Der Angeklagte „war bereit, den Tod des Opfers in Kauf zu nehmen”, sagte der Vorsitzende Richter Michael Hauber bei der Urteilsbegründung. Dennoch hat das Ingolstädter Landgericht am Dienstag den 47-jährigen Hundebesitzer, der auf einen Radfahrer eingeprügelt hat, nachdem dieser über seine Hundeleine gestürzt war, nicht wegen versuchten Totschlags verurteilt.
Ein Radfahrer war in Ingolstadt über eine Hundeleine gestürzt
Der Ingolstädter war am 15. Dezember vergangenen Jahres gegen 22.30 Uhr mit seinen beiden Hunden, einem Pekinese-Dackel-Mischling und einer Pekineser Hündin, in der Goethestraße unterwegs. Als einer der Hunde zum Grünstreifen direkt neben der Straße lief, blieb er auf dem Gehweg stehen - mit der Leine in der Hand. Den Radfahrer, der sich von hinten auf dem dazwischen liegenden Radweg näherte, bemerkte er erst, als es zu spät ist: Der 45-jährige Lagerhelfer blieb an der Leine hängen und stürzte, erlitt aber nur oberflächliche Verletzungen. Obwohl seine Hunde wohlauf sind, war der Hundebesitzer über das Verhalten des Radfahrers erbost. „Der fährt nie wieder auf der falschen Seite”, soll er bei seiner späteren Festnahme zu einem der Polizisten gesagt haben.
Wie der Angeklagte beim Prozessauftakt vergangene Woche eingeräumt hat, hat er auf das Gesicht des am Boden liegenden Radlers mit der Faust eingeschlagen und mit seinen Sicherheitsschuhen mit Stahlkappen eingetreten. Die körperlichen Verletzungen des Lagerhelfers sind weitgehend ausgeheilt. Allerdings leidet er nach eigenen Angaben noch unter Angstzuständen, speziell beim Radfahren. Daran, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen war, hatte auch sein Verteidiger Felix Hägele keine Zweifel. Allerdings war Hägele davon überzeugt, dass sein Mandant nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt hat. Dem schloss sich das Gericht nicht an: Selbst wenn keine akute Lebensgefahr bestanden habe, seien Tritte mit massiven Schuhen gegen den Kopf lebensbedrohlich. Das wisse jeder, betonte der Richter Hauber. Dass es dem Angeklagten nur um eine „Abreibung” aus Sorge um seine Hunde gegangen sei, ändere daran nichts.
Der Hundehalter aus Ingolstadt war ursprünglich wegen versuchten Totschlags angeklagt
Auch Staatsanwalt Sebastian Metz war vom Tötungsvorsatz ausgegangen, hat aber für einen Rücktritt vom Totschlagsversuch plädiert. Dafür reicht es, wenn ein Täter, der erkennt, dass er noch nicht alles getan, um den Tod herbeizuführen, von seinem Opfer freiwillig ablässt. Es sei nicht sicher, wann und warum der Angeklagte zu schlagen und zu treten aufgehört habe, argumentierte Metz, der in der Anklage noch von einem versuchten Totschlag ausgegangen war.
Gegen einen Rücktritt haben die Aussagen zweier 19-Jähriger gesprochen, die zum Tatzeitpunkt stadteinwärts unterwegs waren und aus dem Auto heraus gerufen haben: „Schleich’ dich.” Ob der Angeklagte den Ruf allerdings gehört und darauf reagiert hat, konnte nicht geklärt werden. Auf einem Video, das einer der beiden 19-Jährigen gedreht hat, ist zu sehen, dass der Angeklagte den Tatort mit seinen Hunden verlässt - „seelenruhig”, wie Richter Hauber es formulierte. Hinzu komme, so Hauber weiter, dass es sich von Anfang an um „keine heimliche Tat” gehandelt habe. Dass der Angeklagte die weitere Tatausführung freiwillig aufgegeben hat, sei nicht widerlegbar.
Von der bereits vollendeten Körperverletzung konnte der arbeitslose, sechsfach vorbestrafte Ingolstädter allerdings nicht mehr zurücktreten. Für drei Jahre und acht Monate muss der 47-Jährige deshalb in Haft. Die Strafkammer blieb damit ein Jahr und zwei Monate unter der Strafvorstellung der Staatsanwaltschaft, aber deutlich über der von Verteidiger Hägele beantragten Strafe von zwei Jahren auf Bewährung: Eine Bewährungsstrafe sei „gänzlich fernliegend”, so Hauber.
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