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Vorm Verfall gerettet: Familie Stemmer belebt Bauernhaus-Denkmal in Ehekirchen

Ehekirchen

Bauernhof-Ruine wird Vorzeige-Denkmal: Mit ganz viel Mut ins eigene Haus

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    Steiles Dach, Biberziegel, Sprossenfenster und an den Seiten Zahnfries: Das historische Bauernhaus der Stemmers in Ehekirchen-Buch ist von 1583 – und so alt wie kein anderes in der gesamten Region.
    Steiles Dach, Biberziegel, Sprossenfenster und an den Seiten Zahnfries: Das historische Bauernhaus der Stemmers in Ehekirchen-Buch ist von 1583 – und so alt wie kein anderes in der gesamten Region. Foto: Anika Zidar

    Der Zauber ist ungebrochen: Wenn Lydia und Stephan Stemmer durch ihr Bauernhaus bei Ehekirchen führen, funkeln die Augen vor Eifer und Stolz. Das Denkmal von 1583 haben die beiden vor sechs Jahren als leerstehende Ruine in baufälligem Zustand gekauft. Nun strahlt das Juwel im Herzen des Ortsteils Buch mit dem kalkweißen Außenputz und den moosgrünen Fensterläden. Doch nicht nur das Bauernhaus, auch die Hausbesitzer haben sich in der Bauzeit verwandelt: Versicherungsmakler Stephan Stemmer wurde zum Chefverhandler gegenüber Architekten und Denkmalamt – und Lydia Stemmer zur Bauleiterin und Hüterin historischer Schätze. Nun erhielten die beiden die Bayerische Denkmalschutz-Medaille. Dabei hatten sie bei der Immobiliensuche zunächst gar nicht an ein Denkmal gedacht.

    Alteingesessene rund um Ehekirchen kennen es vielleicht noch aus der Jugend: das Gasthaus „Zur Beck“ in der Ortsmitte von Buch. Bis Ende der 80er Jahre war die Wirtschaft gegenüber der Pfarrkirche St. Michael das Herzstück des Dorfes. Auch aus den umliegenden Ortschaften hätten sich über Jahrzehnte die Bürger im Wirtsraum des Bauernhauses versammelt, erzählt man sich. Dann wurde die Gaststube geschlossen, verschiedene Mieter gaben sich die Klinke in die Hand und mit dem Anwesen ging es bergab. An die Wirtshaus-Vergangenheit erinnert heute nur noch ein kleines Schild an der Tür zum Wohnzimmer.

    Das kleine Schild an der Tür zum Wohnzimmer erinnert noch an die Gaststube, die bis Ende der 80er Jahre hier untergebracht war.
    Das kleine Schild an der Tür zum Wohnzimmer erinnert noch an die Gaststube, die bis Ende der 80er Jahre hier untergebracht war. Foto: Anika Zidar

    Bauernhaus in Ehekirchen-Buch: Wie die Ruine verwandelten sich auch die Bewohner

    Durch die Tür in die Küche geht Stephan mit leicht eingezogenem Kopf, seine Frau Lydia sagt: „Vielen wären die Türen zu urig oder zu niedrig, aber für uns sind sie perfekt. Das Alte, das Rustikale wollen wir ja erhalten!“ Für manche Bauherren sei es nicht einfach, die eigenen Vorstellungen vom Traumhaus mit dem Denkmalschutz zu vereinen, sagt die 38-Jährige. Auch Stephan plagte anfangs mancher Zweifel: „Puh, ein Denkmal könnte herausfordernd werden.“ Schließlich haben beide keine handwerkliche Ausbildung. „Aber ungeschickt sind wir auch nicht“, stellt Lydia klar und sagt, der Charme des Denkmals habe sie einfach gepackt: „Wir standen vor der Ruine und konnten uns vorstellen, dass was Schönes draus wird.“

