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Abtei Neresheim: Tod eines Abts: Das Millionen-Geheimnis im Kloster Neresheim

Abtei Neresheim

Tod eines Abts: Das Millionen-Geheimnis im Kloster Neresheim

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    Woher stammt das Geld, das auf geheimen Konten des Klosters entdeckt wurde? (Symbolbild)
    Woher stammt das Geld, das auf geheimen Konten des Klosters entdeckt wurde? (Symbolbild) Foto: Imago

    Spätestens seit „Der Name der Rose“ wissen wir, dass sich hinter den dicken Klostermauern einer Benediktinerabtei Geheimnisse auftun können. Es muss ja nicht gleich eine Mordserie sein.

    Auch rätselhafte Finanzgeschäfte können mächtig Unruhe unter die Mönche bringen. Die Benediktiner der berühmten Abtei Neresheim im östlichsten Teil der Schwäbischen Alb erleben das seit Jahren. Sie plagen sich mit mehreren Gerichtsverfahren und einem Geldwäsche-Verdacht herum. Und das kam so.

    Am 24. April 2013 stirbt Abt Norbert. Er stand fast 40 Jahre lang an der Spitze des Klosters, dessen Wurzeln ins 11. Jahrhundert reichen. Einen Monat lang trauern die Benediktiner um ihren Bruder. Sie rühren nichts an, was ihm gehört. So schreiben es die Ordensregeln vor. Erst dann gehen sie in die Privaträume des Abts und kümmern sich um den Nachlass. Doch was sie im Schlafzimmer finden, lässt sie fast vom Glauben abfallen.

    In einem Sekretär liegen Bankauszüge eines Kontos. Guthaben: rund 1,3 Millionen Euro. Die Auszüge sind keinem der offiziellen Klosterkonten zuzuordnen. Die Mitbrüder wissen nichts von der Existenz des Kontos. In der Buchführung der Abtei taucht es nicht auf. Woher kommt das viele Geld?

    Kloster erbt Geld

    Das Kloster erbt das Geld des verstorbenen Vorstehers. Abt Albert will das rätselhafte Vermächtnis seines Vorgängers ergründen. Er erkundigt sich bei der Bank und erfährt, dass es sich um ein Spendenkonto handelt. Aber es wird noch verrückter. Auf Bitten des neuen Abts forscht das Geldinstitut nach weiteren Klosterkonten – und wird fündig. Ein Wertpapierkonto in Krefeld taucht auf. Inhaber: das Kloster. Kontostand: rund drei Millionen Euro. Und es gibt einen Bevollmächtigten: ein gewisser Walter Marcelli, Anwalt aus

    Das muss man sich mal vorstellen: Da fallen quasi 4,3 Millionen aus einem Sekretär. Für die Mönche ist das ein Schock. „Mit solchen Summen hantieren wir im Kloster gewöhnlich nicht“, sagt seinerzeit Abt Albert. Die Benediktiner gelten als besonders bescheidener Orden. Ihr bekannter Leitspruch lautet „Ora et Labora (et Lege)“, übersetzt „Bete und Arbeite (und Lies)“. Sie sind nicht dafür bekannt, Millionen zu horten. Woher also kommt das viele Geld – vor allem jenes auf dem Wertpapierkonto? Wem gehört es? Und wer ist Walter Marcelli?

    Manche dieser Fragen sind einfach zu beantworten, andere gar nicht. Denn Abt Norbert hat viele Geheimnisse mit ins Grab genommen. Die Mönche von Neresheim gehen die diffizile Angelegenheit mit Bedacht an. Es stellt sich heraus, dass es beim Spendenkonto keine Ungereimtheiten gibt. Abt Norbert hat die Summe gesammelt. Beim Wertpapierkonto ist das jedoch ganz anders.

    Eine sogenannte Kapitalfluss-Analyse der Bank ergibt, dass Einzahlungen und Auszahlungen auf diesem Konto einzig und allein durch Anwalt Walter Marcelli getätigt worden sind. In einem Telefonat stellt sich heraus, dass Marcelli, dessen Name den Mönchen bis dato nichts sagt, sogar Ansprüche auf einen Großteil des Geldes erhebt. Die Brüder sind irritiert, sie wollen die Sache geklärt haben. Das Kloster lässt die Kontovollmacht löschen. Und damit beginnt der große Ärger.

