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NR-Aktion: Jimmy Waite: „Ingolstadt war etwas ganz Besonderes in meinem Leben“

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Jimmy Waite: „Ingolstadt war etwas ganz Besonderes in meinem Leben“

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    Trikotübergabe: NR-Redakteur Dirk Sing (rechts) überreichte Jimmy Waite das Trikot mit den Unterschriften der ERC-Fans.
    Trikotübergabe: NR-Redakteur Dirk Sing (rechts) überreichte Jimmy Waite das Trikot mit den Unterschriften der ERC-Fans. Foto: privat

    Sein Name beziehungsweise Trikot unter dem Hallendach verbreitet in der Saturn-Arena immer noch Glanz und großartige Erinnerungen: Jimmy Waite! Von 2003 bis 2009 hütete der Frankokanadier das Gehäuse des ERC Ingolstadt und wurde in dieser Zeit gleich dreimal (2004 bis 2006) zum besten Torhüter der DEL ausgezeichnet. Mittlerweile arbeitet der 46-Jährige bei seinem ehemaligen NHL-Klub Chicago Blackhawks. Am Rande der Partie bei den Florida Panthers traf sich unser Sportredakteur Dirk Sing erstmals nach rund sechs Jahren wieder mit „The Wall“ und hatte dabei auch ein ganz besonderes Geschenk im Gepäck: Ein von den Ingolstädter Fans unterschriebenes ERCI-Trikot mit der Nummer 29. Als Waite das Jersey nach dem Interview überreicht bekam, zeigte sich dieser regelrecht sprachlos und überwältigt.

    Jimmy, Sie sind seit 2014 beim amtierenden Stanley Cup-Champion Chicago Blackhawks als Torwart-Trainer tätig. Können Sie erklären, welche Aufgaben Ihr Job genau umfasst?

    Waite: Grundsätzlich bin ich dafür zuständig, dass unsere Torhüter möglichst in jeder Partie ihre Bestleistung abliefern. Der Posten des „Goaltending-Coaches“ ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Man geht mit den Goalies im Training aufs Eis, macht mit ihnen spezielle Übungen und kümmert sich um sie. Aber auch bei Spielen ist es oftmals so, dass du als Torhüter nicht weißt, was du gerade falsch gemacht hast. Da ist es dann meine Aufgabe, den Jungs im Video dies aufzuzeigen und zu erklären, wie sie es beim nächsten Mal besser machen können.

    Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die „mentale Schiene“? Als ehemaliger Torhüter können Sie sicherlich empfinden, was Ihre „Schützlinge“ in bestimmten Situationen fühlen...

    Waite: Ja, absolut. Und deshalb ist es ja auch so wichtig, dass ein Goalie von jemand trainiert und quasi rundum betreut wird, der ganz genau weiß, was man braucht und was in einem vorgeht. Im Grunde musst du Trainer und Psychologe in einer Person sein. Gerade dann, wenn es einmal nicht so gut läuft, muss sich der Torhüter auf dich verlassen können.

    Während einer Saison stehen zuerst 82 Punktspiele auf dem Programm, ehe es in die Play-offs geht. Bleibt da überhaupt noch Zeit, mit den Goalies spezifisch zu arbeiten?

    Waite: Das ist eine sehr gute Frage. Im Dezember und Januar beispielsweise hatten wir jeweils 15 Partien zu absolvieren. Da bleibt für ein geregeltes Training auf dem Eis kaum Zeit. In dieser Phase beschäftigen wir uns sehr viel mit Video-Schulung von den vorherigen Spielen und achten dabei vor allem auf die Technik. Während der Vorbereitung oder auch zu Saisonbeginn, als der Spielplan noch relativ entzerrt war, haben wir dagegen vermehrt auf dem Eis trainiert. Man muss das Ganze immer den jeweiligen Gegebenheiten anpassen.

    Während Ihrer aktiven Karriere in Deutschland haben Sie so gut wie nie mit einem Torwart-Coach zusammengearbeitet. Würden Sie sagen, dass diese Position seinerzeit von den Vereinen schlichtweg unterschätzt wurde?

    Waite: Ja, definitiv! Wobei man aber auch sagen muss, dass es in der NHL erst Ende der 90er-Jahre so richtig mit den Full-Time-Goaltending-Coaches losging. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich damals in die NHL gekommen bin (1988), hatten wir in Chicago auch nur einen Torwart-Trainer, der alle zwei, drei Tage mal gekommen ist. In Deutschland gab es so etwas dann überhaupt nicht. Ich habe quasi versucht, mich selbst zu coachen, indem ich mir immer wieder Videos von meinen Spielen angeschaut habe. Wobei - ich kann mich noch gut daran erinnern, als während meiner Zeit in Ingolstadt unser damaliger Headcoach Ron Kennedy auf einmal irgend einen Goaltending-Coach aus Kanada für ein paar Tage engagiert hatte. Der wollte mich damals komplett umstellen. Am Ende ist es bei einer einzigen Trainingseinheit geblieben, weil ich gesagt habe, dass ich ihn nicht mehr sehen will (lacht).

