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Zocken: Ein Phänomen geht um die Welt

Zocken

Ein Phänomen geht um die Welt

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    Fifa als Leidenschaft: Manuel Sigl (links) und Luis Ball begeistern sich für die Fußballsimulation Fifa. Beim TSV Ober-/Unterhausen könnte künftig sogar eine eSport-Abteilung entstehen.
    Fifa als Leidenschaft: Manuel Sigl (links) und Luis Ball begeistern sich für die Fußballsimulation Fifa. Beim TSV Ober-/Unterhausen könnte künftig sogar eine eSport-Abteilung entstehen. Foto: Xaver Habermeier

    Töten oder getötet werden. So einfach wie brutal wirkt Counter Strike, eines der weltweit erfolgreichsten Computerspiele, auf den Laien. Doch hinter dem digitalen Blutvergießen verbirgt sich ein Strategiespiel. Die Spieler müssen sich auf ihre Teamkollegen verlassen, Details auswendig lernen, Ressourcen gewinnen und versuchen, bis zum Ende zu überleben.

    Langweilig? Nicht für die vielen Millionen Menschen, die sich für elektronischen Sport interessieren oder ihn selbst betreiben. Große Turniere finden in Messehallen oder Fußballstadien statt. Tausende schauen vor Ort zu, Millionen weitere verfolgen die stundenlangen Matches im Internet. Die Spieler sind Stars, verdienen durch das Zocken ihren Lebensunterhalt.

    Ein Phänomen, das längst im Raum Neuburg angekommen ist und von dem Stefan Brosi aus eigener Erfahrung berichten kann. Reichtum hat der Klingsmooser durch Computerspielen zwar nicht erlangt, als Student aber ein nettes Nebeneinkommen verdient. Brosi, der im realen Leben Fußball und Tennis spielt, hat durch seine Leidenschaft für die virtuelle Welt Dinge erlebt, die nicht jeder 22-Jährige mitmacht und viele Geschichten zu erzählen.

    Stefan Brosi wird von einem Team verpflichtet

    Brosi ist noch ein Kind, als ihn die Faszination für das Spiel World of Tanks ergreift. Als Vorlage des „Strategieshooters“ dienen Panzerschlachten mit Modellen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Brosi zockt zunächst aus Spaß, wie es viele Gleichaltrige tun. Dann beginnt er, online zu spielen und merkt, dass er besser ist als viele andere. 2013 wird ein Team auf ihn aufmerksam, worauf sich Brosi der „Kazna-Crew“ anschließt.

    In seinem Element: Der Klingsmooser Stefan Brosi hat mit dem Zocken Geld verdient.
    In seinem Element: Der Klingsmooser Stefan Brosi hat mit dem Zocken Geld verdient. Foto: Brosi

    Der BWL-Student trainiert mehrmals die Woche, zwei bis drei Stunden am Tag. Vor Turnieren sitzt er beinahe jeden Tag vor dem Bildschirm. Während Kommilitonen Geld beim Kellnern oder anderen Nebenjobs verdienen, nutzt Brosi sein Talent in World of Tanks. „Ich habe gutes Geld gemacht“, sagt er und erzählt von Turnieren, die dem Gewinner 10.000 Euro Preisgeld einbringen. Peanuts, zieht man den Vergleich zu anderen, weit populäreren Spielen. Denn World of Tanks ist ein „kleines Spiel“, nicht zu vergleichen mit Counter Strike oder League of Legends, bei denen die Besten Millionen verdienen.

    Fifa-Turnier beim TSV Ober-/Unterhausen

    Weitaus beschaulicher geht es da beim TSV Ober-/Unterhausen zu. Dort zählen die Sportler die Fußballsimulation Fifa zu ihren Hobbys. Sie spielen online gegeneinander, treffen sich zu gemeinsamen Zockabenden. Vergangenes Jahr haben Manuel Sigl (18) und Luis Ball (18) für ihre Mannschaftskollegen ein internes Turnier organisiert. Das Interesse ist groß, 30 Leute nehmen teil. Sogar ein Verantwortlicher des Bayerischen Fußballverbandes schaut in Oberhausen vorbei. Er lobt die Organisatoren, Sigl wird für sein Engagement mit einem Preis belohnt.

