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Fußball: Der „Schiedsrichter-Gipfel“ mit Jonas Krzyzanowski (Neuburg) und Johannes Wagner (Ingolstadt)

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Der „Schiedsrichter-Gipfel“ mit Jonas Krzyzanowski (Neuburg) und Johannes Wagner (Ingolstadt)

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    Haben für ihr junges Alter schon eine beeindruckende Schiedsrichter-Karriere hingelegt: Johannes Wagner (links/Gruppe Ingolstadt) und Jonas Krzyzanowski (rechts/Gruppe Neuburg).
    Haben für ihr junges Alter schon eine beeindruckende Schiedsrichter-Karriere hingelegt: Johannes Wagner (links/Gruppe Ingolstadt) und Jonas Krzyzanowski (rechts/Gruppe Neuburg). Foto: Dirk Sing

    Sie sind nicht nur die Aushängeschilder ihrer jeweiligen Schiedsrichtergruppe, sondern zugleich deren Hoffnungsträger: Jonas Krzyzanowski (22/Gruppe Neuburg) und Johannes Wagner (23/Ingolstadt). Die Neuburger Rundschau hat die beiden Spitzen-Unparteiischen zum großen „Schiedsrichter-Gipfel“ zusammengebracht und mit ihnen unter anderem über die Fußball-Europameisterschaft, das leidige Thema Handspiel sowie ihre persönlichen Höhepunkte gesprochen.

    Jonas Krzyzanowski, Johannes Wagner, wie intensiv habt ihr bislang die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland verfolgt?

    Jonas Krzyzanowski: Bei mir hing es in erster Linie immer davon ab, wie ich es mit meinem Beruf vereinbaren konnte. Natürlich habe ich versucht, vor allem die Partien der deutschen Mannschaft anzuschauen. Die übrigen Spiele habe ich dann, wenn die Gelegenheit da war, hin und wieder verfolgt.

    Johannes Wagner: Ich hatte – was das Thema Beruf betrifft – etwas mehr Glück als Jonas (lacht). Nachdem ich bis zuletzt noch Schüler war, habe ich mir schon den überwiegenden Teil der Begegnungen angesehen.

    Schaut ihr dann diese Partien als Fußballfan oder mehr aus der Sicht eines Schiedsrichters an?

    Wagner: Ich würde sagen, dass ich die Deutschland-Spiele hauptsächlich als Fan, die restlichen Begegnungen dafür mehr als Schiedsrichter betrachte. Mein Blick richtet sich dann in erster Linie schon auf das Unparteiischen-Gespann. Das ist bei mir mittlerweile automatisch.

    Krzyzanowski: Mir geht es genau so wie dem Johannes. Den Blick eines Schiedsrichters kann man bei solchen Partien schlichtweg nicht ablegen. Man hinterfragt die Entscheidungen, beobachtet den Unparteiischen hinsichtlich seiner Laufwege, Persönlichkeit, Stellungsspiel oder auch Kommunikation.

    Wie beurteilt ihr die bisherigen Leistungen der Referees bei dieser Europameisterschaft?

    Wagner: Im Großen und Ganzen bin ich schon der Meinung, dass es sehr gut gelaufen ist. Im Nachhinein gibt es sicherlich immer Szenen, die man nochmals besprechen muss – wie beispielsweise die Handszene im Viertelfinalspiel der deutschen Mannschaft gegen Spanien, die ja hierzulande sehr emotional diskutiert wurde. Was mir auch gut gefallen hat, war die Änderung, dass nur noch der Kapitän eines Teams mit dem Schiedsrichter sprechen durfte. Das hat viele Diskussionen bereits im Keim erstickt. Insgesamt haben die Unparteiischen das beste Niveau, das man in Europa haben kann, verkörpert.