    Als Spieler haben Sie sich Ihren Traum von der NHL erfüllt (Chicago, San Jose, Phoenix). War es eigentlich nach Ihrem Rücktritt vom aktiven Leistungssport auch Ihr festes Ziel, als Trainer in die beste Eishockey-Liga der Welt zurückzukehren?

    Waite: Nun, als ich meine Laufbahn beendet hatte, wollte ich zunächst einmal eine Eishockey-Firma aufbauen. Darum habe ich mich dann auch in den ersten drei Jahren intensiv gekümmert, wobei ich da schon zwischendurch im Jugendbereich als Goaltending-Coach gearbeitet habe. Der Gedanke und Wunsch, wieder in die NHL zurückzukehren, war eigentlich schon die ganze Zeit in meinem Hinterkopf. Allerdings war mir auch bewusst, dass das nicht einfach werden würde, da es eben nur 30 NHL-Teams und damit auch nur 30 Posten als Torwart-Trainer gibt. Als es dann mit den Chicago Blackhawks tatsächlich geklappt hat, war ich enorm glücklich.

    Können Sie als „Insider“ erklären, was das Erfolgsgeheimnis der Chicago Blackhawks ist?

    Waite: Zunächst einmal verfügen Sie über einen erstklassigen Torwart-Trainer (lacht). Nein, Spaß beiseite. Ich denke, dass es unserer Franchise in den vergangenen Jahren gelungen ist, viele kleine Puzzleteile sehr erfolgreich zusammenzufügen. Mit Joel Quenneville verfügt man über einen erstklassigen Headcoach. Darüber hinaus macht natürlich auch unser General Manager Stan Bowman einen tollen Job. Neben vielen erstklassigen Draftpicks versteht er es immer wieder, genau die Spieler zu finden, die perfekt ins Teamgefüge passen. Wir mussten in diesem Sommer aufgrund des Salary Caps den einen oder anderen Leistungsträger wie Patrick Sharp oder Johnny Oduya (beide Dallas) abgeben. Doch Stan ist es gelungen, auch diese Abgänge zu kompensieren. Unter anderem hat er mit dem jungen Russen Artemi Panarin einen Stürmer geholt, der zuvor in Russland aktiv war und bereits in seiner ersten NHL-Saison großartig auftritt.

    Gleich in Ihrem ersten Jahr haben Sie mit den Blackhawks den Stanley Cup gewonnen! Können Sie beschreiben, wie es sich anfühlt, als Trainer diese Trophäe zu erringen?

    Waite: Als Torhüter hatte ich ja leider nicht das Glück, einen solchen Erfolg zu erleben. Aber ich denke, dass man sich als Trainer mindestens genau so stolz und glücklich fühlt. Als Spieler hast du vor allem die physische, sprich körperlichen Belastung, wenn du auf dem Eis stehst. Ein Trainer wiederum ist vor allem mental gefordert. Du stehst in der Früh auf, bereitest dich auf den jeweiligen Gegner vor, machst dir Gedanken über deine eigenen Spieler. Kurzum: Du investierst unglaublich viel Arbeit nis spät in die Nacht. Das Schlimmste aber ist: Wenn das Spiel beginnt und du auf deinem Platz oben in der Pressebox sitzt, kannst du nichts mehr machen. Dann hat es quasi nur noch dein Goalie beziehungsweise deine Mannschaft in der Hand. Wenn man dann am Ende mit dem Stanley Cup belohnt wird, ist es einfach nur unglaublich.

    Mit dem ERC Ingolstadt konnten Sie seinerzeit keine Meisterschaft feiern. Würden Sie sagen, dass das letztlich der einzige negative Punkt beziehungsweise Wermutstropfen während Ihren sechs Jahren bei den Panthern war?

    Waite: Ja, ich glaube, das trifft es sehr gut! Vor allem in meinen ersten beiden Spielzeiten bei den Panthern (2003/2004 und 2004/2005) hatten wir jeweils eine hervorragende Truppe und hätten mit etwas mehr Glück sicher den Titel holen können. Gerade an mein erstes Jahr kann ich mich noch gut erinnern. Wir sind unglaublich schlecht in die Saison gestartet und ich wurde schon als schlechtester Torhüter in der DEL bezeichnet (lacht). Doch plötzlich haben wir eine Wahnsinnsserie hingelegt und sind bis ins Playoff-Halbfinale vorgestoßen. Dort haben wir dann - wie auch zwölf Monate später - leider gegen die Eisbären Berlin verloren, die damals ein sehr starkes Team hatten.

