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Schweinefleisch: Existenzkrise der Schweinehalter: Bauern fordern höhere Preise

Schweinefleisch

Existenzkrise der Schweinehalter: Bauern fordern höhere Preise

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    Der Bauernverband schlägt wegen der sinkenden Preise für Schweinefleisch Alarm.
    Der Bauernverband schlägt wegen der sinkenden Preise für Schweinefleisch Alarm. Foto: Michael Postl

    Begeht man Josef Kastners Hof am Rande von Westendorfim Landkreis Augsburg, wirkt alles ganz beschaulich. Mehrere Landmaschinen, drei Hallen, ein Futtersilo. Und jede Menge Schweine. Etwa 2000 davon leben hier auf dem Land, kaum einen Kilometer von der B2 zwischen Nürnberg und Augsburg entfernt. Kastner, ein kleiner Mann, von 62 Jahren, betreibt diesen Hof seit über 40 Jahren. Sein Gesicht ist wettergegerbt, er trägt eine blaue Latzhose, Gummistiefel und eine hellblaue Kappe. Sein Bauernhof sieht aus, wie man sich einen guten Bauernhof vorstellt.Doch hinter den Kulissen brodelt es. Denn für Bratwürste, Hinterschinken und Schweinekoteletts zahlen die Supermärkte weniger Geld als zuvor. Und die Auflagen für Schweinezüchter werden nicht nur mehr, sondern auch teurer. Deshalb gehen sie nun auf die Barrikaden.

    Die Preise für Schweinefleisch sinken.
    Die Preise für Schweinefleisch sinken. Foto: Michael Postl

    Denn die Schweinebauer sind sauer. Das sind sie zugegebenermaßen häufig, wenn die Regierung ihre Arbeit mit Bedingungen reglementiert, doch diesmal ist der Fortbestand der Schweinezucht in Deutschland und die Existenz der Landwirte massiv bedroht. So sagen sie es zumindest selbst. "Ich mache derzeit 20 Euro Verlust - pro Schwein", rechnet Josef Kastner vor. Bei 1000 verkauften Schweinen pro Jahr macht das 20.000 Euro. Und der Trend ist kaum aufzuhalten. Der Grund für den Preisverfall: wenig Feste im zweiten Corona-Jahr, gesunkener Absatz in der Gastronomie, weniger Nachfrage in den Urlaubsgebieten und Exportbeschränkungen für deutsches Schweinefleisch wegen der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen.

    Schweinefleisch ist zu billig: Bauern fordern gleiche Bedingungen

    Denn die Auflagen sind in Deutschland weitaus strikter als in anderen Ländern, die Schweinefleisch exportieren, zum Beispiel Brasilien, das ein wichtiges Exportland für Schweinfleisch geworden ist. In Zukunft könnte sogar ein Verkauf nach Europa drohen, Kastner fände das schwierig. Immerhin müsse er wegen gesetzlicher Vorgaben unter anderem auf seine Öko-Bilanz achten, während Flüge um die halbe Welt schon beim Transport des Fleisches weitaus mehr CO2 ausstoßen als sein lokaler Betrieb. Überhaupt fühlen sich einige Bauern in ihrer Existenz bedroht. In Süddeutschland wollen einer Umfrage zufolge mehr als 70 Prozent der Sauenhalter und 55 Prozent der Schweinemäster in den kommenden zehn Jahren den Betrieb aufgeben.

    Dieses Problem sieht auch Walter Heidl. Den Vorsitzenden des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) stören aber insbesondere die gesunkenen Preise für Schweinefleisch. Deshalb fordert er ebenso wie die Staatsregierung höhere Preise für Schweinefleisch von den Supermarktketten. "Wegen der gesunkenen Erzeugerpreise die Existenz der bayerischen Schweinehaltung in Gefahr. Wir haben eine Krise, wie wir sie bis dato noch nicht gekannt haben", sagt Heidl. "Es ist eine Krise von zwei Seiten: bei den Preisen und den Kosten."

    Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatten den Lebensmitteleinzelhandel aufgefordert, den Bauern höhere Preise zu zahlen. "Handel und Verbraucher müssen Mehrleistungen unserer Bäuerinnen und Bauern auch finanziell honorieren", sagte Kaniber. "Sie brauchen eine faire Entlohnung für den Mehraufwand, damit wir auch in Zukunft regionale Erzeuger haben." Dabei geht es vor allem um die Anforderungen bei der Tierhaltung, die Aldi und andere Ketten erhöhen wollen.

    Josef Kastner betreibt einen Schweinehof in Westendorf im Landkreis Augsburg.
    Josef Kastner betreibt einen Schweinehof in Westendorf im Landkreis Augsburg. Foto: Michael Postl

    "Es wäre fatal, wenn es bereits in wenigen Jahren keinen Schweinebraten und Bratwürstchen mehr aus bayerischer Produktion gäbe, sondern aus China, Brasilien und den USA, über Großschlächtereien und Wurstfabriken außerhalb unserer Kontrollmöglichkeiten", warnte Aiwanger. "Die derzeitigen 1,25 Euro je Kilogramm Schweinefleisch sind ruinös." Es müsse ein Umdenken bei den Lebensmittelkonzernen her, fordert auch der Präsident des Bauernverbandes Heidl.