    Krzyzanowski: Ich kann mich Johannes nur anschließen. Was mich persönlich auch noch sehr freut, ist die Tatsache, dass mit Felix Zwayer ein deutscher Schiedsrichter das Halbfinale zwischen England und den Niederlanden geleistet hat. Dass man als Unparteiischer so weit kommt, ist keine Selbstverständlichkeit und untermauert diese starke Leistung.

    So geht’s nicht: Jonas Krzyzanowski zieht hier im Regionalliga-Spiel zwischen Nürnberg II und Buchbach die Gelbe Karte.
    So geht’s nicht: Jonas Krzyzanowski zieht hier im Regionalliga-Spiel zwischen Nürnberg II und Buchbach die Gelbe Karte. Foto: imago/Zink

    Johannes hat die strittige Szene im Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien bereits angesprochen. Konkret gefragt: War es aus eurer Sicht ein strafbares Handspiel des Spaniers Marc Cucurella und damit ein Strafstoß für die DFB-Auswahl?

    Wagner: Ich glaube, dass sich Schiedsrichter Anthony Taylor bei der Bewertung dieser Szene einfach absolut sicher war. Deshalb hat er wohl auch darauf verzichtet, sich diese Szene nochmals anzuschauen. Allerdings kann ich nicht sagen, wie die konkrete Konversation zwischen ihm und dem VAR tatsächlich verlief. Sollte der VAR gesagt haben, dass es sich dabei um keine konkrete Fehlentscheidung gehandelt habe, dürfte es für Taylor wohl auch keinen Grund gegeben haben, sich das Ganze erneut anzusehen. Hätte er sich die Szene allerdings doch angeschaut, weiß ich nicht, wie er dann entschieden hätte.

    Krzyzanowski: Das sehe ich auch so! Das Stellungsspiel von Taylor bei dieser Aktion war überragend. Besser kann man sich eigentlich überhaupt nicht hinstellen, da er eine völlig freie Sicht hatte. Klar ist auch, dass es definitiv keine „Schwarz-Weiß-Szene“ ist. Das sieht man alleine schon daran, wie viel und lange darüber allerorts diskutiert wurde. Es wurden dabei sowohl Pro- als auch Contra-Argumente gesucht. Und nachdem es eben keine klare Angelegenheit war, wird letztlich auch der VAR nicht eingegriffen haben. Der Video-Beweis ist ja unter dem Strich ausschließlich dafür da, klare Fehlentscheidungen zu vermeiden beziehungsweise entsprechend zu korrigieren.

    Nochmals konkret gefragt: Hättet ihr in diesem Moment als Schiedsrichter auf Elfmeter entschieden?

    Wagner: (lacht) Es handelt sich dabei oftmals um eine Bauchentscheidung, die man innerhalb kürzester Zeit treffen muss. Letztlich muss man eigentlich immer selbst am Spiel teilnehmen, um eine solche Entscheidung zu fällen.

    Krzyzanowski: Was auch noch hinzukommt und immer wieder unterschätzt wird: Der Schiedsrichter hat in einer solchen Begegnung einen unglaublichen Druck. Die Fußball-Welt schaut im Fernsehen zu, das Stadion ist ausverkauft und man befindet sich in einem EM-Viertelfinale. Dann in einem Bruchteil einer Sekunde Entscheidungen zu treffen, ist eine Sache, die nicht jeder kann und – wie ich gerade schon gesagt habe – oftmals leider unterschätzt wird.

    Das Thema Handspiel begleitet den Fußball bereits seit Jahrzehnten. Was macht es eurer Meinung nach so schwierig, eine eindeutige, einheitliche und für alle verständliche Regel beziehungsweise Linie zu finden?

