Die Theatergruppe Lichtenau wagt sich erstmals an einen Klassiker der Weltliteratur – „Der Tartuffe oder Der Betrüger“ - das bekannteste Werk des französischen Dichters Jean-Baptiste Poquelin, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Molière (1622 bis 1673). Für die ambitionierte Amateurtheatergruppe hat der freischaffende Regisseur Stefan Eberle (43) das Stück gekürzt und ins Bayerische übersetzt. Die Uraufführung ist für April geplant. Eberle stammt aus Karlshuld. Nach der Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann und einigen Berufsjahren studierte er in Aachen Regie- und Schauspiel, arbeitete jahrelang am Theater in Konstanz, Ingolstadt, Zittau, Baden-Baden und an der Landesbühne in Wilhelmshaven.
Herr Eberle, Sie haben sich an eine bekannte französische Komödie aus dem 17. Jahrhundert herangetraut und sie in eine bairische Boulevardkomödie umgeschrieben – war das Ihre Idee oder die der Theatergruppe Lichtenau?
Das war meine Idee. Ich bin ein großer Molière-Fan und hatte schon länger vor, einmal etwas mit der Lichtenauer Theatergruppe zu machen. Ich kenne sie schon lange, habe ihre Stücke verfolgt und auch schon mal einen Workshop bei ihnen gegeben. Da ich zeitlich eine Lücke hatte, hat es diesmal einfach gepasst. Ich habe mir zunächst einige Stücke durchgelesen, die gerne von Laientheatergruppen gespielt werden, fand das aber sehr schwierig - das ist einfach nicht mein Humor. Molières Werke in Reimform und auf Hochdeutsch mit Laien zu spielen, das erschien mir andererseits nahezu unmöglich. So kam ich auf die Idee, den „Tartuffe“ auf Bairisch umzuschreiben.
Wie kommt man auf so was? Haben Sie schon öfter Werke der Weltliteratur bavarisiert?
Nein, das ist eine absolute Premiere für mich. Ich spiele schon lange mit dem Gedanken, ein Werk der Weltliteratur ins Bairische zu übersetzen, hatte auch schon mal an Shakespeare gedacht. Jetzt habe ich zehn Spieler, die bairisch sprechen, die Chance muss ich einfach nutzen. Natürlich beherrschen Profi-Schauspieler meist auch mehrere Dialekte, aber doch nicht so authentisch wie Laien, die in ihrem Dialekt zuhause sind. Für mich ist die Arbeit mit den Lichtenauer Theaterspielern etwas ganz Besonderes, weil ich schon viele Jahre nicht mehr mit Amateuren gearbeitet habe. Ich schätze sie sehr, denn sie opfern ihre Freizeit für die Kunst. Die haben genauso viel Bock darauf wie ich, deshalb passen wir so gut zusammen.
Was hat Sie an „Tartuffe“ von Molière so gereizt?
„Tartuffe“ ist einfach das Stück der Stunde. Es geht um einen Heuchler, einen Scheinheiligen, der sich der klugen Rede, ich nenne es jetzt mal der populistischen Rede, bedient, um sich in die Gesellschaft einzuschleichen. Die Familie des Orgon ist der Mikrokosmos der Gesellschaft, der sich in die heutige Zeit übertragen lässt, wo Populisten am Drücker sind.
Womit wir beim aktuellen Bezug wären – was hat das Stück uns heute noch zu sagen?
Scheinheiligkeit, Populismus, das ist das Thema unserer Zeit. Leuten, die so großtun und sich in den Vordergrund stellen, glaubt man mehr als denen, die bescheiden im Hintergrund arbeiten. So bekommt man das Gefühl, die Welt sei schlechter geworden. Dabei werden Millionen Menschen, die täglich Gutes tun, schlicht übersehen. Ich mache gerne politisches Theater, aber nicht mit dem Holzhammer. Das will auch keiner hören oder sehen. Ich versuche, Denkanstöße zwischen den Zeilen zu geben. Durch die bairische Übersetzung wird der „Tartuffe“ noch authentischer, finde ich.

Wie sind Sie beim Umschreiben vorgegangen?
Ich habe vier verschiedene deutsche Übersetzungen als Grundlage genutzt. Sie unterscheiden sich zum Teil ziemlich - abhängig von der Zeit, als sie entstanden. Im Ergebnis bin ich Molière dadurch sehr treu geblieben, weil ich mir aus mehreren Übersetzungen und Interpretationen das Wesentliche herausholen konnte. Ich denke, Molière wäre zufrieden. Das Spannende dabei ist, dass ich weiß, dass die Geschichte im originalen Versmaß funktioniert, aber ob auch auf Bairisch? Ich habe mir ein regelrechtes Dialekt-Lexikon selbst geschrieben, weil es keine Schreibregeln dafür gibt. Mir war aber wichtig, die Wörter immer gleich zu schreiben.
Sie mussten gewaltig kürzen, um auf Ihre eigene Vorgabe von 1,5 Stunden zu kommen – wie schaffen Sie das?
Wie lange wir tatsächlich brauchen, weiß ich noch nicht, aber ja, ich sage immer, dass ein Theaterstück nicht länger als 1,5 Stunden dauern sollte. Das Gute ist, dass wir im Bairischen mit drei Wörtern dasselbe aussagen können, wofür Molière eine ganze Seite braucht. Ich konzentriere mich beim Kürzen auf den Hauptstrang und frage mich, was diesem dienlich ist.
Mit einem Verbot wie damals zur Erstaufführung am Hofe des Sonnenkönigs müssen Sie wahrscheinlich nicht rechnen?
Die Geschichte der Uraufführung am Hof des Sonnenkönigs finde ich total interessant. Das Ende, das Molière geschrieben hatte, gefiel dem König nicht, sodass der Autor ein neues Ende schreiben musste. Ich fand das so spannend, dass ich beide, den vom König und den von Molière gewünschten Schluss, als Rahmengeschichte mit eingebaut habe.
Das klingt spannend. Noch ein Satz zu den Schauspielern: Schreiben Sie die Rollen ihnen auf den Leib oder wie haben Sie die Charaktere besetzt?
Ich habe zuerst ein Casting mit Textlesen und Spaßübungen zum Kennenlernen gemacht, weil in letzter Zeit viele neu zur Theatergruppe Lichtenau gestoßen sind und ich etwa die Hälfte noch nicht kannte. Danach habe ich die Rollen verteilt. Die Titelrolle spielt Dieter Schmiedl. Er wird viele originale Molière Texte - gereimt und in hochdeutscher Übersetzung – sprechen. Das macht Sinn, da „Tartuffe“ nicht in die Gesellschaft passt, in die er sich eingeschlichen hat.
Was können die Zuschauer von Ihrem „Tartuffe“ erwarten?
Aus meiner Sicht ist der „Tartuffe“ eine der lustigsten Theaterkomödien, die jemals geschrieben wurden. Eine schwarze Komödie, die völlig ohne Verwechslungen oder Slapsticks auskommt. Der Humor entsteht dadurch, wie die Figuren miteinander verhandeln, wobei eine gewisse Tragik dahintersteckt.
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