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Erster Weltkrieg: ... daß wir alle miteinander ein fröhliches Wiedersehen im lieben Vaterhaus feiern können

Erster Weltkrieg

... daß wir alle miteinander ein fröhliches Wiedersehen im lieben Vaterhaus feiern können

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    Soldaten in einem Lazarett.
    Soldaten in einem Lazarett.

    Mit den Schüssen auf den Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin am 28. Juni 1914 in Sarajevo, wurde vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg oder der Große Krieg, ausgelöst.

    Ein Jahrhundert später sind die Ereignisse weitgehend verblasst. Heute erinnern allenfalls noch die in den Dörfern und Städten nach dem Krieg errichteten Denkmäler daran. Manchmal werden die Namen der Schlachtfelder wie Arras, Aubers, Belgrad, Douaumont, Flandern, Grodno, Metz, Tarnopol, Verdun und Ypern genannt. In den Geschichtsbüchern sind die Namen der Schlachtenlenker nachzulesen: Erich von Falkenhayn, Ferdinand Foch, Douglas Earl of Haig, Paul von Hindenburg, Helmuth von Moltke und Erich Ludendorff.

    Kaum einmal aber erfahren wir Näheres über das Schicksal einfacher Soldaten auf beiden Seiten, die die Leidtragenden der irrsinnigen Materialschlachten und der grauenvollen Stellungskämpfe waren. Im Gegensatz zu den Feldherren, die fern der Front in Sicherheit ihre Entscheidungen trafen, mussten sie, oft genug in morastigen Schützengräben inmitten von Leichen und Ungeziefer im Trommelfeuer der gegnerischen Artillerie, um ihr Leben kämpfen.

    Glücklicher Zufall

    Es war ein glücklicher Zufall, dass neben einigen Feldpostbriefen ein kleines unscheinbares Tagebuch die Zeiten überdauert hat, in dem der Soldat Otto Mayer aus Bühlingen seine Erlebnisse auf den Schlachtfeldern in Frankreich genau festgehalten hat. Geboren in

    Die Soldaten beider Seiten zogen zu Kriegsbeginn voller Zuversicht in den Kampf, ging es doch gegen den „Erbfeind“, den eine nicht müde werdende Propaganda den Menschen eintrichterte. Auf deutschen Zugwaggons war zu lesen: „Weihnachten sind wir wieder daheim!“ Die Engländer sangen das Lied: „Wir trocknen unsere Wäsche an der Siegfriedlinie“ (gemeint waren die Verteidigungsstellungen im Westen des Deutschen Reiches).

    Am 18. August begann die Offensive

    Die strategischen Planungen der Deutschen basierten ursprünglich auf dem Schlieffen-Plan. Sie sahen einen schnellen militärischen Sieg an der Westfront vor, um dann eine Entscheidung gegen Russland zu erzwingen. Am 18. August begann die Offensive fünf deutscher Armeen. Trotz erheblicher Verluste erreichten sie am 30. August die Marne. Doch dem deutschen Heer gelang kein entscheidender Sieg. Der Bewegungskrieg war gescheitert und ging in den Stellungskrieg über.

    In dem Tagebuch ist zu lesen: Am 2. August 1914 erster Mobilmachungstag. 5. August eingerückt zum Bezirk-Kommando Augsburg, dann Abfahrt nach Neu-Ulm, einquartiert in einer Mühle. 10. Aug. abgerückt zum Artilleriedepot Offenhausen, dann Verladen der Geschütze und Munition, Abfahrt nach Frankreich. 12. Aug. Nachts 12 Uhr ausgeladen in St. Avold. 15. Aug. Erster Zusammenstoß und Angriff, bei schwerem Artilleriekampf, wurde aber kein Mann verletzt. 20. Aug. Früh 6 Uhr begann wieder der Kampf, wo wir Verstärkung erhalten hatten. Nach sehr schwierigem langen Kampfe zog sich endlich der Feind zurück und wir blieben Sieger. Daselbst wurden 3 französische Batterien gewonnen. Keine Verluste. Gegen 12 Uhr mittags ging es vorwärts, wo unsere Infanterie ganze Truppen gefangener Franzosen zurückführte. Wir biwakierten auf freiem Felde. Unsere Infanterie hatte bedeutende Verluste. Die Franzosen lagen haufenweise umher. 21. Aug. Früh 6 Uhr gingen wir wieder in Stellung, mussten sie aber wieder verlassen ohne einen Schuß zu machen, weil sich die roten Hosen zu weit zurückzogen. 31. Aug. Ein Mann gestorben an schwerer Verwundung. 1. Sept. Stellungswechsel dann wieder Angriff, wo unser Hptm. 2 französische Batterien vernichtete. 11. Sept. Nachmittag Volltreffer in die Stellung der Batterie, 3 Mann tot, 4 verwundet, wurden abgelöst, Marsch rückwärts. Nachts Biwak bei sehr schlechtem Wetter auf freiem Felde. 12. Sept. Früh Abmarsch Mittag über die Grenze, abends einquartiert. Vom 4. bis 12. Oktober dem preußischen Gardekorps zugeteilt.