    Warum das alles? Der BFV hat die immensen Möglichkeiten, die eSport bietet, längst für sich entdeckt, sein Engagement forciert und als erster deutscher Landesverband seine eigene eFootball-Plattform an den Start gebracht. Unter anderem wurde ein bayernweiter Cup ins Leben gerufen, bei dem die besten Fifa-Spieler ermittelt werden. Wie ernst es dem Verband ist, können Sigl und Ball aus eigener Erfahrung berichten. Die beiden haben jüngst an einer Schulung in Oberhaching teilgenommen. Ein zentrales Thema des Workshops war die Gründung eigener eSport-Abteilungen in Vereinen. „Wir haben Tipps bekommen, wie man so etwas am besten aufbauen kann“, erzählen sie. In Deutschland gibt es bereits erste Vereine, die diesen Schritt gegangen sind. Auch wenn der TSV Ober-/Unterhausen sich erst im Anfangsstadium solcher Planungen befindet, können Sigl und Ball die Gedankengänge des Verbandes nachvollziehen. „Ziel ist es, wieder mehr Leute in die Vereine zu holen.“

    Welch hohe Wellen eSport schlagen kann, verdeutlichen die Erzählungen von Stefan Brosi, der von Turnieren in New York, Polen, Bulgarien und Russland erzählt, an denen er einst teilgenommen hat. Die Reisen werden ihm finanziert, in den Hotels nächtigt er mit seinen Teamkollegen kostenlos. 2000 bis 3000 Besucher schauen in den Hallen zu. Brosi nimmt an Weltmeisterschaften teil, wird bei einer Europameisterschaft Zweiter. Er erlebt Dinge, wie sonst nur Profisportler, Schauspieler oder Musiker. Media Days mit Pressekonferenzen finden statt, Brosi gibt Interviews.

    In Deutschland wird eSport nicht als Sport anerkannt

    In Ländern wie Russland, Südkorea oder auch in Skandinavien ist der elektronische Sport auf der gleichen Ebene wie andere Sportarten angekommen. In Schweden und Norwegen wird eSport an Schulen und Volkshochschulen gelehrt. Die Schüler sollen ihre strategischen, taktischen und mentalen Fähigkeiten verbessern. „Sie haben ein Nintendospiel gefunden, bei dem man Fische mit Tinte abschießt. So werden Kinder an Ballerspiele herangeführt“, berichtet Ball.

    In Deutschland sträubt sich der Olympische Sportbund bisher, eSport als Sport anzuerkennen und nennt drei zentrale Gründe. Sport ist Sport, wenn man sich bewegt, heißt es. Kein Sport ohne Vereine. Und: Sport muss ethisch wertvoll sein. Argumente, die Brosi, Sigl und Ball nicht verstehen. „Es ist definitiv Sport. Wichtig sind Disziplin, Zielstrebigkeit und Kommunikationsfähigkeit“, sagt Brosi.

    Begeisterung: Wenn die großen Turniere stattfinden, sind die Hallen meist ausverkauft.
    Begeisterung: Wenn die großen Turniere stattfinden, sind die Hallen meist ausverkauft. Foto: dpa

    Für einen kleinen Verein wie den TSV Ober-/Unterhausen kann es durchaus von Bedeutung sein, ob eSport künftig als Sport anerkannt wird. Es geht etwa um Zuschüsse, die den Aufbau einer eigenen Abteilung erleichtern würden. „Man benötigt Equipment, Konsolen, die Räumlichkeiten“, erklärt Luis Ball. Dazu braucht es jemanden mit Erfahrung, der weiß, wie man an Kontakte oder Sponsoren kommt. Denn in Zukunft könnte das Zocken eine Rolle einnehmen, die man heute nicht für möglich hält. Sigl: „Der Wunsch des BFV ist sicherlich, dass irgendwann jedes Dorf einen eSport-Verein hat.“ Dann könnte es eigene Ligen geben, die man bisher nur aus dem realen Fußball, Tennis oder Schießen kennt. Vorreiter sind die Profiklubs, die eine virtuelle Fifa-Bundesliga ins Leben gerufen haben. Vereine wie der FC Schalke, Werder Bremen oder der FC Ingolstadt haben ihre eigenen eSport-Teams, sehen riesiges finanzielles Potenzial im Markt. Die Spiele werden im TV und Internet übertragen, das Interesse steigt stetig.

    Viele Stunden Training sind nötig

    Für Stefan Brosi ist die Zeit im semiprofessionellen Zockerbereich inzwischen vorbei. Unglücklich darüber ist Brosi nicht. Jetzt habe er wieder mehr Zeit für andere Dinge wie Freunde, Fußball und Tennis. Gelegentlich nimmt er noch an Turnieren teil. Sein Talent reicht, um ohne regelmäßiges Training kleinere Veranstaltungen erfolgreich zu absolvieren.

    Wäre nicht das Umsteigen auf ein anderes, populäreres Spiel möglich gewesen? Allein, um Geld zu verdienen? „Nein“, sagt Brosi. „Dafür bin ich zu alt. Je früher man anfängt, desto besser.“ Für das Spiel Counter Srike etwa investieren Profis täglich bis zu 15 Stunden Training. Es geht schließlich um mehr als zu töten oder getötet werden.

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