    Raffiniertes "Steuervermeidungsmodell" betrieben?

    Die Benediktiner von Neresheim müssen erfahren, dass dieser Walter Marcelli ihrem Abt offensichtlich näher stand als sie selbst. Er kommt ebenso wie Wolfram Stoffels – so ist der Geburtsname des Abts – aus Krefeld und kannte ihn seit Schulzeiten. Und dieser ebenso betagte wie schlitzohrige Marcelli behauptet nun, der Abt und er hätten zusammen ein raffiniertes „Steuervermeidungsmodell“ mit dem schönen Namen „Weinberg“ betrieben. Die Geldgeber stammten aus dem gesamten Bundesgebiet. Er sei Treuhänder des „Weinbergs“. Am Ende sollte auch ein erklecklicher Betrag für das Kloster übrig bleiben, sagt der Anwalt. Der 84-Jährige verklagt das Kloster.

    Seitdem liefern sich das Kloster und Marcelli einen bizarren Rechtsstreit, der mittlerweile vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart gelandet ist. Das Gericht will heute entscheiden, ob dem Krefelder Anwalt und zwei angeblichen Klientinnen ein Teil der Klostermillionen zusteht. Die Belege, die Marcelli bisher vorgelegt hat, reichten den

    Stattdessen wird die Staatsanwaltschaft auf den Mann aufmerksam. Sie leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche und Steuerdelikten ein, das bis heute läuft. Denn Abt Norbert hat das Konto 2010 eröffnet, kurz nachdem in Deutschland die Abgeltungssteuer auf Zinserträge eingeführt worden war. Kirchliche Einrichtungen sind von dieser Abgabe aber befreit, wenn sie als gemeinnützig anerkannt sind. War das Kloster also Teil einer großen Geldwaschanlage? Und welche Rolle spielte der alte Klostervorsteher?

    ---Trennung _Vorbildlicher Benedektiner und Ehrenmann_ Trennung---

    Abt Norbert galt als vorbildlicher Benediktiner und als Ehrenmann. Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse. Und er hatte ein großes Lebensziel: die Rettung des Klosters. Die Abtei Neresheim mit ihrer spätbarocken Klosterkirche von Balthasar Neumann und dem größten zusammenhängenden Deckenfresko der Welt ist ein kunsthistorisches Juwel. Der Zahn der Zeit und Tiefflüge von Düsenjägern haben der Bausubstanz aber arg zugesetzt. Viele Einnahmequellen hat das Kloster nicht. Da sind die Pachteinnahmen aus Wiesen und einem kleinen Weinberg, die Einkünfte aus einem Klosterladen und zwei Gehälter von Mönchen, die als Religionslehrer arbeiten. Alles in allem zu wenig, um die Instandhaltungskosten für die Anlage zu bestreiten.

    Daher beginnt Abt Norbert, für Spenden Klinken zu putzen. Bei Privatleuten, Gemeinden, Denkmalämtern, der baden-württembergischen Landesregierung. „Er war ein beseelter Fundraiser“, sagt Max Hohenberg, Sprecher des Klosters. Hohenberg arbeitet für die bekannte PR-Agentur CNC Communications & Network Consulting, Spezialisten für Krisen-PR. Auch der ADAC und die Vatikanbank haben schon deren Dienste in Anspruch genommen. CNC hat unter anderem Büros in London, Paris, Abu Dhabi, Tokio, Mumbai und München.

    Max Hohenberg also sagt: „Das Ziel des Klosters ist Rechtssicherheit.“ Anders ausgedrückt heißt das, dass Mönche zwar grundsätzlich barmherzig sind, aber nicht so naiv, jemandem einfach ein paar Millionen hinterherzuwerfen, der überhaupt keinen Anspruch darauf hat. „Wenn Gerichte rechtskräftig feststellen, dass es diesen Anspruch gibt, dann wird er bedient“, sagt Hohenberg auch.

