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Unterhausen/Neuburg: 75 Jahre Vespa: Fans aus dem Landkreis erzählen von ihrer Leidenschaft

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75 Jahre Vespa: Fans aus dem Landkreis erzählen von ihrer Leidenschaft

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    Florian Tylla (rechts) kniet neben seiner Vespa mit Originallack „verde paraggi“. Neben ihm sitzt seine Freundin Milena Lichtblau auf ihrem Modell „shocking pink“. Simon Ettinger steht neben seiner Bayern-Vespa mit Lederhosen-Sitzbank. Die drei schrauben alle gerne und viel an ihren Rollern.
    Florian Tylla (rechts) kniet neben seiner Vespa mit Originallack „verde paraggi“. Neben ihm sitzt seine Freundin Milena Lichtblau auf ihrem Modell „shocking pink“. Simon Ettinger steht neben seiner Bayern-Vespa mit Lederhosen-Sitzbank. Die drei schrauben alle gerne und viel an ihren Rollern. Foto: mad

    „Sie ist einfach perfekt“, sagt Florian Tylla. „Kein unnötiger Schnickschnack. Und dann der Geruch beim Anlassen...“ Mit der Hand zeichnet der 34-Jährige die markanten Rundungen des wohl berühmtesten Rollers in der Luft nach. Vier Stück stehen vor seiner kleinen Werkstatt in Unterhausen. Florian Tylla kennt sie in- und auswendig, denn er hat sie alle komplett zerlegt, Motoren repariert, lackiert. Eine Leidenschaft, die den jungen Mann aus Unterhausen zu einer kleinen Berühmtheit in der Szene gemacht hat. Aber dazu später mehr.

    Am 23. April 1946 meldete der italienische Flugzeughersteller Piaggio ein neues Patent an. Es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, die Firma durfte keine Flugzeuge mehr bauen und entschied sich für ein motorisiertes Zweirad für jedermann. Heute, 75 Jahre später, ist die Vespa ein Kultobjekt mit Fanszene, Messen, Treffen und Liebhabern auf der ganzen Welt. Florian Tylla ist einer von vielen. Und einer, der auf Umwegen zur Vespa-Liebe kam.

    Wenn die Gruppe aus Unterhausen gemeinsam auf Tour ist, fallen sie überall auf.
    Wenn die Gruppe aus Unterhausen gemeinsam auf Tour ist, fallen sie überall auf. Foto: mad

    Eigentlich fing alles damit an, dass ein Freund von Tylla mit 15 Jahren einen Roller bekam. „Ich habe dann den Mofaführerschein gemacht und bin einen Automatik-Roller gefahren.“ Was damals in der ländlichen Gegend schlicht praktisch war, um von A nach B zu kommen, entwickelte sich bei Tylla zum ausgewachsenen Hobby. Er selbst sagt, es sei fast ein bisschen aus der Not geboren worden. Denn als Schüler oder Lehrling war kein Geld da für teure Reparaturen. „Also haben wir halt selbst gebastelt und geschraubt“, erinnert sich Tylla. Allerdings ging das, was Tylla mit seinen Rollern anstellte, weit über „ein bisschen dran rumschrauben“ hinaus.

    Wenn Florian Tylla sagt „Ich zeig mal was“, dann kramt er nicht etwa alte Fotos hervor, sondern einen Stapel Zeitschriften. Roller Fahrer, Die Wespe, Motoretta alle haben Bilder seiner ausgefallen gestalteten Roller abgedruckt, einmal sogar in Postergröße. Selbst in einer japanischen Zeitung wird er genannt. Er gewinnt Preise und – verliert die Lust. „Irgendwann war einfach Schluss damit. Die Roller, die ich damals umgebaut habe, waren nichts mehr für die Straße und dann hab ich mir was Neues gesucht“, erzählt der gelernte Zimmerer.

    In zahlreichen Fachzeitschriften sind die teilweise preisgekrönten Modelle von Florian Tylla zu sehen.
    In zahlreichen Fachzeitschriften sind die teilweise preisgekrönten Modelle von Florian Tylla zu sehen.

    Gesucht und gefunden hat der damals 23-Jährige die Oldtimer-Vespa-Modelle der Firma Piaggio aus Italien. Mittlerweile arbeitet Tylla in der Produktion, mal Frühschicht, mal Spätschicht – auf jeden Fall hatte er immer etwas Zeit, um in der eigenen Werkstatt an den Rollern zu basteln. „Das Schöne ist, dass es bei den Vespa-Oldtimern viel mehr Möglichkeiten gibt, etwas zu schrauben.“

    Wenn Tylla etwas anfängt, an dem er Spaß hat, macht er es richtig. Das sei schon als Kind so gewesen, beim BMX fahren, bei den Automatikrollern und jetzt bei den Vespas, die Tylla „Vespen“ nennt. Der Name kommt von der Gruppe auf WhatsApp, die sich „Vespennest“ nennt und sobald das Wetter es zulässt, gemeinsam auf den Kultrollern durch den Landkreis fährt. Ein Verein sind sie nicht. „Wir wollten keine Satzung, Kassenwart und so weiter. Wir wollen einfach nur zusammen fahren. Wer mitkommen will, kommt mit.“

    Neuburger HighRollers gründeten sich 2016

    Wie schön ist es, wenn man eine Leidenschaft teilt und diese auch noch gemeinsam ausleben kann, wissen auch die Mitglieder der HighRollers, eine Sparte des Motorclubs Neuburg, in der sich alles um die kleine italienische Wespe dreht. Die HighRollers gibt es seit März 2016. Bereits ein halbes Jahr vorher hatten sich neun Vespa-Fans zu einem regelmäßigen Stammtisch getroffen, um Erfahrungen und Ersatzteile auszutauschen.

