Weniger Gas für Deutschland, weniger Gas für den Westen - Gazprom reduziert die maximalen Gasliefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 in die Bundesrepublik erneut. Wie der russische Energiekonzern ankündigte, werden von Donnerstagfrüh (16. Juni) an täglich nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter durch die Leitung gepumpt.
Als Begründung für die Drosselung führt das Staatsunternehmen erneut Verzögerungen bei Reparaturarbeiten durch die Firma Siemens an - gemeint ist hier allerdings der Energietechnikkonzern Siemens Energy. Deshalb müsse eine weitere Gasverdichtungsanlage abgestellt werden. Die Folge der Ankündigung: Der Gas-Großhandelspreis legte deutlich zu.
Schon am Tag zuvor hatte Gazprom die Reduktion der maximalen Liefermenge um 40 Prozent auf zunächst bis zu 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag verkündet. Das entspricht rund 60 Prozent des bisher geplanten Tagesvolumens, das sich auf 167 Millionen Kubikmeter Gas belief.
Allerdings wies die Bundesnetzagentur die Gazprom-Angaben zurück, wonach die reduzierten Gasliefermengen auf Verzögerungen bei Reparaturen an einem Gasverdichteraggregat zurückzuführen seien.
Gas fließt vor allem durch Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland
Nord Stream 1 ist für Deutschland die Hauptversorgungsleitung mit russischem Gas. Zuvor war schon die Leitung Jamal-Europa, die durch Polen führt, nicht mehr befüllt worden. Reduziert ist auch die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine. Unter anderem durch die bisherigen Einschränkungen hatten sich die Energiepreise erhöht, weil insgesamt weniger Gas von Russland nach Europa fließt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits die 40-Prozent-Drosselung russischer Gaslieferungen als politisch motiviert eingestuft. Auch bei ihm bestehe der Eindruck, "dass das, was gestern passiert ist, eine politische Entscheidung ist, keine technisch begründbare Entscheidung", sagte Habeck am Mittwoch.
Der Vizekanzler kritisierte: "Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben. Es ist offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben."
Der Kreml hatte mehrmals die Rücknahme der westlichen Sanktionen gefordert. Ebenso ermahnte Wladimir Putin die Öl- und Gas-Kunden um Deutschland, die Rechnungen in Rubel zu begleichen, um die schwächelnde Währung zu stützen. Die Europäische Union (EU) hatte zuletzt nach einem Kohle-Embargo aus Russland auch einen Einfuhrstopp von russischem Öl - wenn auch mit Ausnahmen für einige besonders abhängige Länder - beschlossen.
Gazprom nimmt mit seinem Hinweis auf die verzögerten Reparaturarbeiten Bezug auf die Überholung der Gasturbine. Diese Maßnahme hatte der Energietechnikkonzern Siemens Energy bestätigt. Das Problem sei, dass diese aufgrund der von Kanada verhängten Sanktionen derzeit nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne.
Russland drosselt Gaslieferung - Habeck sieht kein Versorgungsproblem
Habeck stellte den Schritt in eine Reihe mit den zurückliegenden Einstellungen der Gaslieferungen an Bulgarien, Polen und Dänemark sowie der Sanktionierung von Gazprom Germania. Der ehemalige Partei-Vorsitzende der Grünen sprach von einem scheibchen- oder schrittweisen Vorgehen.
"Wir haben (...) kein Versorgungsproblem in Deutschland", versicherte Habeck zugleich. Die Auswirkungen müsse man abwarten. Den Versorgern sei es bisher immer gelungen, "Gas aus anderen Quellen aufzutreiben".
Der Grünen-Politiker betonte: "Aktuell können die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es wird aktuell noch eingespeichert. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet."
Man beobachte die Lage aber sehr genau und sei über die Krisenstrukturen in engem Austausch: "Die aktuelle Lage zeigt aber auch: Energiesparen ist das Gebot der Stunde. Und natürlich werden wir auch staatliche Maßnahmen ergreifen, wenn dies nötig ist."
Eine Sprecherin Habecks sagte, nach dem Schritt bei Nord Stream würden die Anstrengungen, die Gasspeicher in Deutschland aufzufüllen, nicht geringer. Die Stände der Gasspeicher lägen momentan bei rund 56 Prozent, so die Sprecherin.
Seit der russischen Invasion in der Ukraine arbeitet Habeck daran, die deutsche Abhängigkeit von den Rohstoffen aus Russland zu reduzieren. Gerade mit Blick auf den kommenden Winter wird ein Engpass befürchtet, dem es bereits jetzt entgegenzuwirken gilt.
Starke Preisschwankungen beim Erdgas
Nach der Mitteilung einer weiteren Drosselung legte der Gas-Großhandelspreis am Mittwoch (15. Juni) kräftig zu. Am niederländischen Handelsplatz TTF kostete im Juli zu lieferndes Erdgas am Mittwochnachmittag (15.34 Uhr) pro Megawattstunde 108,6 Euro nach 97 Euro am Vortag. Am Montag hatte der Preis noch 83,4 Euro betragen, am Mittwoch vor einer Woche 79,4 Euro.
Der Preis schwankt sehr stark. So lag er am 7. März bei 206,9 Euro. Vor einem Jahr, am 15. Juni 2021, kostete die Megawattstunde Juli-Erdgas 18,9 Euro. (mit dpa)