Verdunkelungspapier an den Fenstern, bei Fliegeralarm im Getreidefeld verstecken und jeden Abend geröstete Kartoffeln - Anni Bieber aus Riedensheim war zum Ende des Zweiten Weltkrieges 16 Jahre alt. Diese Jahre ihrer Jugend, die sie auf dem elterlichen Bauernhof in Bergen verbrachte, sind ihr noch präsent. „Während des Krieges hatten wir zwar nicht viel Angst, aber es war keine schöne Zeit“, sagt sie heute. Zwar erlebte sie mit ihren sechs Geschwistern eine recht glückliche Kindheit. „Doch so einen Krieg, den will keiner mitmachen.“
Es gibt Erinnerungen, die sind auch heute, 80 Jahre nach Kriegsende, besonders stark. Bei Anna Bieber sind es die ambivalenten Begegnungen mit amerikanischen Soldaten. Der Krieg war verloren und „wir wussten, dass der Ami der Feind ist“, sagt Bieber. In jenen Tagen im April 45 schickten sie ihre Eltern in den Luftschutzkeller eines Nachbarn. „Meine Eltern blieben im Haus, denn sie wollten unser Hab und Gut schützen“, sagt Bieber. Nur zum Mittagessen durften die Kinder nach Hause. Dann hieß es weiter im Keller warten - ohne zu wissen, was oder wer kommt.
Zeitzeugen aus Neuburg: Anni Bieber erinnert sich noch an ihre Begegnung mit amerikanischen Soldaten
Irgendwann ging dann tatsächlich die Tür zum Keller auf. „Da standen dann zwei schwarze Soldaten mit Helmen“, erzählt die 96-Jährige. „Wir haben gezittert. Meine Schwester hat ganz laut geschrien vor Angst.“ Dieses Gefühl von damals, das blieb über die Jahrzehnte unvergessen. Dabei war die Angst eigentlich unbegründet, wie sich später herausstellte.
Die US-Soldaten zeigten sich recht freundlich. Sie schenkten den Kindern Schokolade und Bananen. „Meine Schwester biss in die Frucht mitsamt der Schale“, so die Zeitzeugin. Auch Schokolade kannten die Kinder damals bisher nicht. Doch die überraschenden Geschenke beruhigten die Mädchen.

Die Soldaten, so erinnert sich Bieber, holten aus einem Schrank in dem Nachbarhaus ein weißes Tischtuch. „Das sollten wir ans Fenster hängen, als Zeichen, dass wir uns ergeben.“ Später belagerten die Amerikaner das Dorf und auch den Hof ihrer Eltern. Sie selbst durften nicht mehr hinein. Für die Deutschen ist der Keller genug, habe ein Soldat damals zur Mutter gesagt. Die Besatzer bedienten sich während dieser Zeit regelmäßig an den Vorräten der Familie. Als Landwirte hatten sie zu Kriegszeiten heimlich geschlachtet. Die Mutter hatte Wurst in Neuburg gegen Stoff getauscht, um den Kindern Kleidung zu nähen.
Kriegsende in Bergen: Die Dorfbewohner durften acht Tage lang nicht aus dem Ort
Mit Panzern seien die Amerikaner in Bergen auf den Dorfplatz gefahren, hätten auch dort ihr Lager aufgebaut und niemand durfte sich mehr ohne Grund im Dorf bewegen. Acht Tage lang durften die Bewohner damals Bergen nicht verlassen. Eine Ausgangssperre trat abends um 22 Uhr in Kraft und galt für viele Wochen. „Zu Coronazeiten habe ich mich wieder daran erinnert gefühlt, wie das nach dem Krieg war“, sagt Bieber.


„Einmal hieß es, dass sich in einem Heustadel ein deutscher Soldat befindet“, erzählt die rüstige Rentnerin, die heute sechs Urenkel hat. Da habe es ordentlich Aufregung gegeben, denn die Amerikaner hätten auf die Scheune geschossen und das Heu mit Mistgabeln durch gepflügt. Sie hatten keinen Erfolg. Später aber, so erinnert sich Bieber, sei dann doch der Deutsche „aus dem Heu herausgekrabbelt“. „Wir haben ihm etwas zu trinken gegeben und dann ist er über den Zaun davon.“ Später allerdings hätten ihn die Amis dann doch noch erwischt.
Ein französischer Zwangsarbeiter, Bananen und ein weißes Tischtuch
Weil ihre Eltern den französischen Zwangsarbeiter, der während des Krieges bei ihnen am Feld mithelfen musste, gut behandelt hatten, zeigten sich die Amerikaner ihnen gegenüber fair. „Er hat den Ami erzählt, dass er es bei uns gut gehabt hat.“ Der Vater sei daraufhin ebenfalls gut behandelt worden.
Ein weniger schönes Erlebnis aber ist Bieber auch noch in Erinnerung: „Die Amis holten aus einem Lebensmittelgeschäft im Dorf alle Waren raus und gaben sie uns Kindern. Wir mussten sie in unsere Schürzen stecken. Dann haben sie uns fotografiert.“ Wie Anna Bieber später erfuhr, wurde das Foto in der Wochenschau, ein damaliges Nachrichtenformat im Kino, gezeigt, als Beweis dafür, dass die Deutschen plündern. „Das war schon gemein.“
Zeitzeugin erinnert sich, dass der Bruder erst 1948 aus der Gefangenschaft zurückkam
Ihr Bruder musste mit 17 Jahren noch in den Krieg ziehen. Bei einer militärischen Ausbildung in Augsburg wurde er mit einem Bauchschuss verletzt und kam ins Lazarett. „Wir waren alle in Sorge.“ Als er genesen war, musste er allerdings nicht mehr an die Front. „Das war sein Glück“, sagt Bieber. Bis 1948 war er dann noch in französischer Gefangenschaft, schaffte es nach dem dritten Fluchtversuch schließlich nach Deutschland zu kommen. .
Auch ihr späterer Ehemann, den sie in Bergen beim Tanzen kennengelernt hatte und zu dem sie 1954 nach Riedensheim gezogen war, musste einige Zeit in Gefangenschaft in Frankreich verbringen. Auch er war erst 1948 zurückgekommen.
Im Jahr 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. Die Neuburger Rundschau lässt in einer Serie Zeitzeugen zu Wort kommen. Sie schildern sehr persönliche Erinnerungen der letzten Kriegsmonate in Neuburg und Umgebung und ermöglichen damit eindrückliche Einblicke in eine sehr prägende Zeit.
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