    Krzyzanowski: Die Frage ist dabei immer: Was will eigentlich der Fußball? Der Fußball möchte nicht, dass wir sagen: Jedes Handspiel ist regelwidrig und muss bestraft werden! Bekommt beispielsweise ein Spieler den Ball im Strafraum unabsichtlich an die Hand, soll er dafür nicht mit der größtmöglichen Strafe, sprich Elfmeter, belegt werden. Deshalb brauchen wir in diesem Bereich schon eine Unterscheidung zwischen Absicht und keiner Absicht. Wir versuchen schon seit Jahren, bei der Auslegung auf eine einheitliche Linie zu kommen. Beim Thema Handspiel ist das aber schlichtweg brutal schwer. Ich persönlich würde mich davon distanzieren, dass wir sagen: Hand ist Hand! Das bringt nichts und das will auch der Fußball nicht.

    Wagner: Absolute Zustimmung. Ich denke, dass die ganzen Probleme und Diskussionen rund um das Thema Handspiel deshalb größer geworden sind, weil es mittlerweile in den Profispielen unzählige Super-Zeitlupen gibt, die das Ganze nochmals entsprechend befeuern. Früher gab es nur eine Wiederholung und dann war das Ganze auch abgehakt.

    Das heißt also, dass derartige Entscheidungen wie das Handspiel nach wie vor oftmals im Ermessens-Spielraum des Unparteiischen liegen werden?

    Krzyzanowski: Genau – und das muss es auch, da es gar nicht anders gehen wird! Es gibt schlichtweg keine Einheitsschablonen, nach denen man entscheiden kann: Das ist Handspiel und das nicht! Letztlich musst du dich ja immer in den Spieler hineinversetzen und erkennen, ob das nun ein absichtliches oder unabsichtliches Handspiel war.

    Eine Änderung bei dieser EM, die Johannes bereits erwähnt hat, war die Tatsache, dass nur noch der jeweilige Spielführer mit dem Referee reden darf. Würdet ihr euch eine solche Regel künftig auch für euren Schiedsrichter-Alltag wünschen?

    Wagner: Ich glaube, dass das in der Regional-, Bayern- oder Landesliga noch ganz gut umsetzbar wäre, da dort die meisten Spieler und Trainer doch noch etwas anders „Fußball denken“. Wenn du hingegen in den unteren Ligen plötzlich eine Gelbe Karte ziehst, weil nicht der Kapitän, sondern ein anderer Akteur etwas gesagt hat, wirst du eher sehr viel Unfrieden und Unverständnis sowohl auf als auch neben dem Platz ernten.

    Krzyzanowski: Ich finde den Grundgedanken dieser Änderung gut und richtig. Man schaut, dass man dadurch Kommunikations-Möglichkeiten schafft, die sich respektvoll auf Augenhöhe befinden. In der Vergangenheit war mit lautstarken Rudelbildungen vor dem Schiedsrichter oftmals das Gegenteil der Fall. Dem galt es, einen Riegel vorzuschieben. Gleichzeitig bin ich aber der Meinung, dass man trotzdem auch Emotionen zulassen sollte, da der Fußball davon lebt. Ich habe daher auch überhaupt nichts dagegen, wenn ein Spieler respektvoll auf mich zukommt und etwas fragt. Dann bin ich auch gerne bereit, ihm das zu erklären. Daher glaube ich auch, dass ein „Mittelding“ diesbezüglich ideal wäre.

    Jonas hat schon beschrieben, wie viel Druck auf einem Schiedsrichter in einem EM-Viertelfinale lastet. Habt ihr selbst, je höher es für euch in den jeweiligen Ligen ging, derartige Erfahrungen auch gemacht? Sprich: Werden Anforderungen und Erwartungen von Spielklasse zu Spielklasse höher?

    Krzyzanowski: Im Endeffekt ist es ein Flaschenhals. In diesen Bereichen gibt es einerseits immer weniger Plätze, die zur Verfügung stehen, und andererseits immer mehr Leute, die dorthin wollen. Deshalb muss man sich auf diesem Niveau mit guten Leistungen durchsetzen, präsentieren und anbieten. Daher merkt man es auf alle Fälle, dass dort der Druck immer höher wird.

