Wie weit kann Aufwind wirklich tragen? Für den ERC Ingolstadt hätte es dafür keinen besseren Test geben können als diesen Sonntagnachmittag. Die Schanzer hatten ihren Saisonstart gehörig verpatzt, zuletzt aber 5:1 gegen Wolfsburg und 4:2 in Frankfurt gewonnen. Doch nun kam eine andere Hausnummer: Berlin, Tabellenführer, treffsicherster Sturm, gegentorresistenteste Abwehr. Der Rekordmeister hatte im Vorjahr die Play-offs verpasst, kam nun als stärkstes Team der Liga in eine fast ausverkaufte Saturn Arena – und stoppte tatsächlich den ERC-Aufwärtstrend. Am Ende stand es, verdientermaßen, 1:4 (0:0, 1:1, 0:3).
Die Panther kamen zunächst auf Samtpfoten aus der Kabine. Bloß kein übereifriges Anlaufen, bloß kein früher Rückstand. Den hatte es in dieser Saison schon zu Genüge gegeben. Der Plan hätte leicht schiefgehen können: Philipp Krauß und Luca Zitterbart gingen zweimal zu aggressiv in den Zweikampf. Die jeweiligen Strafzeiten meisterten Ingolstadts Unterzahlformen aber mit Bravour. Schon vor der Partie hatten sie zehn solcher Situationen infolge schadlos abgewehrt.
ERC Ingolstadt: Wagner patzt kapital
Dass beide Teams einmal in voller Stärke spielten, war selten an diesem Tag. Für spielerische Feinheiten blieb angesichts harter Zweikämpfe kaum Raum. Es brauchte also einen Kapitalfehler, wie den von ERC-Kapitän Fabio Wagner in Minute 24, um die Toranzeige auf dem Videowürfel erstmals in Bewegung zu setzen. Dem Verteidiger versprang im Aufbau die Scheibe, Berlins Marcel Noebels leitete sie auf Zach Boychuk weiter. Der überwand Panther-Goalie Michael Garteig zum 0:1.
Zwischen den Pfosten der Gegenseite stand ein junger, alter Bekannter: der 22-jährige Jonas Stettmer hatte nach vielen Jahren im ERC-Nachwuchs während der letztjährigen Play-offs seinen Durchbruch gefeiert. Nun hütete er zum dritten Mal das Tor der Eisbären. Und hatte im zweiten Drittel auch mehr zu tun. Marko Friedrich traf erst die Unterkante der Latte. Nur einen Wechsel später schlug die Scheibe hinter Stettmers Schulter im Netz ein. Maury Edwards hatte für Ingolstadt abgezogen – 1:1 (27.).
Berlin antwortete wütend, sammelte Strafminuten. Auf dem Eis schüttelten sich die Panther-Spieler ob der harten Checks ihrer Gegner. Und auf den Rängen schüttelten sich die Heimfans, wenn Berlin ein ums andere Mal Ingolstadts Powerplay aggressiv und erfolgreich verteidigte. Wirkungsloses Überzahl auf beiden Seiten, das Leitmotiv des Abends. „Wir hätten in Überzahl mehr Chancen kreieren müssen“, fand auch ERC-Verteidiger Leon Hüttl nach der Partie. Sein Kollege Casey Bailey, ein Überzahlspezialist und derjenige mit den meisten Schüssen auf das Gegnertor, hätte helfen können. Doch der US-Amerikaner verfolgte die Partie nach einer Verletzung aus der Vorwoche mit einer Schlinge um den rechten Arm. Ob Bailey an der Schulter operiert werden muss, wird sich noch herausstellen.
ERC Ingolstadt riskiert alles
Von der Tribüne zurück aufs Eis, wo Ingolstadt im letzten Abschnitt zunehmend unter Druck geriet. Und Berlin eiskalt zuschlug. Yannick Veilleux (45.) und Blaine Byron (50.) kamen viel zu frei aus der Halbzentralen zum Schuss. Plötzlich lag der ERC mit zwei Toren hinten. „Unsere defensive Deckung hat uns in dieser Saison immer ausgezeichnet. Heute war Berlin in der Hinsicht besser als wir“, resümierte später Ingolstadts Trainer Mark French.
Sein Team bekam zwar nochmals fünf Minuten in Überzahl - Am Ende aber musste Stettmer - trotz insgesamt fünf Ingolstädter Powerplays – nur 18 Schüsse halten. Berlin kam auf 29. Einer davon landete gar noch im leeren Tor.
ERC Ingolstadt Garteig – Bodie, Hüttl; Wagner, Edwards; Maginot, Zitterbart; Jobke - Krauß, Rowe, Simpson; Dunham, Pietta, Henriquez-Morales; St. Denis, Virta, Friedrich; Höfflin, Stachowiak, Bertrand – Tore 0:1 Boychuk (26.), 1:1 Edwards (27.), 1:2 Veilleux (45.), 1:3 Byron (50.), 1:4 Wiederer (56./EN) – Zuschauer 4334.