    Als Sie im Jahr 2003 vom Liga-Konkurrenten Iserlohn Roosters zum ERC Ingolstadt gewechselt sind: Hätten Sie zu diesem Zeitpunkt gedacht, insgesamt sechs Jahre das Panther-Trikot zu tragen?

    Waite: Nein, auf gar keinen Fall. Ich bin ja bereits 2001 nach Deutschland, genauer gesagt nach Essen, gekommen und wollte eigentlich nur noch zwei, maximal drei Jahre spielen und danach nach Kanada zurückkehren. Dieser Plan ging ja dann gründlich daneben (lacht). Bei mir persönlich ist beim ERCI ganz gut gelaufen, wir waren mit dem Team erfolgreich. Es hat einfach enorm viel Spaß gemacht. Auch meine Familie hat sich ungemein wohl gefühlt. Ingolstadt war definitiv etwas ganz Besonderes in meinem Leben.

    Am 1. März 2009 haben Sie in der heimischen Saturn-Arena gegen die Kölner Haie (4:3 n.V.) Ihr letztes Match für die Panther bestritten! Welche Erinnerungen haben Sie noch an diesen speziellen Tag?

    Waite: Es zwar zweifelsohne einer der emotionalsten Momente, die ich bislang erlebt habe. Ich habe gewusst, dass es meine letzte Partie sein würde und ich danach nicht mehr nach Ingolstadt zurückkehre. Nach der Begegnung wurde dann mein Trikot unter das Hallendach gezogen, was ich im Vorfeld überhaupt nicht gewusst habe. Das war schon eine sehr große Ehre. Sowohl bei meiner Frau als auch mir sind an diesem Tag etliche Tränen geflossen, da uns das alles schon sehr nahe gegangen ist.

    Gibt es heute noch etwas, was Sie aus den sechs Jahren in Ingolstadt besonders vermissen?

    Waite: Oh ja, eine ganze Menge (lacht). Wenn du viele Jahre bei einem Verein spielst, dann schließt du auch zahlreiche Freundschaften, wie es beispielsweise mit Glen Goodall, Doug Ast oder Jakub Ficenenc der Falll war. Wir haben sehr viel Zeit auf und neben dem Eis miteinander verbracht. Aber auch die Möglichkeit, zahlreiche Länder und Städte in Europa zu bereisen, fehlt mir. Ebenso der jährliche Oktoberfest-Besuch mit der Mannschaft (lacht). Was mich aber am meisten beeindruckt hat, waren die Fans. Sie haben während dem gesamten Match gesungen, sind herumgesprungen und haben uns unterstützt. Meine Frau ind ich haben uns fest vorgenommen, in einer der nächsten Sommerpausen mal wieder nach Ingolstadt zu kommen und alte Freunde zu besuchen. Vielleicht könnten wir ja sogar ein Eishockey-Match mit der ehemaligen Truppe in der Saturn-Arema auf die Beine stellen. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch den Anhängern gefallen würde.

    Haben Sie noch Kontakt zum einen oder anderen ehemaligen Teamkollegen?

    Waite: Im Laufe der Jahre sind diese natürlich etwas weniger geworden. Eine sehr enge Verbindung pflege ich nach wie vor zu Glen Goodall. Auch mit Doug Ast tausche ich mich ein- oder zweimal im Jahr aus. Ansonsten sieht man aber hin und wieder im Eishockey-Business bekannte Gesichter wie kürzlich Brad Tutschek, den ich in Kanada getroffen habe.

    Die Panther haben in der Saison 2013/2014 erstmals in ihrer Vereinsgeschichte die deutsche Meisterschaft errungen. Wie haben Sie diesen tollen Erfolg der Schanzer realisiert?

    Waite: Nachdem ich nach wie vor spätestens alle zwei Wochen auf die DEL-Tabelle und Ergebnisse schaue, war ich diesbezüglich bestens informiert. Ich habe mich für den Verein, die Verantwortlichen um Jürgen Arnold und die Fans riesig gefreut. Alle haben seit dem DEL-Aufstieg so viel Arbeit in diesen Kluvbinvestiert und mit dem Titelgewinn den verdienten Lohn eingefahren. Einfach großartig!

    Sie arbeiten nun in Ihrer zweiten Saison als Goaltending-Coach bei den Blackhawks. Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, in einigen Jahren auch einmal als Cheftrainer - möglicherweise sogar in Deutschland - zu arbeiten?

    Waite: Ehrlich gesagt eher nicht. Um als Headcoach zu arbeiten, hätte ich mich in den vergangenen Jahren bereits darauf vorbereiten müssen. Das habe ich aber nicht getan. Ich bin mit meinem jetzigen Posten als Torwart-Trainer voll und ganz zufrieden, da er - wie bereits beschrieben - sehr vielseitig ist. Ich hoffe jedenfalls, dass ich ihn noch viele Jahre bei den Chicago Blackhawks in der NHL ausüben kann.

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