle bezieht im Interview Stellung zum Nördlinger Impfzentrum und seiner eigenen Impfung. Foto: A. Färber

    Herr Rößle, Nördlinger Bürger melden sich immer noch bei uns, dass sie an das Donauwörther Impfzentrum verwiesen werden. Bis wann soll das behoben werden?

    Stefan Rößle: Das ist wirklich ärgerlich, es ist immer noch nicht nachvollziehbar, wie das passieren konnte, dass in diesem bayernweiten System BayIMCO Nördlingen nicht als eigenes Impfzentrum geführt wird. Wir haben das weitergegeben. Ich bin persönlich mit dem Gesundheitsminister Klaus Holetschek in Kontakt. Es wird umgestellt. Es ist aber aufwendiger als gedacht und es geht erst Anfang März.

    Anfang März wird es behoben sein oder ist es dann in Arbeit?

    Rößle: Anfang März behoben, wer sich dann registriert, wird automatisch dem richtigen Impfzentrum zugeordnet. Bis dahin werden alle noch dem Donauwörther Impfzentrum zugeordnet. Die aktuelle Information ist, dass es wohl auch nachträglich möglich wäre, dass die Leute automatisch umgestellt werden. Ich hoffe, dass das funktioniert, sonst muss man das bei mehreren tausend Leuten händisch machen.

    Warum ist das Nördlinger Impfzentrum noch immer nicht als eigenständig registriert?

    Was ist denn da genau schiefgelaufen, dass Nördlingen nicht als eigenständiges Impfzentrum registriert ist?

    Rößle: Wir wissen es nicht. Wir haben von Anfang an zwei Impfzentren gemeldet, Donauwörth und Nördlingen.

    Ein Ministeriumssprecher hat zu uns aber mehrfach ausdrücklich gesagt, dass Nördlingen nicht als eigenständiges Impfzentrum gemeldet wurde.

    Rößle: Dann weise ich das jetzt zurück. Dann rede ich gerne auch noch einmal mit dem Gesundheitsminister selber. Wir haben definitiv zwei Impfzentren gemeldet.

    Wir haben da ja schon vor einigen Wochen darüber berichtet, warum kommt das alles nur so zögerlich in...

    Rößle: Es ist nicht zögerlich. Ich renne dem seit Wochen hinterher, ich habe persönlich mit dem Gesundheitsminister Kontakt, der gesagt hat, wir arbeiten da dran und schauen, dass wir das hinbekommen. Da sind wir nicht zögerlich. Als wir das mitbekommen haben, dass Nördlingen kein eigenes Impfzentrum ist, haben wir alles unternommen, um das hinzubekommen und eine Erklärung zu finden, wie das hat passieren können. Am 22. Dezember haben wir dem Ministerium mitgeteilt, dass das falsch ist.

    In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

    Die Reihenfolge der Impfungen ist in einer Verordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt.

    Zunächst sollen Menschen an die Reihe kommen, die unter "höchste Priorität" eingestuft sind. Dazu gehören Bürgerinnen und Bürger, die älter als 80 Jahre sind, ...

    ...genauso wie Menschen, die in Pflegeheimen betreut werden oder dort arbeiten.

    Auch Pflegekräfte in ambulanten Diensten und Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen mit erhöhtem Expositionsrisiko gehören dazu. Darunter fallen: Mitarbeiter in Corona-Impfzentren, Notaufnahmen oder Intensivstationen.

    "Höchste Priorität" haben außerdem Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen, die Risikogruppen behandeln. Darunter ist zum Beispiel die Transplantationsmedizin gelistet.

    Als nächstes sollen Menschen geimpft werden, die unter "hohe Priorität" kategorisiert sind. In erster Linie sind das jene, die über 70 Jahre alt sind.

    Auch wer bestimmte Erkrankungen oder Behinderungen aufweist, fällt in diese Kategorie. Dazu gehören Trisomie 21 und Demenz. Auch wer eine Organtransplantation hatte, wird mit hoher Priorität geimpft.