    Brief vom 18. September

    ... sind aus Frankreich ausmarschiert und liegen zur Stunde vor meiner alten Garnison in Metz im Quartier. Wahrscheinlich werden wir heute oder morgen noch verladen und kommen nach Holland an die belgische Grenze um das Landen der Engländer zu verhindern, aber vielleicht auch nach Belfort. So viel wir erfahren haben, kann man annehmen, daß wir mit den Herrn Franzosen nicht mehr viel zu tun haben, denn die Preußen haben unsere Stellungen eingenommen. Man durfte wirklich froh sein, denn mit diesen roten Hosen zu kämpfen braucht man sich nicht so arg reißen, aber unsere Schuldigkeit haben wir doch getan, immer schneidig zurückgeschlagen. Da hat sich so mancher Franzose kopfüber gedreht, aber auch mancher bayerische Soldat hat jämmerlich ins Gras gebissen. Auch wir haben schon ziemlich viele Verluste, aber meistens verwundet. Das Schießen hat die französische Artillerie los, da wird man von Pulver und Rauch der Granaten u. Schrappnells ganz schwarz. Manchmal muß man fast glauben, daß es unmöglich ist mit heiler Haut durch zu kommen, wie diese Unmenschen umtreiben. Aber bis hierher hat Gott geholfen u. uns verschont. 2. Nov. Den ganzen Tag Fortsetzung schwerer Kämpfe mit Engländer. Beginn des Stellungskrieges. 3. Nov. Patrouille. Kamerad Straubinger gefallen durch Schuß in den Unterleib. 4. Nov. Ein Mann verwundet. Das Bataillon hat durch Volltreffer 50 Pferde verloren. 6. Nov. Früh Frontveränderung. Abends ½5 Uhr Hptm. Zeitler durch Kopfschuß gefallen. 9. Nov. Hptm. Schmid verwundet, Kopfschuß. 19. Nov. Lt. Ganz gefallen, Kopfschuß. 400 Franzosen gefangen.

    Erstmals kam Giftgas zum Einsatz

    Das Jahr 1915 brachte, trotz verbissen geführten Kampfes, keine militärische Entscheidung. Erstmals kam es zum Einsatz von Giftgas, das die deutsche Armee in der zweiten Schlacht bei Ypern vom 22. April bis 25. Mai einsetzte.

    Die anfängliche Hochstimmung war durch die Ereignisse an der Front allmählich einer Ernüchterung gewichen. Noch am 4. Januar 1915 schrieb Otto Mayer nach Hause: Am Sylvesterabend mussten wir Munition fahren in die vorderste Gefechtslinie, damit wir um Mitternacht den Franzosen das neue Jahr anständig anschießen können. Aber da sind wir von der feindlichen Infanterie so beschossen worden, die Kugeln ganz fürchterlich um die Ohren gepfiffen, dass wir uns nicht mehr ganz wohlfühlten u. auch nicht wussten ob wir den Anfang des neuen Jahres erleben dürfen.

    Wenige Monate später schrieb er: Wer hätte denn voriges Jahr gedacht, daß wir heuer in Frankreich sind auf freiem Feld. Schon wieder ein Jahr vorüber. Und noch schlechte Aussicht, daß es bald gar werden sollte. Täglich wartet man auf eine Entscheidung, aber immer das gleiche.

    Ich glaub bald, daß wir Weihnachten auch noch hier sind, denn an ein Ende ist durchaus noch nicht zu denken. Wir haben halt täglich nichts anderes zu erwarten als immer schwerere Kämpfe. Da könnt Ihr Euch schon denken, daß wir schon oft im schweren Feuer gestanden sind und daß es manchen unserer Kameraden getroffen hat. Wer weiß wie lange es uns noch gegönnt ist gesund mitzumachen und fürs Vaterland zu streiten. Wollen aber das Beste, es kommt doch wie es will und ändern lässt sich halt gar nicht viel.

