Zufrieden lässt Stefan Appel den Blick über seinen Acker am Ortsrand von Sinning schweifen. Obwohl es an diesem Dezembertag ungemütlich kalt und regnerisch ist, greift der Nebenerwerbslandwirt beherzt in den Boden und hebt lächelnd eine Handvoll Erde hoch. „So passt das“, freut sich der 38-Jährige, auf dessen 3,2 Hektar Ackerfläche selbst jetzt noch grüner Raps wächst.
Appel ist ein „Zukunftsbauer“, einer, der seit sieben Jahren auf „regenerative Landwirtschaft“ setzt. Eine Anbaumethode, bei der weitgehend auf die bisher übliche Bodenbearbeitung verzichtet wird und Chemie allenfalls reduziert zum Einsatz kommt. „Und außerdem soll der Boden niemals kahl und braun dastehen, sondern das ganze Jahr über grün bleiben. In der regenerativen Landwirtschaft geht es vor allem um den wertvollen Humus“, erklärt der Jungbauer, der sich durch Schulungen und mithilfe des Internets in die Materie eingearbeitet hat.
In der regenerativen Landwirtschaft geht es vor allem um den wertvollen Humus
Drei Ackerflächen besitzen die Appels in und um Sinning, bei allen steht der Produktionsfaktor „Boden“ absolut im Mittelpunkt. Denn laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) und des Naturschutzverbands Nabu seien gesunde Böden inzwischen essenziell, um einen hohen Ertrag an nährstoffreichen Pflanzen zu ernten. Neben Raps baut Stefan Appel noch Waldstaudenroggen – das sogenannte Urkorn –, die Ölpflanze Leindotter, Mais, Saatkartoffeln, Weizen und Braugerste an. Für Appel auch eine Generationsfrage: „Die Jungen denken inzwischen anders, öffnen sich für die Probleme des Klimawandels. Ich möchte mit der Umwelt und mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie. Denn wir verlieren immer mehr Wirkstoffe, das ist wirklich alarmierend.“ Eigentlich müsse es im Interesse jedes Landwirtes und jeder Landwirtin sein, nachhaltig gesunde Böden zu besitzen, meint Appel. Gleichwohl: Die Aktivitäten des Mannes, der seine Familie noch durch seinen zweiten Beruf im TanQuid Tanklager in Oberhausen ernährt, werden nicht überall mit absoluter Begeisterung zur Kenntnis genommen.
Neben Stefan Appel gibt es im Landkreis nur noch einen weiteren Landwirt im Rohrenfelser Ortsteil Ergertshausen, der ebenfalls auf regenerative Landwirtschaft setzt, während die Anbaumethode etwa in den Vereinigten Staaten längst zur gängigen Praxis geworden ist. Der Weg zur Umstellung war für beide steinig und mühevoll. Wenn der Sinninger von „vielen Höhen, aber auch Tiefen“ berichtet, so steht er damit keineswegs als Einzelfall da. „Ich habe eine Menge Lehrgeld bezahlt“, sagt Appel. Dennoch will er die einmal eingeschlagene Richtung auf keinen Fall mehr verlassen, denn langfristig kann die Rücksicht der Bauern auf ihre Böden erheblich höhere Profite einbringen. So prognostizieren Agrarexperten, dass nach einer Umstellung auf regenerative Landwirtschaft, die den Boden nicht auslaugt, nach sechs bis zehn Jahren bis zu 60 Prozent höhere Gewinne folgen könnten. Auch die Ernten seien dann nicht mehr ausschließlich von Wetterunbilden wie Hitze und Starkregen abhängig. Finanzielle Nachteile gäbe es allerdings auch, und zwar durch die Investitionskosten zu Beginn der Umstellung, weil neue Maschinen angeschafft werden müssten, um Saatgut in den Boden zu bringen.
Aus seinem Raps produziert Appel hochwertiges, kalt gepresstes Öl
Gleichwohl scheint Stefan Appel durchaus auf eine Marktlücke gestoßen zu sein. Christoph Gessner, ein gebürtiger Sinninger und Küchenchef im Hotel „La Villa“ in Niederpöcking am Starnberger See, verwendet seit April das qualitativ hochwertige, kaltgepresste Rapsöl vom „Spitalbauer“, so der Traditionsname des Hofes. „Die Qualität ist wirklich hervorragend“, lobt der Koch, der im Hotel Adlon in Berlin und bei Feinkost Käfer lernte. „Wir wollen auf keinen Fall mehr darauf verzichten.“ In Neuburg bezieht Bäckermeister Anton Göbel junior seit Herbst 2023 den Waldstaudenroggen aus Sinning, um ihn als Zutat für nahezu alle Brote und Körnersemmeln zu verwenden. Ihm geht es dabei um Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Regionalität und hochwertige Endprodukte. „Ich möchte damit auch als Bäcker ein Zeichen setzen“, betont Göbel. Er und Christoph Gessner führen aber noch einen anderen wichtigen Faktor für die Geschäftsbeziehung zu Stefan Appel ins Feld: Freundschaft.
Derzeit gibt es beim „Spitalbauer“ einen kleinen Hofladen, der sukzessive ausgebaut werden soll. Weitere Verkaufsstellen sind in Planung. Stefan Appels Ehefrau Susanne, eine gelernte Floristin, und Vater Martin Appel, ein agiler Pensionär, der sich um das Marketing kümmert, arbeiten mit. Nachdem das Rapsöl und das Leinöl derzeit noch im brandenburgischen Fläming gepresst werden, will der Jungbauer die Produktion bis spätestens 2026 komplett nach Sinning verlagern. Ein weiterer Faktor in seinem langfristigen Bemühen um aktiven Umweltschutz ging in der Landwirtschaft früher häufig auf Kosten der Produktivität. „Das ist nun anders“, glaubt Appel. Er hat die Herausforderungen, die die Zukunft für seinen Berufsstand mit sich bringen, angenommen.
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