    In diesem Bauernhaus in Ehekirchen-Buch war bis Ende der 80er-Jahre ein Gasthof beheimatet. Dann schloss die Wirtschaft, es wechselten die Pächter des Geländes und mit dem Anwesen ging es bergab.
    In diesem Bauernhaus in Ehekirchen-Buch war bis Ende der 80er-Jahre ein Gasthof beheimatet. Dann schloss die Wirtschaft, es wechselten die Pächter des Geländes und mit dem Anwesen ging es bergab. Foto: Sammlung Familie Stemmer

    Ursprünglich hatten die Stemmers das bei ihrer Immobiliensuche nicht einkalkuliert, sagt Lydia: „Wir wollten kein Denkmal, sondern einen Hof. Für uns als Selbstversorger und mit drei Kindern war viel Platz sehr wichtig.“ Kurz nachdem sie das Objekt in Buch entdeckt hatten und lange bevor ein Kauf infrage kam, schalteten sie Experten ein, erinnert sich Stephan. „Der Architekt hat schon Geld gekostet, noch bevor wir das Haus überhaupt betreten haben“, sagt der 40-Jährige und schmunzelt. Auch mit dem Denkmalamt seien sie ins Gespräch gekommen, sobald sie die Grundrisse kannten. „Das war nicht die schlechteste Idee, so konnten wir einschätzen, was möglich ist.“

    Generalkonservator Mathias Pfeil und Bayerns Kunstminister Markus Blume haben Stephan und Lydia Stemmer mit der Denkmalschutz-Medaille geehrt. Die Söhne Julius (6), Vinzent (9) und Erik (11) waren dabei.
    Generalkonservator Mathias Pfeil und Bayerns Kunstminister Markus Blume haben Stephan und Lydia Stemmer mit der Denkmalschutz-Medaille geehrt. Die Söhne Julius (6), Vinzent (9) und Erik (11) waren dabei. Foto: Axel König/StMWK

    Doch auf die Vorfreude folgte der Schock: Die Stemmers hatten sich gerade für die Bauernhof-Ruine entschieden, da kam ihnen ein anderer Bewerber zuvor. „Der Traum war geplatzt, gegenüber professionellen Investoren konnten wir als Familie nur verlieren.“ Ihr drittes Kind war auf dem Weg, im Wohnhaus in Stepperg wurde es eng, also fanden die Stemmers Mitte 2017 in einem Haus in Konstein eine Alternative. Was sie da nicht wussten: Nicht um das denkmalgeschützte Bauernhaus selbst ging es den Münchner Investoren, man wollte die Scheune nebenan auf dem Gelände zu fünf Wohnungen ausbauen.

    Deal mit Investoren aus München platzt: Bauernhaus in Buch ist frei für Familie Stemmer

    Ein Glück für die Stemmers, eine überraschende Wende: Der Deal mit den Wohnungen platzte, das Anwesen in Buch war wieder zu haben. Der Anruf vom Denkmalamt kam im Dezember 2017, als die Stemmers gerade eine Nacht im neuen Konsteiner Heim verbracht hatten, sagt Stephan: „Mein erster Gedanke war: Das hat sich erledigt, wir haben doch ein Haus.“ Zunächst haben beide den großen Traum verdrängt, erinnert sich Lydia: „Ich hatte frisch entbunden, war mit unserem jüngsten Sohn im Wochenbett und hatte pures Chaos im Kopf. Trotzdem wusste ich insgeheim, dass wir ins Bauernhaus ziehen.“

    Hals über Kopf verkauften die Stemmers das Haus in Konstein, unterschrieben den Kaufvertrag für das historische Anwesen und zogen Mitte 2018 nach Buch – vorübergehend in einen Drei-Zimmer-Wohncontainer, den sie auf dem Gelände abgestellt hatten. Was folgte, waren zwei Jahre lang bauhistorische Voruntersuchungen, erzählt Lydia: „Es war verrückt: Das Haus gehörte uns zwar, aber wir durften nichts anfassen, denn der Architekt musste erst prüfen, was denkmalrechtlich vorhanden ist.“ Fenster, Türen, Lacke, Bohrungen im Dachstuhl oder Spuren im Gewölbekeller – hinter vielen Details offenbarte sich Geschichte.

