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Eishockey: Doug Shedden: „Habe Ingolstadt mit dem Gedanken verlassen, zurückzukommen“

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Doug Shedden: „Habe Ingolstadt mit dem Gedanken verlassen, zurückzukommen“

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    Bei der Saisonabschlussfeier des ERC Ingolstadt hatte Doug Shedden seinen letzten Auftritt als Cheftrainer. Am Freitag gab der Verein bekannt, dass der Vertrag mit dem 60-Jährigen nicht verlängert wird.
    Bei der Saisonabschlussfeier des ERC Ingolstadt hatte Doug Shedden seinen letzten Auftritt als Cheftrainer. Am Freitag gab der Verein bekannt, dass der Vertrag mit dem 60-Jährigen nicht verlängert wird. Foto: Johannes Traub

    In einer der eher schwereren Stunden seines Lebens erreicht man Doug Shedden irgendwo auf den Straßen der kleinen Paradiesinsel San Marco an der Westküste Floridas. Der 60-Jährige sitzt in seinem Auto, kommt gerade von einer kleinen Fischerkneipe am Strand, einem seiner Lieblingsorte hier, am Golf von Mexiko. In Deutschland ist es da 21 Uhr. Seit gut zehn Stunden ist klar, dass Shedden nicht mehr Trainer des ERC Ingolstadt sein wird. Der Kanadier selbst weiß es schon ein klein wenig länger. Doch er wirkt noch immer konsterniert.

    Herr Shedden, wie fühlen Sie sich? Traurig? Enttäuscht? Wütend?

    Doug Shedden: Ich bin noch immer etwas überrascht und schockiert. Ein weiteres Kapitel in meinem Leben geht jetzt zu Ende. Schade, dass es auf diese Art geschieht. Das ist schon hart. Denn ich wurde immer gut behandelt. Ich wünschte, ich wäre noch ein paar Tage geblieben. Dann hätte ich die Sachen in meiner Wohnung mitnehmen können. Jetzt muss ich die irgendwann holen.

    Sie stiegen vergangenen Samstag in den Flieger und dachten, Sie würden im nächsten Jahr als Trainer zurückkommen?

    Shedden: Ich habe Ingolstadt in dem Gedanken verlassen, zurückzukehren. Für mich gab es keinen großen Grund davon auszugehen, dass dem nicht so wäre.

    Wann wurden Sie darüber informiert, dass Ihr Vertrag beim ERC nicht verlängert wird? Und wer hat es Ihnen gesagt?

    Shedden: Claus (Liedy, Geschäftsführer des ERC, Anm. d. Red.) hat mich am Donnerstagmorgen angerufen. Ich war da gerade auf meinem täglichen 16-Kilometer-Spaziergang am Strand. In dem Moment, als meine Füße den Sand berührten, rang das Telefon und ich sah, dass es Claus war. Auf solch eine Unterhaltung war ich nicht vorbereitet.

    Wie hat er die Entscheidung des Vereins begründet?

    Shedden: Darüber hat er nicht wirklich viel gesagt. Ich denke mal, die Gesellschafter sind zusammengekommen und haben diese Entscheidung getroffen. Bis Freitag vor einer Woche stand nie zur Debatte, ob ich Trainer bleibe oder nicht. Dann muss sich übers Wochenende etwas geändert haben. Ich weiß nicht, was.

    Sie hatten im Verlauf der jüngsten Wochen nie das Gefühl, dass sich im Verein ein Verlangen nach Veränderung breitmachte?

    Shedden: Absolut nicht.

    Rein sportlich haben Sie das Saisonziel „Platz sechs“ nicht erreicht, sind Siebter geworden, dann in der ersten Playoff-Runde gegen Köln ausgeschieden. Woran lag es?

    Shedden: Das ist doch glasklar, wenn drei Import-Verteidiger ausfallen und dein Top-Scorer. Keiner will das einen Trainer sagen hören. Es heißt dann immer, das seien Ausreden. Nein, das sind Fakten. Auch, dass uns Corona so spät in der Saison getroffen hat. Viele Mannschaften hatten es zum Saisonstart, im November oder Dezember. Wir hatten es nach der Olympia-Pause. Nochmals: Das sind Fakten, keine Ausreden.

    Sie haben sich als Trainer nichts vorzuwerfen?

    Shedden: Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass wir in Spiel zwei gegen Köln gut auf das erste Spiel reagiert haben. Ich glaube, wir haben sie mit unseren Umstellungen wirklich überrascht und ein großartiges Spiel gezeigt. Wir hätten das eigentlich gewinnen und eine dritte Partie zuhause erzwingen müssen.

    Sie sagten einmal, Sie hätten Ihren Spielern während der Olympia-Pause keine 17 Tage frei geben sollen. Wie ist diese Entscheidung gefallen?