    Gerngesehene Gäste sind die Mitglieder der Vespa HighRollers aus Neuburg auch bei Oldtimer-Veranstaltungen.
    Gerngesehene Gäste sind die Mitglieder der Vespa HighRollers aus Neuburg auch bei Oldtimer-Veranstaltungen. Foto: mad

    Zugpferd dieses Zusammenschlusses war Peter Imhof. Aus der spontanen Idee entstand Dank seines Engagements eine neue Sparte des Motorclubs. Gegründet bei der Jahreshauptversammlung 2016, umfasst sie heute rund 30 sehr aktive Mitglieder – Männer wie Frauen, alle Altersgruppen, bei den Vespas wie auch bei deren Fahrern. Auch Nicht-Vereinsmitglieder sind bei den Ausfahrten willkommen. Neben Ausflügen und Besuchen von Veranstaltungen organisierten die HighRollers im Juli 2017 das erste Vespa-Treffen in Neuburg. Seither haben drei solcher überregionalen Treffen stattgefunden.

    Nach dem plötzlichen Tod von Peter Imhof haben sein Sohn Christian, Dieter Seehofer und Josef Kloiber die Führung der Abteilung übernommen. Im Jubiläumsjahr hätten sie ihre „Wespen“ gerne gefeiert. Aber die Planungen für ein viertes Vespa-Treffen in Neuburg wurden auf Eis gelegt. Zu unsicher sei die Entwicklung wegen der Pandemie, so Christian Imhof. Sämtliche Aktivitäten sind eingefroren. Sobald Lockerung in Sicht ist, ist neben dem Stammtisch auch ein Reparaturcontainer auf dem Gelände des Motorclubs geplant. Denn die gegenseitige Hilfe bei technischen Problemen und der Austausch an Ersatzteilen stehen ganz oben auf der Aktivitätenliste.

    Unterhausen: Bayern-Vespa mit Lederhosen-Sitz

    Das alles schätzt man auch in der Gruppe rund um Florian Tylla. Viele Freunde kommen mit den Wehwehchen ihrer Roller zu ihm in die Werkstatt, um gemeinsam zu basteln und zu schrauben, bis die Vespa wieder knattert. Fünf Modelle besitzen Tylla und seine Freundin Milena Lichtblau. Im Freundeskreis haben viele mehrere Vespas in der Garage stehen. „Falls mal eine kaputt ist“, sagt Simon Ettinger, bester Freund von Tylla und – wie kann es anders sein – Vespa-Fan. Sein Liebling: 50 Kubik, lackiert im bayrischen Rautenmuster, der Sitz genäht aus seiner abgetragenen Lederhose. Die Bayern-Vespa war, bevor sie den beiden Schraubern in die Hände fiel, quasi klinisch tot. Nichts funktionierte mehr. „Wir haben sie dann wieder hergerichtet“, erzählt Ettinger.

    Aber nicht nur Freunde und Bekannte suchen mittlerweile bei Tylla Rat. „Manchmal rufen auch Händler an und fragen, wie ich dies oder jenes Problem lösen würde“, sagt Tylla. Man hilft sich in der Szene. Denn die Gemeinschaft ist fast so wichtig wie die Roller selbst. Und so knattern sie schon mal mit 20, 30 Leuten über die kleinen Straßen, denn Bundesstraßen und Autobahnen sind tabu.

    Vespa-Fan plant bereits neues Projekt

    „Man muss sich eben vorher die Route überlegen“, sagt Milena. Natürlich käme niemand auf die Idee, einen Handyhalter an die Vespa zu klemmen. Die Freundin von Tylla schaut ihrem Freund übrigens nicht beim Schrauben zu, sondern werkelt gerne selber an den Blechrollern. Ihre Vespa ist ein ganz besonderes Modell. „Shocking Pink“ heißt die Farbe. Wegschauen geht da gar nicht. Das Besondere: Die Farbe ist original und daher sehr selten. Da in den Jahren 1966 und 1967 das auffällige Pink kein Renner wurde, stellte man das Farbmodell bald ein.

    Ob auch in Sachen Vespa bei Florian Tylla bald die Lust vergeht und ein neues Hobby her muss? Wohl kaum. Tylla plant schon das nächste Projekt. Eine 50-Kubik-Karosserie mit einem 300-Kubik-Motor, eine Spezialanfertigung eines Freundes aus Italien. Der Motor soll dem Roller dann 60 bis 80 PS Leistung bringen. „Das ist natürlich nichts für die Straße“, betont Tylla. Eher für Vespa-Treffen, wo es einen Prüfstand gibt, um zu zeigen, was man rausholen kann.

    Und auch Simon Ettinger hat Großes vor. Er träumt davon, mit seiner Bayern-Vespa auf den Großglockner zu fahren. Viele interessierte Blicke sind ihm auf der Tour schon mal gewiss.

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