    Durch die Luke und über die Treppe geht es in den alten Gewölbekeller: Auch hier haben die Stemmers noch alte Habseligkeiten der Vorbesitzer entdeckt.
    Durch die Luke und über die Treppe geht es in den alten Gewölbekeller: Auch hier haben die Stemmers noch alte Habseligkeiten der Vorbesitzer entdeckt. Foto: Anika Zidar

    Während Nachbarn und Bekannte kaum einen Fortschritt wahrnahmen, gab es hinter den Kulissen Begehungen, Bauanträge und viel Schriftverkehr mit dem Denkmalamt, sagt Stephan: „Bei uns waren es ein paar Wege mehr, aber wir haben immer gespürt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Ende 2020 starteten die Stemmers mit dem Bau – wo sie konnten, packten sie selbst an: Dach und Dachstuhl mussten runderneuert, im Erdgeschoss die Räume um 40 Zentimeter tiefer gegraben und die historischen Fenster mit Leinölfarbe repariert werden. Wo nötig, kamen neue Fenster hinein, die den alten nachempfunden wurden. Elektrik und Wasser haben Handwerker komplett in den Boden verlegt, um die historischen Wände zu schonen. Kalkputz und Sumpfkalkfarbe veredeln schließlich die Innen- und Außenwände des Bauernhauses.

    Noch steht das Obergeschoss im Bauernhaus der Stemmers leer. Hier will Stephan Stemmer bis Jahresende drei Kinderzimmer ausbauen.
    Noch steht das Obergeschoss im Bauernhaus der Stemmers leer. Hier will Stephan Stemmer bis Jahresende drei Kinderzimmer ausbauen. Foto: Anika Zidar

    Münzen, Rosenkränze, Engelswasser: Bauernhaus in Ehekirchen birgt Überraschungen

    Beim Ausgraben der Räume erlebten die Stemmers allerhand Überraschungen, sagt Lydia: „Wir haben Böden herausgerissen, dann kam Sand – und weiter unten sind wir wieder auf Stein gestoßen.“ Aber auch Habseligkeiten aus früheren Zeiten sind während der Bauzeit aufgetaucht: „Unter den Dielen im Flur haben wir alte Schuhe, Rosenkränze, Engelswasser, alte Münzen und Tonscherben gefunden.“ Die Schätze aus alten Zeiten hat Lydia aufgehoben: „Ich will sie instand setzen und als Deko wieder ins Haus holen.“

    Ende 2022 war es soweit: Nach vier Jahren im Wohncontainer nebenan haben die Stemmers endlich das Erdgeschoss ihres Bauernhauses bezogen. Bis Ende dieses Jahres will Stephan hauptsächlich in Eigenarbeit das Obergeschoss mit drei Kinderzimmern ausbauen. Insgesamt 200 Quadratmeter Wohnfläche haben sie dann zur Verfügung und dazu 5000 Quadratmeter Garten. Auf ihrem großen Hof wollen die Stemmers auf lange sesshaft werden – möglichst auch über mehrere Generationen, sagt Stephan und scherzt: „Das Haus hat 500 Jahre überdauert, im besten Fall hält es nochmal 500 Jahre.“

    Die Stemmers in ihrem Gemüsegarten: Gerade der wunderbare Garten hat die Familie aus Stepperg von dem denkmalgeschützten Bauernhaus überzeugt.
    Die Stemmers in ihrem Gemüsegarten: Gerade der wunderbare Garten hat die Familie aus Stepperg von dem denkmalgeschützten Bauernhaus überzeugt. Foto: Anika Zidar
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