    Wagner: Man merkt das nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. So gibt es beispielsweise deutlich mehr Lehrgänge, die wir besuchen müssen. Von dem her werden die Anforderungen und der Druck in den oberen Bereichen definitiv immer höher, ja.

    Da geht’s lang: Johannes Wagner gibt als Schiedsrichter in den Begegnungen klar die Richtung vor.
    Da geht’s lang: Johannes Wagner gibt als Schiedsrichter in den Begegnungen klar die Richtung vor. Foto: Daniel Worsch

    Gibt es dennoch unter den Leistungs-Schiedsrichtern ein großes Miteinander oder handelt es sich vielmehr um einen knallharten Konkurrenzkampf, bei dem jeder ausschließlich auf sich selbst schaut?

    Krzyzanowski: Die Schiedsrichterei funktioniert letztlich nur im Team. Das fängt schon an im Gespann. Man muss zusammen auf dem Platz stehen, gemeinsam Entscheidungen treffen und sich untereinander verstehen. Anders geht es gar nicht. Darüber hinaus arbeiten wir auf dem Lehrgang auch alle gemeinsam dafür, dass jeder Einzelne besser wird. Klar ist man in gewisser Weise schon für sich selbst verantwortlich. Dabei klappt es aber nicht, wenn man nur für sich alleine kämpft. Man braucht immer die Leute um sich herum, die einen unterstützen und fördern.

    Wagner: Diesen Konkurrenzkampf gibt es sowohl unter Spielern in einer Mannschaft als auch bei den Schiedsrichtern, klar. Dennoch ist es so, wie es Jonas gerade beschrieben hat. Keiner will seinem Kollegen etwas Böses. Wir sitzen alle in einem Boot, in dem der Umgang untereinander absolut respektvoll und harmonisch ist. Mit persönlich macht es eher Spaß, wenn du mit deinen zwei „Kumpels“ zusammen auf ein Spiel fährst. Dafür macht man es ja in erster Linie auch – weil man eben Spaß haben möchte.

    Stichwort Spaß. Wenn ihr auf eure Schiedsrichter-Karriere blickt: Was war denn euer bisheriges persönliches Highlight?

    Wagner: Bei mir war es erst kürzlich das Halbfinalspiel der U19-Bundesliga zwischen der TSG Hoffenheim und Borussia Mönchengladbach im Dietmar-Hopp-Stadion in Hoffenheim. Gerade das ganze Drumherum war schon enorm. Die Partie wurde sogar von Sky live übertragen. Bei diesem Highlight soll es aber natürlich nicht bleiben (lacht).

    Krzyzanowski: Ich hatte bislang schon sehr viele schöne Partien. Was mir aber in diesem Zusammenhang sofort einfällt, ist das U20-Freundschafts-Länderspiel zwischen Deutschland und England in Regensburg, bei dem ich als Linienrichter dabei war. Wenn man vor dem Spiel auf dem Rasen steht und dann die Nationalhymnen beider Teams hört, ist das schon etwas sehr Cooles und Emotionales.

    Jonas hat den Schiedsrichter-Schein 2015 erworben, Johannes ein Jahr später. Wie hat euch dieser „Job“ seitdem als Mensch verändert?

    Wagner: Mein Selbstbewusstsein und Auftreten hat sich seitdem deutlich geändert. Wenn ich beispielsweise vor einer Schulklasse eine Präsentation oder ein Referat halten muss, bin ich – im Vergleich zu früher – überhaupt nicht mehr nervös. Was das betrifft, hat sich bei mir wirklich viel zum Positiven gewandelt.

    Krzyzanowski: Dem stimme ich zu 100 Prozent zu! Wenn du als Jugendlicher mit dem Schiedsrichter-Wesen beginnst, steigerst du dein Selbstvertrauen und deine Persönlichkeit extrem. Auch der zwischenmenschliche Umgang ist ein ganz wichtiger Punkt. Daher kann man auf alle Fälle sagen, dass es für das „normale Leben“ ein sehr prägendes Hobby ist.

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