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Birkhausen: Staatsanwalt überrascht im Gülle-Mordprozess mit seinem Plädoyer

Birkhausen

Staatsanwalt überrascht im Gülle-Mordprozess mit seinem Plädoyer

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    Im Prozess gegen einen Landwirt aus Birkhausen, einem Ortsteil von Wallerstein, gibt es ein erstes Plädoyer.
    Im Prozess gegen einen Landwirt aus Birkhausen, einem Ortsteil von Wallerstein, gibt es ein erstes Plädoyer. Foto: Ulrich Wagner

    Mit dem Plädoyer des Staatsanwalts kommt das seit Oktober laufende Verfahren vor dem Augsburger Landgericht gegen einen Landwirt aus Birkhausen in die entscheidende Phase. Zuvor hatte die Verteidigung des Angeklagten erneut mit Beweisanträgen aufgewartet. Unter anderem sollten alle sieben Landwirte aus Birkhausen, die noch Gülle auf ihre Äcker ausbringen, als Zeugen geladen werden.

    13 Jahre und sechs Monate Gefängnis wegen Totschlags – diese Strafe fordert die Staatsanwaltschaft für den 55-jährigen Landwirt, der im September 2018 seine Ehefrau auf dem Bauernhof in Birkhausen an der Güllegrube umgebracht haben soll. Staatsanwalt Michael Nißl schickte seinem Plädoyer eines voraus: Einiges werde sich wohl nie abschließend aufklären lassen. Dennoch komme für ihn kein Freispruch gemäß der Devise „Im Zweifel für den Angeklagten“ in Frage. Nißl berief sich auf eine Form des Ausschlussverfahrens, wie es der Bundesgerichtshof im Falle von Mord ohne Leiche für legitim erklärt habe. Anzeichen dafür, dass der Angeklagte seine Ehefrau umgebracht habe und diese nicht Opfer eines Unfalls geworden sei – wie er selbst und die Verteidigung es behaupten – gebe es genügend.

    Tote Landwirtin bei der Güllegrube: Kein Mord aus Habgier, meint der Staatsanwalt

    Von einem Mord aus Habgier wegen von ihm gehorteter Hunderttausender von Euro nahm Nißl allerdings Abstand. Ein weiteres Motiv liege, so der Staatsanwalt, in Streitigkeiten zwischen den Eheleuten bezüglich der Schweinehaltung. Nißl hielt es für denkbar, dass es sogar unmittelbar vor dem Totschlag am Tattag zu einem Wortwechsel in dieser Sache gekommen sei. Räumlich, zeitlich, technisch, auch menschlich sei eine Tötung durch den Angeklagten möglich gewesen, analysierte der Staatsanwalt anhand vieler Zeugenaussagen und Ermittlungsbefunde.

    Ein Unfall sei „maximal unplausibel“, so Nißls Einschätzung. Es sei Leichterdings nicht vorstellbar, dass die Ehefrau, die jede Minute den Mann mit dem Traktor auf dem Hof zurückerwartete, ohne erkennbaren Anlass eine Leiter holte, um trotz entzündeter Füße in Halbschuhen allein in die Güllegrube zu steigen. Sie sei also nicht in der Grube bewusstlos geworden, nicht in die restliche Flüssigkeit gestürzt, habe dort keine Gülle geschluckt und eingeatmet, sei auch nicht fast ganz aus der Grube hinaufgestiegen und oben kollabiert und erstickt. Nißl geht vielmehr davon aus, dass die Frau von ihrem Mann mit einem Gegenstand auf den Kopf bewusstlos geschlagen worden sei.

    Danach habe der Angeklagte sie zur Güllegrube geschleppt, mit einem Kübel Gülle aus der Grube geschöpft und damit die Frau übergossen. Möglicherweise, um Spuren zu verschleiern, möglicherweise auch, um den sicheren Tod herbeizuführen. Weil aber nicht klar sei, wann der Mann davon ausgehen konnte, dass seine Frau tot sei, sei ein Mord zum Zwecke des Verbergens nicht sicher. Nißl forderte deshalb eine Bestrafung wegen Totschlags. Abschließend bat er das Gericht, sich auch weiterhin und bei der Urteilsfindung von der Verteidigung „nicht blenden“ zu lassen, was ihm empörte Proteste einbrachte. So gut wie keine Gefühlsregung war während des über 90- minütigen Vortrags des Staatsanwalts beim Angeklagten zu erkennen, der lediglich einige Notizen auf ein Blatt schrieb.

    Verteidigung stellt nochmal zwei Beweisanträge

    Vor dem Plädoyer hatte die Verteidigung mit weiteren Beweisanträgen aufgewartet. Sieben Landwirte, die Gülle auf Feldern ausbringen, soll es in Birkhausen noch geben, und alle sieben möchte die Verteidigung als Zeugen vernehmen. Es gehe darum, aufzuzeigen, dass der Angeklagte praktisch keine Zeit gehabt habe für ein komplexes Tatgeschehen, das ihmvorgeworfen wird. Ein Zeuge hatte ausgesagt, sich an das Traktor-Fahrgeräusch seines Nachbarn, des Angeklagten, erinnern zu können. Seine und weitere Zeugen-Erinnerungen sollen laut Rechtsanwalt Nico Werning belegen, dass der Angeklagte erst nach 11 Uhr vormittags von der letzten Güllefahrt auf den Hof zurückgekehrt sei.

    Um 11.17 Uhr war vom Angeklagten ein Notruf abgesetzt, um 11.20 Uhr die Feuerwehr per Sirene alarmiert worden. Nun gibt es aber in Birkhausen laut Verteidigung sieben Landwirte, die noch Gülle auf den Feldern der Umgebung ausbringen. Zwei davon besitzen ein baugleiches oder ähnliches Traktor-Modell wie der Angeklagte. Um auszuschließen, dass der Zeuge aus der Nachbarschaft des Angeklagten einen andern Traktor als jenen des 55-Jährigen gehört haben könnte, sollen für entsprechende Informationen die sieben Landwirte vernommen werden.

    Verteidiger Peter Witting will zudem von einem Gutachten geklärt wissen, dass die beiden auf dem Bauernhof vorgefundenen Gießkannen jedenfalls nicht dazu benutzt worden seien, damit Gülle zu vergießen. Beide Beweisanträge waren von Gericht nach geheimer Beratung zunächst formlos abgelehnt worden.

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