Der Bundesgerichtshof stützt das Urteil des Augsburger Landgerichts. Doch das wollen die Anwälte nicht auf sich beruhen lassen. Der Ton, den Verteidiger Peter Witting und und seine Anwaltskollegen anschlagen, ist scharf. Nach der Entscheidung des Gerichts, die Revision hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch gegen einen Rieser Landwirt zu verwerfen, gehen die Anwälte in die Offensive. Kritik äußern sie nicht das erste Mal. Und könnte der Fall sogar noch weitergehen?
Im Mai 2020 ist ein Rieser Landwirt zu 13,5 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden. Das Gericht war zu dem Entschluss gekommen, dass der Mann seine Ehefrau mit Gülle übergossen und sie getötet hat. Er und seine Anwälte hatten das bestritten und Rechtsmittel eingelegt. In der Pressemitteilung der Verteidiger, die am Dienstagnachmittag verschickt wurde, sparen die Anwälte nicht mit Kritik.
Wie der Bundesgerichtshof den zeitlichen Abstand begründet
Der Strafsenat des Bundesgerichtshofs habe sich der Aufgabe verweigert, „die offensichtlich unzureichenden Feststellungen und Wertungen des Schwurgerichts Augsburg zu beanstanden“, heißt es beispielsweise. Ebenso wird kritisiert, dass die Entscheidung bereits im März gefallen sei, aber nun erst den Beteiligten bekannt gegeben wird.
Wie eine Sprecherin des Bundesgerichtshofs auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt, sei das das Datum der mündlichen Beschlussfassung. Zu diesem Zeitpunkt liege in der Regel noch keine schriftliche Begründung vor. Bis die Entscheidung allen Verfahrensbeteiligten zugestellt werde, seien „noch verschiedene Verfahrensschritte erforderlich.“ Das könne einige Wochen in Anspruch nehmen.
Gülle-Mordprozess: Warum gab es eine Revision?
Dass die Revision im Schuldspruch verworfen wurde, bestätigt die Sprecherin. Der Strafsenat könne durch einen Beschluss entscheiden, wenn er die Revision einstimmig für unbegründet halte. Nur dass der Erbanteil des Angeklagten eingezogen wird, revidierte der Bundesgerichtshof.
Eckhart Müller, Strafverteidiger und Mitglied im Bayerischen Anwaltverband, schildert, dass die Revision das einzige Mittel sei, um gegen Urteile des Landgerichts vorzugehen. Hier würden aber nur sachlich rechtliche und prozessuale Verstöße geprüft, beispielsweise, ob das Gericht Kinder nicht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt habe. Auch die falsche Behandlung von Beweisanträgen könne eine Revision begründen.
Bereits früher kritisierte der Anwalt die Richterin
Während des Prozesses hatten die Anwälte tatsächlich eine Vielzahl an Beweisanträgen eingereicht. Ob dies getan wurde, um mögliche Revisionsgründe zu provozieren, möchte Müller nicht bewerten, da er den Prozess nicht kenne. Grundsätzlich sei das aber denkbar. Im Regelfall werden Beweisanträge gestellt, um die Mandanteninteressen zu wahren. Offensichtlich habe der Bundesgerichtshof der Revision hier nicht stattgegeben, weil er keinen Rechtsfehler festgestellt habe.
Die Pressesprecherin des Bundegerichtshof möchte die Vorwürfe der Anwälte nicht bewerten. Schon während des Prozesses waren die Anwälte des Landwirts durch harsche Töne aufgefallen. So hatte Peter Witting der Vorsitzenden Richterin Susanne Riesel-Mitterwieser Anfang Januar 2020 vorgeworfen, dass sie sich bereits auf ein Motiv, nämlich Mord aus Habgier, festgelegt habe. „Sie wissen nichts“, hatte Witting damals gesagt.
Könnte der Fall vor das Bundesverfassungsgericht gehen?
Auch war ein Antrag auf Befangenheit des Gerichts gestellt worden. Man habe das Gefühl, dass das Gericht nur in die Richtung gehe, wie der Angeklagte es gemacht haben könne. Dass der Haftbefehl nicht aufgehoben wurde, sei „die Spitze des Eisbergs“ gewesen, so die Verteidiger vor Gericht. In einer Pressemitteilung des Augsburger Landgerichts wurde das Urteil nun als rechtskräftig bezeichnet. Doch für die Verteidiger ist der Fall noch nicht beendet. So sagte Martina Sulzberger zu unserer Redaktion, dass sie weiterkämpfen würden und auch Witting gab an, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage befassen müsse, „ob so Recht gesprochen werden darf.“
Sollten die Anwälte eine Verfassungsbeschwerde einreichen, wird am Bundesverfassungsgericht geprüft, ob die Beschwerde begründet ist oder nicht. Grundsätzlich werden vor dem Bundesverfassungsgericht nur Verstöße gegen das Grundgesetz überprüft. So geht es nicht darum, ob die Entscheidung aus fachlicher Sicht richtig ist, sondern es muss ein Verstoß gegen die Verfassung vorliegen. Sollte es den Anwälten Witting, Werning und Sulzberger gelingen, einen Verstoß gegen Grundrechte im vorliegenden Fall schlüssig darzulegen, könnte der Fall theoretisch vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Doch Anwalt Müller hält das für unwahrscheinlich: „Das Mittel der Verfassungsbeschwerde gegen Urteile wird außerordentlich selten in Anspruch genommen und noch seltener ist es erfolgreich.“
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