Gemächlich spazierte Otto Addo über den Rasen und jubelte Ghanas Fußballfans nach dem 3:2 (2:0) gegen Südkorea zu. Seine Black Stars waren dagegen nach dem Fünf-Tore-Spektakel kaum mehr einzufangen.
Für Südkoreas Coach Paulo Bento galt Ähnliches: Wutentbrannt redete er nach Schlusspfiff auf den englischen Schiedsrichter Anthony Taylor ein, der ihm daraufhin die Rote Karte zeigte. Taylor hatte die Begegnung direkt vor einem Eckball der Bento-Elf beendet und so eine mögliche Chance auf das 3:3 verhindert.
Doppeltorschütze Kudus zeigt sich nach dem Spiel überglücklich
"Wir haben dumme Fehler gemacht, aber ein Unentschieden wäre verdient gewesen. Wir hatten viele Chancen zu treffen", sagte Bento nach dem Spiel. "Das ist kein faires Resultat, ich bin nicht glücklich." Ghanas Doppeltorschütze Mohammed Kudus war es umso mehr: "Was für ein Tag! 2:2 nach 2:0 und am Ende doch 3:2. Wir wollten die drei Punkte und haben sie geholt", erklärte der 22-Jährige. "Ich bin jetzt voller Zuversicht für das Uruguay-Spiel. Da brauchen wir dieselbe Mentalität."
Nach dem ersten Sieg Ghanas bei einer Fußball-WM seit 2010 darf Aushilfscoach Addo vom Achtelfinale träumen. Die Black Stars sind in Gruppe H mit drei Punkten wieder voll im Rennen. Der viermalige Afrikameister hatte letztmals 2010 die Vorrunde überstanden, als Kevin-Prince Boateng und Co. bis ins Viertelfinale gestürmt waren. Südkorea steht indes bei der elften WM-Teilnahme zum neunten Mal vor dem Vorrunden-Aus.
Southampton-Verteidiger Mohammed Salisu (24. Minute) und zweimal Mohammed Kudus von Ajax Amsterdam (34. und 68.) machten den Sieg vor 43.983 Zuschauern im Education City Stadion in Al-Rajjan perfekt. Zwischenzeitlich hatte Stürmer Gue-Sung Cho mit einem Doppelpack (58. und 61.) für Südkorea ausgeglichen.
Die Erfolgsgeschichte des Trainers Otto Addo
Damit entwickelt sich das Kurzzeit-Gastspiel von Addo auf Ghanas Chefposten womöglich zu einer echten Erfolgsgeschichte. Erst im Februar hatte der gebürtige Hamburger den Serben Milovan Rajevac als Nationalcoach abgelöst und das Team gegen den großen Rivalen Nigeria zur WM geführt. Nach der Endrunde in Katar will Addo wieder auf seinen ursprünglichen Posten bei Borussia Dortmund zurückkehren, wo er sich um die Talente kümmert.
Talentiert ist auch Ghanas Auswahl, und mit einem Schnitt von 24,4 Jahren die jüngste im Turnier. Den Afrikanern fehlte es mitunter noch an Spielordnung und Cleverness, dafür präsentierte sich das Team gerade in der Offensive als deutlich zielstrebiger und durchschlagskräftiger. Dabei waren es zunächst die Asiaten, die in der Anfangsphase für einige gefährliche Aktionen sorgten. Wie etwa durch Cho, der für den Mainzer Jae-Sung Lee ins Team gerückt war (4.). Dafür war aus der Bundesliga der Freiburger Woo-Yeong Jeong in der Startelf dabei. Zur Pause war für Jeong aber schon wieder Schluss.
Ghana gelang quasi mit der ersten Torchance gleich der Führungstreffer. Nach einem Freistoß von Jordan Ayew herrschte Verwirrung im koreanischen Strafraum, die Salisu mit einem Drehschuss ausnutzte. Auch zehn Minuten später war der zweimalige Asienmeister bei einem hohen Ball nicht auf der Höhe. Wieder leitete Ayew, dessen Bruder André Kapitän ist und ebenfalls in der Startelf stand, die Aktion ein. Kudus brauchte nur noch einköpfen. Die beiden Ayew-Brüder sind die Söhne vom früheren Olympique-Marseille-Star Abédi Pelé, der dreimal zu Afrikas Fußballer des Jahres gekürt wurde.
Südkorea wirft alles nach vorn
Im zweiten Durchgang warfen die Südkoreaner alles nach vorne und kamen durch Cho per Kopf (53.) zu einer Großchance, doch Lawrence Ati Zigi kratzte den Ball aus dem Winkel. Der Mittelstürmer, dessen Followerzahl auf dem Instagram-Account während der WM aufgrund seines Aussehens um das 20-fache in die Höhe geschnellt war, holte das Toreschießen aber schnell nach. Innerhalb von vier Minuten war er zweimal per Kopf zur Stelle und sprang damit für Superstar Heung-Min Son in die Bresche. Der Premier-League-Profi von Tottenham Hotspur, der einst unter Addo in der HSV-Jugend trainierte, ist nach seiner Fraktur über dem linken Auge ohnehin angeschlagen angereist und läuft seiner Form noch hinterher.
Doch wieder einmal wurde der Aufwand der Asiaten nicht belohnt. Auch nach dem erneuten Rückstand kam die Mannschaft von Trainer Bento zu einigen guten Gelegenheiten, doch am Ende der zehnminütigen Nachspielzeit jubelte Addo.
(dpa)