    Volltreffer in das Quartier

    1. April 1915 Ostern in trauriger Stimmung zugebracht. 17. April Großer Angriff der Engländer, aber ohne Erfolg. 5. Mai Täglich schwere Kämpfe um Ypern. 6. Mai Die Batterie hatte einen Rohrzerscheller, der Rüstkanonier wurde getötet und der Geschützführer leicht verletzt. 12. Mai Material gefahren, 2 Fahrer und 2 Kanoniere verwundet. 4 Pferde waren sofort tot. 14. Mai Die leichte Kolonne beim Batteriebau, dann Volltreffer in das Quartier. 4 Mann wurden schwer verletzt, 3 davon starben. 23. Mai Pfingstsonntag, Italien hat an Österreich den Krieg erklärt. 20. Juni Abends abgelöst, die Stellung bei Ypern verlassen, dann Marsch bis Tourcoing. 24. Sept. Große Offensive der Engländer, welche aber fast gänzlich scheiterte. 25. Sept. Täglich Fortsetzung des Tumults. Nachmittags ein Unteroffizier gefallen, Granatschuß 7 Kameraden verwundet.

    Die Festungsanlage von Verdun

    Mit einer von enormem Artillerieeinsatz unterstützten Großoffensive begann am 22. Februar 1916 der deutsche Angriff auf die Festungsanlage von Verdun. Trotz unbeschreiblich hoher Verluste hielt sich die französische Besatzung. Beide Seiten verloren bei den Kämpfen um Verdun zusammen über 700 000 Mann.

    9. März Großes Bombardement feindlicher Flieger. 28. März Stellungswechsel vom 4. preußischen Korps zum württembergischen 27. Res. Korps von Hurnes nach Marquilles. 3. Juli In Urlaub gefahren über Lille, Brüssel, Metz. 3. Juli Nachmittags ½3 zu Hause angekommen. 11. Okt. Abgelöst von der Feuerstellung und zum Schanzen. Reservestellung. 1. Nov. Mittags Abmarsch von Harcmilles nach Dan, dann abends verladen. 2. Nov. Nachts ½1 Uhr ausgeladen, dann Marsch bis ½5 Uhr, dann Massenquartier.

    Die Aussichten auf einen Erfolg verschlechtern sich dramatisch

    Durch den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten 1917 verschlechterten sich die Aussichten auf einen militärischen Erfolg dramatisch. Die deutsche Front wurde zwischen Arras und Soissons seit Ende Februar auf die Siegfriedstellung zurückgenommen. Durchbruchsversuche der Engländer scheiterten in der Schlacht bei Arras (April/Mai) ebenso wie die der Franzosen in der Doppelschlacht an der Aisne und in der Champagne (April/Mai).

    17. März Wieder Stellungswechsel u. Rückmarsch. 18. März Mittags ins Quartier nach Troiswilles. 13. April Früh 2 Uhr Abmarsch zur Feuerstellung über Liebercourt, Carmin nach Pont a Vendin.

    Gott hat es anders gewollt ...

    Am 15. Juli schrieb er einen Brief an seine Mutter, nachdem er erfahren hatte, dass sein Bruder Franz Xaver in den Vogesen gefallen war: Liebe Mutter! . . . daß wir uns doch hoffentlich nach baldiger Beendigung des Krieges eines frohen Wiedersehens erfreuen können. Aber leider war es Dir nicht mehr gegönnt, alle Deine 5 Söhne nach diesem schrecklichen Menschenmorden noch mal zu sehen und zu begrüßen. Gott hat es anders gewollt, indem er ein Opfer von Dir gefordert hat und den lb. Bruder Franz zu sich genommen hat. Ihm war es auch nicht mehr vergönnt, noch mal ins liebe Elternhaus zurückzukehren, aber auch nicht, in heimatlicher Erde seine Ruhe zu finden.

    Starkes Fieber und heftige Schmerzen

    15. Aug. Großkampftag, machten 375 Schuß, ohne Feuer zu bekommen. 16. Aug. Abends 6 Uhr Volltreffer in den Keller, 10 Mann verwundet, 2 Mann gleich tot und 4 später. Abends mit Sanitätswagen zum Hauptverbandsplatz. 17. Aug. Früh abgefahren nach Rovin, dort verladen und dann nach Tournai in das bay. Etappen-Lazarett 663. 18. Aug. Mittags Operation 21. Aug. Abends mit Lazarettzug weggefahren von

    Otto Mayer musste nicht mehr an die Front

    Nach seiner Genesung kam Otto Mayer am 26. März 1918 zum Ersatz Bataillon in Neu Ulm. Aufgrund seiner Verwundung wurde er nicht mehr an der Front eingesetzt und kehrte wie drei seiner Brüder aus dem Krieg zurück. Otto Mayer ist am 11. Juli 1959 gestorben.

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