    Es genügt außerdem, Kontaktperson von Menschen in Risikogruppen zu sein, um mit hoher Priorität geimpft zu werden werden. Dazu gehören enge Kontaktpersonen von Menschen über 80, von Schwangeren oder Bewohnern von Pflegeheimen. Auch Personen, die in Einrichtungen für Senioren oder für Menschen mit geistiger Behinderung leben, sollen mit hoher Priorität geimpft werden. Außerdem fallen Pflegerinnen und Pfleger, die Menschen mit Behinderung stationär oder ambulant betreuen, in diese Kategorie.

    Auch bestimmte Berufsgruppen sollen schnell an die Reihe kommen. Vor allem solche, die in der Öffentlichkeit aktiv sind und viel Kontakt zu Bürgern haben. Dazu gehören Polizisten und Ordnungskräfte, die auf Demonstrationen unterwegs sind, sowie Mitarbeiter in Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften oder Krankenhäusern.

    Als dritte Kategorie definiert das Gesundheitsministerium Menschen mit "erhöhter Priorität". Dazu gehört die Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren.

    Außerdem sollen dann Menschen geimpft werden, die zwar in medizinischen Berufen arbeiten, aber einem niedrigerem Expositionsrisko ausgesetzt sind. Dazu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Laboren.

    Erhöhte Priorität haben auch Menschen mit folgenden Krankheiten: Adipositas, chronische Nierenerkrankung, chronische Lebererkrankung, Immundefizienz oder HIV-Infektion, Diabetes mellitus, diversen Herzerkrankungen, Schlaganfall, Krebs, COPD oder Asthma, Autoimmunerkrankungen und Rheuma.

    Auch bestimmte Berufsgruppen fallen in diese Kategorie. Darunter Lehrer und Erzieher, Polizisten, Regierungsmitarbeiter, Verwaltungsangestellte, Feuerwehrmänner und -frauen, Katastrophenschutz, THW oder Justiz.

    Erhöhte Priorität haben außerdem Menschen, die in kritischer Infrastruktur arbeiten. Dazu gehören Apotheken und Pharmawirtschaft, öffentliche Versorgung und Entsorgung, Ernährungswirtschaft, Transportwesen, Informationstechnik und Telekommunikation.

    Auch Personen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen werden mit erhöhter Priorität geimpft.

    Wer nicht in eine dieser drei Kategorien fällt, wird ohne Priorität geimpft. Also erst dann, wenn Menschen aus diesen Kategorien an der Reihe waren.

    Herr Rößle, sind Sie eigentlich schon geimpft?

    Rößle: Wir müssen alle aufpassen, dass die Reihenfolge eingehalten wird. Ja, aber auch da ändert sich die Situation. Da sieht man heute einige Dinge anders als früher.

    Das heißt was?

    Rößle: Ja, ich wurde geimpft. Das war am 4. Januar. Aus heutiger Sicht sehe ich das vielleicht etwas anders, auf jeden Fall kritisch. Es war aber damals der 4. Januar, ich hatte Urlaub, war daheim und bin von Professor Wild angerufen worden, der die Impfungen am Donauwörther Krankenhaus vorgenommen hat. Er hat gesagt, sie führen die Impfungen durch und der Impfstoff muss an diesem Tag verimpft werden, weil er sonst verfällt. Wir haben gesprochen, er meinte, sie haben alle durchgefragt, sie wollen die Frau Marb impfen, weil sie gerade Landrätin ist und mich, weil ich ja bald wieder im Amt sei. Sonst würden Sie es wegwerfen. Wir haben noch diskutiert, weil der Impfstoff am Tag darauf verfallen wäre. Er hat gesagt, er hat alle gefragt, er hat niemand. Ich gebe zu bedenken, dass wir damals eine andere Situation hatten. Es war nicht absehbar, dass wir einen Impfstoffmangel haben, sondern wir mussten schauen, dass sich die Leute impfen lassen.

    Landrat Stefan Rößle über Corona-Impfung: "Ich stand vor einer Spontanentscheidung"

    Wäre es nicht möglich gewesen, jemanden aus Risikogruppen zu impfen?

    Rößle: Im Nachhinein kann man vielleicht das eine oder andere anders sehen, ich stand vor einer Spontanentscheidung. Wegschmeißen wollten wir es nicht. Damals ist das neu angelaufen und es wollten sich auch viele nicht impfen lassen. Und dann gibt es ja die Priorisierungslisten. Da steht auch, dass die Mitarbeiter der Führungsgruppe Katastrophenschutz geimpft werden.