    Shedden: Es war meine Entscheidung, aber natürlich haben wir das gemeinsam besprochen. Zwei Partien von uns sind ausgefallen. Hätten wir zwei Tage mehr trainieren und dann erst freinehmen sollen? Was hätte uns das gebracht? Es ist schon lustig, dass Sie oder auch die Gesellschafter das jetzt aufbringen, aber niemand spricht darüber, dass wir zur Deutschland-Cup-Pause zehn Tage frei hatten und danach das beste Team der Liga waren. Jeder spricht nur über den negativen Mist. Würde ich es heute anders machen? Ja. Im Rückblick ist man immer schlauer. Aber Rückblick ist sowas von 2020.

    Im Rückblick: War das Team qualitativ gut genug aufgestellt, um die Top Sechs zu erreichen?

    Shedden: Absolut! Was uns schon gleich zu Beginn in ein Loch gebracht hat, waren Karri Rämös Leistungen.

    Ihr Verhältnis zu Sportdirektor Larry Mitchell war belastet. Das galt als offenes Geheimnis...

    Shedden: Nach einer Meinungsverschiedenheit vor zwei oder drei Jahren war es ziemlich schwierig.

    Tim Regan wird ihm nachfolgen. Trauen Sie Ihrem ehemaligen Co-Trainer den Job als Sportlicher Leiter zu?

    Shedden: Wieso sollte man ihm das nicht zutrauen? Er hat Erfahrung, war ein wahnsinnig guter Assistent von Larry, mit all der Bürokratie, die er erledigen musste. Er ist sehr gewissenhaft und organisiert. Er wird keinen Importspieler holen, weil ihm den ein Berater aufgeschwatzt hat. Er wird nicht anderthalb Stunden am Telefon eines Agenten hängen, sondern sagen: ‚Du hast fünf Minuten Zeit. Die Uhr läuft. Wen hast du? Und warum sollte ich ihn nehmen?’ Er wird einen fantastischen Job machen und ein gutes Gesicht für den Verein werden.

    Sie sagten einmal, Ingolstadt sei gemeinsam mit Lugano der „Trainerfriedhof Europas“ gewesen. Doch Sie brachten Kontinuität, waren viereinhalb Jahre Coach dieses Vereins. Wie fällt ihr Fazit aus?

    Shedden: Ich weiß nicht. Bin ich jetzt eigentlich der Rekordtrainer des Vereins oder der am zweitlängsten amtierende?

    Zweiteres. Aber es ist knapp. Sie standen 231 Partien hinter der Bande. Ron Kennedy schaffte es auf 243 Spiele.

    Shedden: Es ist ein bisschen wie in Zug in der Schweiz, wo ich sechs Jahre war. Immer, wenn du als Ausländer so lange Trainer eines Vereins sein kannst, ist das ein gutes Gefühl. Ich denke, es hätte noch viel länger gehen können. Aber, wie dem auch sei (stammelt ein wenig). Gute Gedanken, gute Erinnerungen, gute Leute. Ich habe Freunde gefunden, die fürs Leben sind. Und manche, die nicht fürs Leben sind (lacht).

    Fällt es nicht schwer, nach so langer Zeit keinen vernünftigen Abschied bei der Saisonabschlussfeier bekommen zu haben?

    Shedden: Es fällt mir offen gesprochen schwer, jetzt darüber nachzudenken.

    Was werden Sie am meisten vermissen?

    Shedden: (überlegt lange, lacht dann) Um ehrlich zu sein: Für Jürgen Arnold zu arbeiten (Beiratsvorsitzender des ERC, Anm. d. Red.). Das habe ich wirklich genossen.

    Bereuen Sie auch etwas? Eine Tat? Eine Aussage?

    Shedden: Schwer zu sagen, wenn man jetzt gerade so im Rampenlicht steht. Darüber müsste ich länger nachdenken. Ich gehe mit einem Lächeln im Gesicht und mache weiter mit einem neuen Kapitel meines Lebens.

    Wie wird dieses Kapitel aussehen?

    Shedden: Hören Sie, es ist kaum 24 Stunden her. Fuck! Ich brauche Zeit, um mir bewusst zu werden, was ich machen will. Das Handy hat schon ein paar Mal geklingelt. Aber ich werde noch keine Entscheidung treffen. Nicht heute, nicht diese Woche. Es wird Zeit brauchen. Würde ich gerne in Nordamerika bleiben? Ja, das würde ich.

    Jetzt also erst einmal viel Angeln, Golfen und das eine oder andere Glas Wein?

    Shedden: Weniger Wein. Ich bin auf Diät und versuche mehr, auf mich Acht zu geben. Ich trinke jetzt alkoholfreien Wein. Verdammt, es ist mir fast peinlich, so etwas zu bestellen.

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