Der eine wollte eigentlich eine eigene Bar eröffnen. Ein anderer hat nun den früheren Job seines Vaters. Über die Trainer der Fußball-EM gibt es einige spannende Geschichten.
Julian Nagelsmann (Deutschland) und Domenico Tedesco (Belgien):
Deutschland und Belgien können bei dieser EM frühestens im Halbfinale aufeinandertreffen, aber es ist nicht so, dass die beiden Trainer sich noch nie begegnet wären. Nagelsmann und Tedesco absolvierten 2016 zusammen die Ausbildung zum Fußballlehrer. Tedesco schnitt mit einer Note von 1,0 als Jahrgangsbester ab. Beide arbeiteten die meiste Zeit des Lehrgangs zusammen in der Nachwuchsabteilung von 1899 Hoffenheim: Nagelsmann trainierte die U19, Tedesco die U17. Und in Hoffenheim erzählt man sich, dass die Frohnatur Nagelsmann ständig zu hören war, während Tedesco im Leistungszentrum eher still über seinen Unterlagen brütete.
Didier Deschamps (Frankreich):
Im Januar starben innerhalb weniger Tage die deutsche Lichtgestalt Franz Beckenbauer und der Brasilianer Mario Zagallo. Seitdem lebt nur noch eine der drei Fußball-Legenden, die jeweils als Spieler und als Trainer Weltmeister wurden: der Franzose Deschamps. "Der Tod der beiden, vor allem der von Franz Beckenbauer, hat mich sehr berührt", sagte der 55-Jährige in einem "Sport Bild"-Interview. Beckenbauer war einst sein Coach in Marseille. Als Trainer und Spieler Europameister zu werden - das hat bislang nur einer geschafft: Berti Vogts. Deschamps und der Niederländer Ronald Koeman können es ihm bei dieser EM noch nachmachen.
Francesco Calzona (Slowakei):
Im Außendienst haben schon mehrere italienische Trainerkarrieren begonnen. Arrigo Sacchi arbeitete einst für die Schuhfabrik seines Vaters, bevor er den AC Mailand zu zwei Europapokal-Siegen führte. Calzona war mit 30 Jahren Kaffeeverkäufer. Eigentlich wollte der Nationalcoach der Slowakei auch eine eigene Bar aufmachen, ehe es doch noch mit der Trainerlaufbahn klappte. Als Assistent von Maurizio Sarri und Italiens aktuellem Nationalcoach Luciano Spalletti arbeitete der 55-Jährige lange für den SSC Neapel. Dessen Ex-Star Marek Hamsik vermittelte ihn auch in die Slowakei. "Einige Kunden rufen mich immer noch an und fragen nach Kaffee", sagte Calzona.
Edward Iordanescu (Rumänien):
Dänemarks Torwart Kasper Schmeichel und sein erfolgreicher Papa sind nicht die einzige Familiengeschichte der EM. Auch Rumäniens Nationalcoach Iordanescu folgt bei diesem Turnier auf einen berühmten Vater. Anghel Iordanescu war der Trainer jener "Goldenen Generation", die bei der WM 1994 das Viertelfinale erreichte. Dreimal trainierte er die Nationalelf, zuletzt bei der EM 2016. Sein Ehrgeiz "plus alles, was ich von meinem Vater gelernt habe, gaben mir den Antrieb, Trainer zu werden", sagte der Sohn. Edward Iordanescu wird in Rumänien hoch angerechnet, dass er sich trotz seines Namens von der dritten Liga hochgearbeitet hat.
Ralf Rangnick (Österreich):
Seine Vorliebe für den englischen Fußball ist bekannt. Während seines Studiums spielte Rangnick für den Amateurclub FC Southwick. Sein großes Vorbild aber trainierte das EM-Team eines Landes, das es gar nicht mehr gibt: Walerij Lobanowski führte die UdSSR ins EM-Finale 1988 und arbeitete zeitgleich als Trainer von Dynamo Kiew. "Wir spielten 1984 mit Viktoria Backnang gegen Kiew und ich stand als Spielertrainer auf dem Feld", erzählte Rangnick. "Nach zehn Minuten hielt ich inne und zählte die Spieler durch. Die spielten so starkes Pressing, als hätten sie mindestens zwei Spieler mehr auf dem Platz." Für Rangnick war das ein Schlüsselerlebnis.
Gareth Southgate (England):
Die Kritik an den Leistungen seines Teams? Der Vorwurf, er würde einen Turnier-Favoriten so ängstlich spielen lassen wie einen EM-Neuling? Englands Nationaltrainer Southgate kennt das alles noch viel schlimmer. Denn als Spieler verschoss er beim verlorenen EM-Halbfinale 1996 gegen Deutschland den entscheidenden Elfmeter. Damals konterte Southgate alle Häme mit britischem Humor: In einem Werbespot für eine Pizzakette saß er mit einer Tüte über dem Kopf am Tisch und wurde dabei von seinen früheren Mitspielern Stuart Pearce und Chris Waddle verspottet. Die hatten für England je einen Elfmeter im WM-Halbfinale 1990 verschossen.
(Sebastian Stiekel, dpa)