Ganz unrecht scheint dem jüngsten Neuzugang des Zweitligisten, der bis Juni noch bei den Bayern unter Vertrag stand, diese ungewohnte Ruhe aber nicht zu sein, gilt er doch als ruhiger und unkomplizierter Typ. Am Mittwoch hatte der FC Ingolstadt überraschend die Verpflichtung des 28-Jährigen bekannt gegeben. Wie schnell der Vertragsabschluss zustande gekommen sein muss, zeigen kleine Details. Wann denn nun eigentlich das Pokalspiel gegen Karlsruhe sei (nächsten Freitag, Anm. d. Red.), fragte Görlitz die Pressevertreter. Und: "Spielen wir in Karlsruhe oder in Ingolstadt?"
Schon direkt nach dem Ende der vergangenen Saison habe der FC Ingolstadt Kontakt zu ihm aufgenommen, bestätigte Görlitz. Damals habe man aber noch nicht zusammen gefunden. Grund dürften die Gehaltsvorstellungen des ehemaligen Münchners gewesen sein. Ingolstadt orientierte sich in Richtung Ronald Gercaliu und nahm den ehemaligen österreichischen Nationalspieler unter Vertrag. Dieser zog sich aber in der Vorbereitung eine schwere Knieverletzung zu und wird vermutlich bis zur Winterpause ausfallen.
Ingolstadts Manager Harald Gärtner reagierte schnell und forcierte die Bemühungen um Görlitz. Dieser wiederum hatte zwar einige Angebote vorliegen, darunter sei aber nichts Konkretes gewesen. Unter anderem hatten Mainz und 1860 München loses Interesse bekundet. Auch Westham aus der englischen Premier League habe seine Fühler ausgestreckt, sagte Görlitz. "Als Ingolstadt vergangene Woche noch einmal bei mir anfragte, war ich fast schon auf dem Weg nach England zum Probetraining." Görlitz sagte den Flug ab und fuhr mit dem Auto nach Ingolstadt. Dort unterschrieb er einen Zweijahresvertrag.
Das Sportliche im Vordergrund
"Ich wollte endlich eine Entscheidung. Und ich wollte zu einem Verein, bei dem ich mich wohl fühle und die Möglichkeit bekomme, zu spielen." Trainer Michael Wiesinger und Gärtner hätten ihn davon überzeugt, das Sportliche komplett in den Vordergrund zu stellen. Bedeutet im Umkehrschluss: Görlitz hat vermutlich deutliche Abstriche bei seinen Gehaltsvorstellungen gemacht.
Jetzt gelte seine ganze Konzentration dem Training. Seit Juni hatte Görlitz sich allein mit Lauftraining fit gehalten und "regelmäßig bei meiner Dorfmannschaft in Rott am Lech mittrainiert. Das ist aber eben Kreisklasse." Aus diesem Grund mahnte Gärtner an, mit seinem neuen Star Geduld zu haben. "Er wird noch Zeit brauchen." Gleiches forderte auch Wiesinger. "Er hatte gestern sein erstes Mannschaftstraining. Ich werde ihm am Wochenende in Bahlingen Einsatzzeit geben, dass er Spielpraxis bekommt. Aber wir müssen jetzt erst einmal schauen, wie sich das alles entwickelt."
Bei Görlitz herrscht jetzt aber erst einmal Vorfreude auf die nächsten Aufgaben. Er komme in eine Mannschaft, die noch nicht so genau wisse, wo sie in der zweiten Bundesliga stehen wird. Er wolle beim Aufsteiger eine Führungsrolle übernehmen. "Du brauchst drei, vier Spieler, die das Heft in die Hand nehmen und die Mannschaft führen. Da zähle ich mich auch dazu. Ganz klar: Ich komme von Bayern und da wird einiges erwartet. Aber mindestens genau so viel erwarte ich von mir selbst." Nach einer Saison fast ohne Spielpraxis sei es auch für ihn interessant zu sehen, "wie lange es dauert, bis ich mich wirklich wohl fühle auf dem Platz". Mit der Erfahrung aus 104 Bundesligaspielen werde das aber nicht allzu lange dauern.
Sein Hobby, die Musik, wolle er auch in Ingolstadt weiter pflegen. Görlitz ist Gitarrist der Rockband "Room 77", die in diesem Jahr schon Vorband von ACDC war. 2004 gründete er die Gruppe zusammen mit seinem Bruder Markus. Grund: Görlitz hatte sich das Kreuzband gerissen und musste fast ein Jahr lang pausieren. Sein Physiotherapeut habe ihm damals geraten, sich einen Ausgleich zu suchen. Görlitz kaufte eine Gitarre und brachte sich selbst die ersten Griffe bei. Room 77 veröffentlichten 2009 ihr erstes Album. Die Einnahmen gehen an das SOS Kinderdorf Ammersee. "Mal sehen, wie wir das jetzt mit den Proben machen. An einem freien Nachmittag werde ich schon mal nach Hause fahren und ein bisschen mit den Jungs zusammen spielen."