Fassungslos stehen die Mühlrieder vor ihren überfluteten Häusern, schütteln immer wieder den Kopf, manche weinen. Andere sind stocksauer, die über die Jahre aufgestaute Wut bricht förmlich aus ihnen heraus. „Das war jetzt 2003 und 2013 so, und jetzt passiert es wieder! Warum tun die bei der Stadt und im Landratsamt nichts dagegen?“, fragt ein verzweifelter Anwohner, dem der Keller vollgelaufen ist. Die Feuerwehr habe nur abgewunken und empfohlen zu warten. „In Neuburg haben sie einen Hochwasserschutz, aber bei uns wird so etwas auf absehbare Zeit nicht geben!“
Der offizielle Terminus „Hundertjähriges Hochwasser“ gilt spätestens seit diesem Wochenende in Mühlried nicht mehr. „Wir haben inzwischen das Jahrzehnthochwasser“, sagen die Bewohner des Schrobenhausener Ortsteils, der von den aktuellen Überflutungen der Paar und der Weilach mit am schlimmsten betroffen sind. Ganze Straßenzüge können nur mit dem Boot oder einem Traktor erreicht werden.
Hochwasser in Schrobenhausen: Evakuierungen in Mühlried
Die braunen Wassermassen, auf denen immer wieder schillernde Filme von Benzin zu sehen sind, haben von den schmucken Wohnhäusern Besitz ergriffen. Innerhalb einer Viertelstunde sei das Hochwasser am Samstagabend gegen 21 Uhr gekommen, erzählen die Leute, „so schnell konnten wir gar nicht mehr reagieren.“ Nach Angaben des Landratsamts Neuburg-Schrobenhausen wurden rund 670 Personen aus Mühlried evakuiert.
Für Werner Spielberger war dies alles absehbar. Der Anlieger des Neues Weges in Mühlried hat am Sonntagnachmittag unfreiwillig einen Logenplatz mit Blick auf den innerhalb von zwölf Stunden entstandenen „Paarsee“ und ärgert sich maßlos über die „hirnverbrannten Entscheidungen“ des Schrobenhausener Stadtrates, die seiner Meinung nach maßgeblich zur aktuellen Situation beigetragen hätten.
Schrobenhausener sind wütend: Warum gibt es keinen wirksamen Hochwasserschutz?
So sei die vor vier Jahren sanierte Paarbrücke zwischen Schrobenhausen und Mühlried schlicht eine „Fehlkonstruktion“, die nun überspült wurde, als die Paar über die Ufer trat. Außerdem werde es spätestens jetzt allerhöchste Zeit, ein wirksames Hochwasserschutzkonzept auch unter Einbeziehung des Naturschutzgebietes Goachat zu realisieren. Denn hier, so Spielberger, habe es bislang immer wieder Verzögerungen und Hürden gegeben.
In der Tat gibt es seit 2007 immer wieder Diskussionen zum Thema „Hochwasserschutzkonzept in Schrobenhausen“ – bislang freilich ohne handfeste bauliche Maßnahmen. Dabei geht es vor allem um Deichlinien und Schutzmauern. Dafür jedoch müssten in der Lenbachstadt umfangreiche Eingriffe in die Infrastruktur und die Natur erfolgen und auch Grundstücksbesitzer ihre bislang starre Position aufgeben. Die Rede ist dabei vor allem vom Volksfestplatz und dem Gritscheneck, der im Hochwasserfall künstlich überflutet werden könnte. Die angrenzenden Häuser könnten dann von einer Schutzwand vor den Wassermassen geschützt werden. Diesmal waren es noch Sandsäcke, die bereits am Samstagvormittag entlang der Paar aufgeschichtet worden waren, als bereits die ersten Keller östlich des Stadtwalls vollliefen. Am Nachmittag trat dann die Weilach in Gachenbach und Aresing über die Ufer.
Wasser steht in Mühlried bei 3,5 Meter - so hoch wie nie
Als die Lage dann am Abend in Mühlried und Schrobenhausen eskalierte, hatte der Paar-Pegel gegen 21 Uhr den höchsten jemals gemessenen Wert in Schrobenhausen erreicht: 3,5 Meter. Ebenfalls eine neue Rekordmarke gab es beim Abflusswert, der mit fast 100 Kubikmetern pro Sekunde so hoch wie noch nie war. Zum Vergleich: Beim bisher schlimmsten Hochwasser von 1994 lag der Wert in Schrobenhausen bei 47 Kubikmetern, 2013 bei 68. In einem Mehrfamilienhaus am Schleifmühlweg wird seit Samstag gegen 21.10 Uhr eine 43-jährige Frau vermisst, die sich in den Kellerräumen aufgehalten hatte, als das Wasser kam. Tauchern gelang es bis Redaktionsschluss nicht, in den Untergeschoss des Gebäudes vorzudringen.