    Wie auch immer die Richter in Stuttgart entscheiden: Am Ende kann es gut sein, dass weder die Herkunft der Klostermillionen noch der Hintergrund des Konstrukts geklärt wird. Hat der gerissene Anwalt Marcelli die Klosterbrüder nur ausgenutzt, um Steuern zu sparen? Oder haben der Anwalt und sein alter Freund, der Abt, gar – was sich kaum jemand vorstellen kann – gemeinsame Sache gemacht?

    Der verstorbene Abt Norbert ist auch die zentrale Figur in einem anderen Rechtsstreit. Hier geht es um ein Erbe, den Nachlass des früheren bayerischen Wirtschaftsministers Anton Jaumann beziehungsweise dessen Frau Margarete. Der CSU-Mann ist der einflussreichste Politiker, den das Ries hervorgebracht hat. Jaumann war von 1958 bis 1990 Landtagsabgeordneter, er war CSU-Generalsekretär, Finanzstaatssekretär und von 1970 bis 1988 Wirtschafts- und Verkehrsminister. Und er war ein Freund von Abt Norbert. Der Neresheimer Klostervorsteher war auch der Beichtvater der Jaumanns. Von Nördlingen nach Neresheim sind es nur 20 Minuten.

    1994 stirbt Anton Jaumann im Alter von 66 Jahren. Auch seine Frau Margarete hat ihre Spuren in der Region hinterlassen. Sie gründete die „Anton-Jaumann-Stiftung“ zur Pflege der Kirchenmusik und die Margarete-Jaumann-Stiftung, die sich für arme, kranke und verwaiste Kinder einsetzt. Als die sozial engagierte Frau 2012 stirbt, hält Theo Waigel die Trauerrede.

    Jaumann-Witwe hat mehrere Testamente hinterlassen

    Mit dem Tod Margarete Jaumanns wird es kompliziert. Denn sie hat Abt Norbert großzügig bedacht, ebenso wie eine Nichte. Direkte Nachkommen hatte das Ehepaar nicht. Als Abt Norbert 2013 stirbt, fällt sein Erbe wiederum an das Kloster. Das Problem: Die Jaumann-Witwe hat mehrere Testamente hinterlassen. Im letzten von 2007 sind die meisten Verwandten nicht mehr erwähnt. Die wollen aber nicht akzeptieren, dass sie leer ausgehen. Daher haben sie das Kloster, die Nichte und den Testamentsvollstrecker verklagt. Treibende Kraft ist die Düsseldorfer Anwältin Karen Möhlenkamp, eine Großnichte Jaumanns. Die Verwandten wollen je 5000 Euro aus dem Erbe.

    Und so kommt es, dass sich am Montag sieben Verwandte der Jaumanns auf der einen Seite und der Testamentsvollstrecker Klaus Walter, der Anwalt des Klosters, Johannes Mierau, sowie die Nichte Jaumanns auf der anderen Seite vor dem Landgericht Augsburg treffen. Auch dieser Rechtsstreit zieht sich schon über Jahre hin. In der Verhandlung wird klar, dass – wie bei den meisten Erbstreitigkeiten – viele Emotionen im Spiel sind. Rechtlich werden sich die beiden Seiten nicht einig. Doch Richter Andreas Dobler kämpft um eine Einigung. Am Ende stimmen beide Seiten einem Vergleich zu: Jeder erhält vom Testamentsvollstrecker 2500 Euro. Damit ist dieser Streit beendet. Am Amtsgericht Nördlingen laufen aber noch zwei weitere Verfahren.

    Auch die Zivilprozesse um die Klostermillionen laufen seit Jahren. Doch das Geheimnis um die Herkunft des Geldes ist immer noch nicht gelüftet. Der Einzige, der das Rätsel lösen könnte, ist vermutlich Abt Norbert. Doch der ist tot.

    Die Benediktiner von Neresheim bleiben daher vorsichtig. Sie haben das Geld auf den zwei Konten bisher nicht angerührt. Erst sollen die Gerichte über alle möglichen Ansprüche entschieden haben. Wenn dann feststeht, dass die Millionen Eigentum des Klosters sind und nicht aus unlauteren Machenschaften stammen, dann nehmen die zehn Mönche das Geld gerne, sagt Klostersprecher Max Hohenberg. Sie können es für ihre Abtei gut gebrauchen.

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