    Ist das Schweinefleisch zu billig? Konzerne wehren sich

    Das haben auch die Konzerne erkannt. Die Rewe Group zum Beispiel sei sich ihrer besonderen Verantwortung gegenüber der Landwirtschaft in Deutschland bewusst und trage dem auch Rechnung. So bestätigt die Rewe-Group auf Anfrage, dass sie seit Anfang September die über dem aktuellen Marktpreisniveau liegenden Zahlungen für Schweinefleisch deutlich erhöht habe. Zudem plane das Unternehmen bis Sommer 2022 rund 95 Prozent des konventionellen Schweinefrischfleisch-Sortiments auf deutsche Herkunft umzustellen. Der Grund: "Rewe und Penny müssen ihren Kunden wettbewerbsfähige Preise anbieten, um im Wettbewerb bestehen zu können", sagt ein Rewe-Sprecher.

    Das sehen auch die Lebensmittekonzerne Lidl und Aldi Süd so. Lidl zahlt nach eigenen Angaben trotz sinkender Nachfrage nach Schweinefleisch "unseren Lieferanten Preise über der aktuellen Schweinepreisnotierung." Zudem habe der Konzern unabhängig davon mit Handelspartnern wie Kaufland Schweinehalter der Initiative Tierwohl Ende des vergangenen Jahres mit einer Sonderzahlung von 50 Millionen Euro unterstützt. Diesem Impuls, das Preisniveau von Schweinefleisch zugunsten der Landwirte zu erhöhen, seien andere nicht gefolgt.

    Auch Aldi Süd zahle "zunächst weiterhin die Preise, die wir auch vor dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest gezahlt haben" - diese würden 15 bis 20 Prozent über dem aktuellen Schweineauszahlungs-Preisniveau liegen. Das solle auch so bleiben. Dennoch sei Aldi Süd nur Teil einer komplexen Lieferkette, landwirtschaftliche Produkte, wie Milch oder Fleisch, würden dabei naturgemäß starken Preisschwankungen unterliegen.

    Der Schweinehof in Westendorf im Landkreis Augsburg.
    Der Schweinehof in Westendorf im Landkreis Augsburg. Foto: Michael Postl

    Geländer aus Eisenstangen und graue Wände aus Plastik trennen die Schweinchen voneinander, in einer Parzelle tummeln sich um die zehn, zwanzig von ihnen. Auf einer der Abgrenzungen ist, perfekt ausbalanciert, eine Eisenstange befestigt, an deren beiden Enden eine Kette mit einem Stück Holz ist - eine Wippe im Schweinestall. Immer mal wieder zieht eines der Ferkel daran, die eine Seite der stählernen Wippe wird dann nach oben gezogen. Seit August sind diese Spielzeuge für die Tiere eine Vorgabe der Regierung, um für mehr Beschäftigung und damit für eine höhere Zufriedenheit der Tiere zu sorgen. Das Tierwohl ist jedoch nur einer der Aspekte, die sich für Schweinebäuerinnen und -bauern in der jüngeren Vergangenheit geändert haben. "Das Beschäftigungsmaterial macht nur um die 4000 Euro pro Jahr aus", sagt auch Landwirt Josef Kastner.

    Bürger spüren vom billigeren Schweinefleisch nichts

    Dennoch sind viele Bauern verunsichert, weiß deren Verbandspräsident Heidl. "Es gibt so viele Versicherungen, Auflagen und Tierwohlanforderungen - manche Bauern wissen gar nicht, was sie noch tun können und was nicht." Er fordert deshalb eine einen Stopp der Beschränkungen und eine Etikettierung des in Deutschland produzierten Schweinefleisches. Dies soll seiner Ansicht nach für ein höheres Bewusstsein für die regionale Wirtschaft sorgen.

    Die Bürger spüren laut Bauernverband von den niedrigen Erzeugerpreisen jedoch nichts: "Im Gegenteil, die Marge zwischen Landwirtschaft und Ladentheke ist gestiegen", sagte Heidl. Der Erzeugerpreis sei um 30 Cent je Kilo gesunken und der Preis an der Ladentheke um etwa einen Euro gestiegen. "Hier werden offensichtlich Gewinne zulasten der Erzeuger gesteigert."

    Die Krise kommt nach Heidls Worten in einer ohnehin vom Strukturwandel geprägten Lage. "Die Zahl der schweinehaltenden Betriebe hat sich innerhalb von zehn Jahren auf 4200 halbiert. Anders als früher ist auch die Zahl der Tiere gesunken, und zwar um etwa 20 Prozent auf drei Millionen." Es stehe sehr viel auf dem Spiel. "Es geht um die Frage, ob uns die Tierhaltung wegbricht oder nicht."

    Nach Ansicht Josef Kastners wird sie das früher oder später auch - wenn sich nichts ändert. (mit dpa)

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