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Herkheim/Reimlingen: Erst belächelt, jetzt ein Vorzeigeprojekt: Galloway-Rinder im Ries

Herkheim/Reimlingen

Erst belächelt, jetzt ein Vorzeigeprojekt: Galloway-Rinder im Ries

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    Stefan (rechts) und Ulrich Eisenbarth erhalten für ihre naturschutzorientierte Flächenbeweidung nicht nur Auszeichnungen, sondern auch Lob aus berufenem Munde. Dabei sind die beiden Brüder lediglich „Hobby-Landwirte“.
    Stefan (rechts) und Ulrich Eisenbarth erhalten für ihre naturschutzorientierte Flächenbeweidung nicht nur Auszeichnungen, sondern auch Lob aus berufenem Munde. Dabei sind die beiden Brüder lediglich „Hobby-Landwirte“. Foto: Peter Urban

    Stefan und Ulrich Eisenbarth ist ihr Engagement und ihre Leidenschaft für Natur und Landschaft wahrlich nicht in die Wiege gelegt worden. Sie waren weder Landwirte noch haben sie ein landwirtschaftliches Anwesen „irgendwie geerbt“. Beide sind eigentlich typische Büromenschen, beide in den Vierzigern, nach wie vor arbeitet Stefan als Fluggerätebauer, Ulrich als Bilanzbuchhalter. Eigentlich.

    So sehr sie sich mit ihren erlernten Berufen auch identifizieren, etwas hat den Herkheimern gefehlt. „Sich nur“, wie Ulrich Eisenbarth bemerkt, „mit toter Materie zu beschäftigen, das füllt dich auf Dauer nicht aus. Uns fehlte die Natur, das Draußen-Sein, der Kontakt zum richtigen Leben“.

    Galloway-Rinder aus dem Ries: Wie alles begann

    Und da Stefan schon damals als „Hobby“ landwirtschaftlicher Dienstleister war, schälte sich schnell „irgendwas in der Landwirtschaft“ als sinnvolle Ergänzung der Schreibtischjobs heraus. Vor mittlerweile zwölf Jahren haben die beiden dann als Züchter-Laien in einer ökologischen Nische mit vier Galloway-Rindern den Einstieg in die Landschaftspflege und Mutterkuhhaltung gewagt. Sie wurden nicht wenig belächelt und als „Spinner“ abgetan, viele Landwirte-Profis („Das Ries ist Ackerbau- und Schweine-Land“) in ihrer Umgebung haben ihre Intension weder verstanden noch besonders unterstützt. Im Gegenteil: auch von Seiten der Behörden kamen anfangs deutlich mehr Bedenken-Bekundungen als wirkliche Unterstützung.

    Doch die Brüder haben sich nicht beirren lassen, sie haben sich im Vorfeld selbst gründlich informiert, Unterstützer und wohlwollend-kundige Berater gefunden. Stefan Eisenbarth: „Wir haben uns Flächen gesucht, die für die Standard-Landwirtschaft nicht von Bedeutung sind. Hieraus entwickelte sich das Ziel, die Rieser Kulturlandschaft mit seinen Heideflächen und Streuobstwiesen, zu erhalten und wieder zu schaffen. Der Plan für uns als Rieser und Neulandwirte war, die Heimat so zu gestalten, damit spätere Generationen, unsere Kinder, erahnen können, wie einzigartig und vielfältig ihre Heimat, das Ries ist.“ Es habe sich gezeigt, dass diese Landnutzungsform eine Schlüsselrolle zur Sicherung der Biodiversität von Flora und Fauna hat. Mehr Pflanzen haben die Chance zu wachsen und der Dung der Rinder bietet vielen Insekten und Kleintieren eine Lebensgrundlage.

    80 Tiere auf 65 Hektar Fläche

    Heute kümmern sich die Eisenbarths mit inzwischen 80 Tieren um insgesamt 65 Hektar Fläche, die von verschiedenen Eigentümern zur Verfügung gestellt wird. Die Vorpflege und die Beweidung der Grundstücke geschieht in Absprache mit Behörden, Vereinen/Verbänden und Gemeinden. Oft lagen diese bereits jahrelang brach und waren entsprechend verbuscht, da der Pflegeaufwand bzw. die Kosten unverhältnismäßig hoch sind. Ulrich Eisenbarth: „Für solche Grundstücke können wir als Landwirte und Dienstleister eine Lösung bieten: Sie werden durch ökologische Beweidung aufbereitet – von unseren Tieren.“

    Mittlerweile bekommt das anfangs belächelte Projekt neben Auszeichnungen auch viel Lob aus berufenem Mund, nicht zuletzt vom Diplom-Biologen Dr. Rainer Luick, Professor an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg: „Die auf Initiative von Ulrich und Stefan Eisenbarth gestarteten Weideprojekte zur naturschutzorientierten Pflege von artenreichem Grünland und zur Landschaftsoffenhaltung genießen eine überregionale Wertschätzung in der Fachwelt. Bei Vor-Ort-Terminen konnte ich mich von der Professionalität und der sehr guten Kooperation mit dem privaten und behördlichen Naturschutz überzeugen.“

    Weideprojekte zur naturschutzorientierten Pflege

    Trotz allen Beifalls und der tatkräftigen Mithilfe der Familien ist an ein finanziell befriedigendes Auskommen nicht zu denken. „Es geht nur im Nebenerwerb“, sagt Stefan Eisenbarth. Das Fleisch der Tiere vermarkten sie selbst, auch den Weideschuss, die schonendste Art, die Tiere zu schlachten, haben sie vielen behördlichen Widerständen zum Trotz durchgesetzt. „Das schmeckt man bei jedem Stück Fleisch, das man von den Tieren genießt“, bekräftigt Ulrich Eisenbarth. Selbstverständlich ist, dass sie das ganze Tier verwenden, das Credo „From Nose to Tail“ haben sie hundertprozentig verinnerlicht.

    Auf ihrer Hofstelle in Reimlingen, die sie inzwischen erworben haben, kann man bei jedem Besuch spüren, was es den Brüdern so angetan hat. Die Ruhe und Gelassenheit, aber auch die Lebensfreude, die ihre Tiere ausstrahlen, überträgt sich unwillkürlich auf die Menschen, die sich mit ihnen beschäftigen. „Jedes Mal, wenn wir nach der Büroarbeit hierher kommen, fühlen wir uns frei und zufrieden. Trotz der vielen Arbeit, die wir haben“, sagen beide unisono. Dieses Lebensgefühl will die Familie auch weitergeben: In der Nachbarschaft entsteht gerade ein Gebäude, in dem ab Herbst ein Bauernhof-Kindergarten betrieben werden soll. Erlebniskindergarten, Tiere, Bewegung und Lernen in und mit der Natur, Gartenbau, Streuobstwiesen und Inklusion sind die Stichworte, die die beiden zum Abschied mitgeben. Das alles soll aus dem Projekt „Naturschutz durch Beweidung“ ein noch intensiveres Erleben werden lassen. Für alle, die sich dafür begeistern lassen wollen – von Kindesbeinen an.

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