    Zu der Sie auch gehören.

    Rößle: Das ist ja eine Einheit des Landratsamtes. Da bin ich regelmäßig bei Besprechungen dabei. Da gehöre ich auch zu den Priorisierungsgruppen. Aber jetzt im Nachhinein ist es so, dass es die Priorisierung eins, zwei und drei gibt. Und, ja, Katastrophenschutz gehört eben zu den nachrangigen Priorisierungen. Aber ich habe auch damals zu meinen Mitarbeitern gesagt, das Blödeste, was wir machen können, ist Impfstoff verfallen zu lassen.

    Aber hätte es nicht damals Möglichkeiten gegeben, an Leute, die im Krankenhaus arbeiten, Polizisten etc. den Impfstoff zu verteilen.

    Rößle: Altenheime waren ja ohnehin Priorisierung eins. Und der Professor hatte ein Kontingent für das Krankenhaus bekommen. Das war am 4. Januar abends nach Feierabend; das hätte er auch nicht mehr in ein Impfzentrum bekommen.

    Also man hätte keine Polizisten oder ähnliche Gruppen impfen können?

    Rößle: Das hat mich eigentlich auch gewundert, darum hatte ich da keine Bedenken. Es wurden auch Feuerwehrleute geimpft. Das war damals auch so vorgesehen. Da gab es ein Schreiben vom Innenministerium, bevor Impfstoff verfällt, dann Feuerwehrleute und Polizisten verständigen. Hätte ich damals Zweifel gehabt, dass es nicht zulässig ist, hätte ich es definitiv nicht gemacht. Ich habe mich nicht vorgedrängt, aber es war so, dass ich den Anruf bekommen habe und vor der Wahl stand: Lasse ich mich impfen oder der Impfstoff wird weggeschmissen.

    Es hätte keine andere Möglichkeit gegeben, jemanden, der es nötig hatte, zu impfen?

    Rößle: So ist es mir dargestellt worden.

    Landrat sagt zu seiner Corona-Impfung: "Ich hatte nur die Wahl: wegschmeißen oder impfen"

    Am Krankenhaus wurden damals alle geimpft, bei denen es möglich war?

    Rößle: Am Krankenhaus hatte er niemanden mehr zum Impfen, das habe ich noch gefragt. Und er hatte kurzfristig 100 Impfdosen mehr bekommen, als er bestellt hatte. Ich habe auch im Krankenhaus eine Sekretärin gefragt, aber die Zurückhaltung war damals noch groß.

    Es hört sich so an, als ob Sie das heute anders beurteilen.

    Rößle: Ja. Weil ich jetzt weiß, wie sensibel das gesehen wird. Ich möchte nicht besser behandelt werden als jemand anders, ich möchte niemand anderem die Impfung wegnehmen. So ein Eindruck soll und darf nicht entstehen. So würde man heute noch mehr drängen, ob man noch jemand anderen findet.

    Würden Sie sagen, dass das ein Fehler war?

    Rößle: Na, hm. Fehler... Im Nachhinein weiß man immer vieles mehr. Ich hatte damals nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Die Situation war ganz neu, großer Druck. Heute nach den ganzen Debatten und Diskussionen würde man vielleicht zu einem anderen Ergebnis kommen.

    Würde man vielleicht?

    Rößle: Wenn mich der Professor heute anruft, würde ich sagen, das kann ich jetzt nicht tun, schmeißen Sie es nicht weg, aber tun Sie alles, um jemand anderen zu finden. Das würde ich heute sagen. Und vielleicht würde ich sagen, rufen Sie fünf Polizisten an, bis sie einen haben. Das würde ich heute so machen, aber das kann ich leider nicht mehr ändern. Es tut mir auch leid, aber ... wir haben uns damals so entschieden und waren der Meinung, dass ich da niemandem etwas wegnehme. Das war definitiv nicht meine Absicht.

    Dass der Eindruck entstehen könnte, ist ihnen aber...

    Rößle: Ich hatte nur die Wahl: wegschmeißen oder impfen. Ich hatte nur diese Wahl.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Jan-Luc Treumann: Landrat Rößle verspielt Vertrauen

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