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Deiningen: Spektakuläre Ausgrabung: Der gepflegte Reiter von Deiningen

Deiningen

Spektakuläre Ausgrabung: Der gepflegte Reiter von Deiningen

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    Ein Kamm aus Elfenbein ist in einem spätmittelalterlichen Grab in Deiningen gefunden worden.
    Ein Kamm aus Elfenbein ist in einem spätmittelalterlichen Grab in Deiningen gefunden worden.

    Bei Grabungen im geplanten neuen Baugebiet von Deinigen sind spektakuläre Funde gemacht worden. In frühmittelalterlichen Gräbern wurden ein Elfenbeinkamm mit ungewöhnlichen Tierszenen und eine afrikanische Schale mit rätselhaften Zeichen gefunden, die bisher einmalig nördlich der Alpen sind. „Die beiden Funde müssen damals echte Luxusgüter gewesen sein“, sagt Generalkonservator Professor Mathias Pfeil, der Leiter des Landesamts für Denkmalpflege. „Sie zeigen, wie weit die Kontakte der Menschen damals selbst nach der Auflösung des römischen Reiches und seinen Provinzen immer noch reichten.“ Doch die Schätze, die das Archäologen-Team rund um Dr. Manfred Woidich gehoben hat, gehen im wahrsten Wortsinn tiefer, als es Kamm, Schale und das mutmaßliche „Liebespaar“, das noch im Grab Händchen hält, erkennen lassen.

    Geschenke eines Herrschers oder Beutestücke?

    Denn wie die Funde ins Nördlinger Ries gelangten, das damals von Alemannen besiedelt war und unter fränkischer Herrschaft stand, lässt sich bisher nur vermuten. Es könnte sich sowohl um Geschenke eines Herrschers an einen wichtigen Gefolgsmann, als auch um Tribute oder Beutestücke aus einem Kriegszug handeln. Denn in die Auseinandersetzungen der damaligen Zeit zwischen den Ostgoten und dem oströmischen Reich um das Gebiet des heutigen Italiens etwa waren auch die Alemannen involviert.

    Das Skelett eines Reiters ist in Deiningen gefunden worden.
    Das Skelett eines Reiters ist in Deiningen gefunden worden. Foto: Peter Urban

    Der Kamm stammt aus dem Grab eines etwa 40 bis 50 Jahre alten Mannes, der unter seinen Zeitgenossen als herausragende Persönlichkeit gegolten haben dürfte. Eine Lanze, ein Langschwert, ein Schild, eine Streitaxt und ein Bronzebecken waren seinem Grab beigegeben worden. Er war wohl auch der Reiter des Pferdes, das neben ihm in einer Grube lag. Sporen und Zaumzeugreste weisen darauf hin. Und der frühmittelalterliche Kulturbeutel, in dem neben dem Kamm auch eine Schere gefunden wurde, lassen vermuten, dass er eine wohl sehr gepflegte Erscheinung gewesen sein muss.

    „Kämme als Grabbeigaben kommen im Frühmittelalter durchaus häufiger vor, sind aber üblicherweise ganz anders konstruiert, nicht aus Elfenbein und nicht in dieser hochwertigen Qualität“, meint Dr. Johann Friedrich Tolksdorf, der zuständige Archäologe am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. „Das Besondere am Deininger Kamm ist unter anderem, dass in diesen äußerst bewegte, weltliche Jagdszenen geschnitzt sind. Deutlich zu erkennen sind gazellenartige Wesen, die vor Raubtieren zu flüchten scheinen, die so in Europa nicht vorkommen.“ Bisher sind nur wenig ähnlich gearbeitete Kämme aus dem gleichen Zeitraum bekannt. Und wenn, dann sind sie archäologische Sensationen, die bisher nur im Pariser Louvre, im Museum in Kairo und im Vatikan zu finden sind.

    Gefäß stammt aus einer Werkstatt im heutigen Tunesien

    Das gilt wohl auch für die Schale, die im Deininger Grab einer etwas 30 bis 40 Jahre alten Frau gefunden wurde. Diese stammt, anders als die anderen beigelegten Gefäße, nicht aus heimischer Produktion, sondern ist als so genannte „African Red Slip Ware“ aus einer Werkstatt im heutigen Tunesien identifiziert worden, die diese hochwertige rote Keramiksorte herstellte. Während solche Schalen im Mittelmeerraum durchaus weit verbreitet waren, ist der Deininger Fund der erste Nachweis einer solchen Kostbarkeit in einem derart vollständigen Zustand in unseren Breitengraden.

    Die Schriftimitationen auf der Schale geben den Fachleuten allerdings genauso Rätsel auf, wie deren Bedeutung: Die Mutmaßungen reichen von bloßen Kritzeleien über Namenszeichen bis hin zu Runen oder magischen Symbolen. Fest steht, dass das Deininger „Archäologen-Paradies“ noch reichlich an Puzzleteilchen, viel Raum für Vermutungen und Arbeit für das Landesamt für Denkmalpflege bereit hält. Denn dank der Entdeckungen im Gräberfeld kann und muss wohl auch die Geschichte Deiningens in Teilen neu geschrieben werden. Schon jetzt steht fest, dass die Gemeinde mindestens 200 Jahre älter ist, als bisher angenommen. Und ihre Bedeutung im Frühmittelalter ist höchstwahrscheinlich bisher ziemlich unterschätzt worden.

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