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Asyl: Gelungene Integration durch Sport

Asyl

Gelungene Integration durch Sport

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    Vorreiter: Thior El-Hadji war der erste Flüchtling, der beim SV Bertoldsheim mittrainierte. Inzwischen sind ihm fünf weitere gefolgt.
    Vorreiter: Thior El-Hadji war der erste Flüchtling, der beim SV Bertoldsheim mittrainierte. Inzwischen sind ihm fünf weitere gefolgt. Foto: Xaver Habermeier

    Sport verbindet. Ein oft zitierter und öffentlichwirksamer Spruch, den sich auch der Bayerische Landessportverband (BLSV) auf die Fahne geschrieben hat. Ende Oktober beschloss dieser nämlich, die pauschale Sportversicherung für alle Flüchtlinge und Asylbewerber, die an Vereinsangeboten teilnehmen, zu übernehmen. Die Integration der Hilfsbedürftigen solle so erleichtert werden, zumal sportliche Betätigung auch eine gelungene Abwechslung zum Alltag in den Heimen darstellt.

    „Wichtig war uns auch eine unbürokratische Abwicklung“, sagt Loretta Speidel, Bezirks- und Kreisfrauenvertreterin sowie Mitglied im Aufsichtsrat des BLSV. Asylbewerber sollen ohne Anmeldung und Mitgliedschaft am Training der Vereine teilhaben können. Für eine Teilnahme am Spielbetrieb sei aber ein Spielerpass und auch eine Vereinsmitgliedschaft vonnöten.

    Um Asylbewerbern eine Möglichkeit zur Sportausübung zu geben, leitet Speidel ehrenamtlich einen Yogakurs für Frauen im Asylantenheim Neuburg, das derzeit von knapp 500 Flüchtlingen bewohnt wird. Für ihre „Gymnastikstunde“, wie sie ihr Engagement selbst beschreibt, wurde ein Büroraum provisorisch eingerichtet, in dem für maximal acht Teilnehmerinnen Platz ist. Trotz schwankender Resonanz freut sich Speidel über das Erreichte: „Wir setzen Sport ein, um Leute auf einen Nenner zu bringen und Freude zu verbreiten. Für die Frauen ist das eine tolle Sache, um zur Ruhe zu kommen und zu entspannen.“ Die Mischung der Gruppe ist kunterbunt: Somalierinnen, Syrerinnen, Afghaninnen – Frauen verschiedenster Herkunft, die nach anfänglicher Vorsicht gegen Ende des Kurses offen miteinander reden beziehungsweise auch oft mit Händen und Füßen kommunizieren.

    Von Sprachbarrieren kann auch Harry Grimm, Trainer des SV Straß, ein Lied singen. In seiner Mannschaft spielen mit Lawrence Somtochukwu und Michael Oboh zwei nigerianische Stürmer, die ebenfalls das Asylantenheim Neuburg bewohnen. Der Kontakt wurde durch Akteure des Vereins hergestellt. „Die beiden kann man auf jeden Fall gebrauchen. Sicher ist es verständigungsmäßig problematisch, aber das klappt trotzdem recht gut, wenn ihnen die anderen Spieler die Übungen vormachen“, sagt Grimm.

    Somtochukwu – auch Santos genannt – und Oboh besitzen seit April einen Spielerpass und sind regelmäßig für den SVS im Einsatz. Ihre Mitgliedsbeiträge werden aus privater Hand gezahlt. „Das klappt sehr gut. Den beiden macht es riesen Spaß“, berichtet Abteilungsleiter Bruno Tregnaghi, der die zwei Exoten eigenhändig zu Trainingseinheiten und Spielen abholt.

    Die Geschichte von „Santos“ und Oboh ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Integration gelingen kann. Während Ersterer schon ein paar Brocken Deutsch versteht, greift auch Oboh, der nur Englisch spricht, immer mehr bayerische Wörter auf, wie Tregnaghi erzählt. Auch nach dem Training sitze man noch gemütlich zusammen in der Runde.

    Ausschließlich gute Erfahrungen mit seinen Spielern aus dem Asylantenheim machte auch der SV Bertoldsheim um Trainer Benjamin Libal. Insgesamt sechs Asylanten aus Eritrea und dem Senegal, alle in Marxheim einquartiert, stehen beim SVB ihren Mann – mit Merih Abera und Janneh Landing sogar zwei davon in der ersten Mannschaft. Alle sind seit der vergangenen Rückrunde mit Spielerpässen ausgestattet, erhalten Fußballklamotten vom Verein und werden im Winter zum Training abgeholt. Auch für den Mitgliedsbeitrag müssen die Flüchtlinge nicht selbst aufkommen. Libal spricht von einem „Geben und Nehmen“. Die Sechs weisen laut ihrem Trainer eine ausgesprochen gute läuferische und körperliche Präsenz aus. Selbstverständlich sei, dass es an der taktischen Umsetzung ab und zu noch hapert. Schließlich spielten die Afrikaner davor noch bei keinem Verein.

    Dass es überhaupt so weit gekommen ist, ist vor allem Thior El-Hadji zu verdanken. Der 30-jährige Asylant joggte Anfang des Jahres gelegentlich durch Bertoldsheim. Als man ihn eines Tages anhielt und fragte, ob er nicht Lust hätte, mitzukicken, willigte er ein. Mit der Zeit fanden immer mehr Gleichgesinnte per Rad oder im Laufschritt den Weg an den Bertoldsheimer Sportplatz, sodass die Zahl der asylsuchenden Spieler mittlerweile auf sechs angewachsen ist.

    Die sogenannte Residenzpflicht, die den Flüchtlingen verwehrt, den Landkreis zu verlassen, spielt für die Akteure in der Region übrigens keine Rolle. Alle Gegner befinden sich im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, wodurch die Asylbewerber auch alle Auswärtspartien bestreiten können. Sollte doch einmal ein Training/Spiel ausfallen, wird das von Libals Flüchtlingsspielern eher missmutig aufgenommen. „Wenn etwas ausfällt, sind sie traurig, weil sie unbedingt spielen wollen“, sagt der Trainer, der die sechs als pflegeleicht, freundlich und vor allem auch gut integriert beschreibt. Sport verbindet eben.

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