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Rennertshofen-Stepperg: Katzenjammer in Stepperg

Rennertshofen-Stepperg

Katzenjammer in Stepperg

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    Tatjana W. schmust mit einer der drei Katzen, die ihr jetzt noch geblieben sind.
    Tatjana W. schmust mit einer der drei Katzen, die ihr jetzt noch geblieben sind. Foto: Bastian Sünkel

    Es stimmt schon: Neben dem akkurat gemähten Rasen der Nachbarn, den spätsommerlichen Rosen und schicken Zäunen, die in dem Stepperger Wohngebiet Spalier stehen, macht das Haus der Familie W. einen vernachlässigten Eindruck. Vor dem Garten steht ein Carport, auf halbe Höhe mit Hausmüll aufgefüllt und hinten im Garten, im Keller und in den Wohnräumen haben sich bis vor wenige Wochen noch mindestens 16 Katzen getummelt. Der Großteil der Tiere ist nun im Neuburger Tierheim gelandet und Familie W. ist alles andere als glücklich über das, was sich vor und in ihrem Haus abgespielt hat.

    Am Freitag ist die Situation eskaliert. Wie Tierheim-Leiter Gerhard Schmidt am Freitagabend unserer Zeitung berichtet, gab es auf dem Grundstück einen Vorfall. Nachbarn haben sich bei der Marktgemeinde Rennertshofen darüber beklagt, dass abgemagerte, verstörte Katzen durch ihren Garten streunen. Die vermeintlichen Halter der Tiere – jene Familie W. – sei verschwunden, wahrscheinlich umgezogen, macht ein Gerücht die Runde. Dass das Haus bereits Wochen zuvor verkauft wurde, war auch in der Nachbarschaft bekannt. Nun zählte man Eins und Eins zusammen und landete bei einem dreisten Fall der Tierquälerei. Die Katzen schienen einfach ausgesetzt in jenem Haus, das bald jemand anderem gehören soll.

    Gemeindemitarbeiter alarmiert Polizei

    Ein Mitarbeiter der Gemeinde fuhr also nach Stepperg, um die Situation zu begutachten, und traf eine Entscheidung: Er alarmierte den Tierschutzverein und verständigte die Polizei. Der Rest ist bekannt: Ein Fenster stand laut Angaben der Zeugen am Haus offen. Die Polizisten stiegen ein und holten alle Katzen, die sie finden konnten, heraus. Sieben ältere und fünf Jungtiere wechselten umgehend den Wohnort. Als die Familie am Abend zurückkam, war die Aktion längst vorbei und die Katzen im Tierheim.

    Umziehen kann die fünfköpfige Familie derzeit nicht – denn ihnen fehlt schlichtweg das Haus, erklären sie am Montagnachmittag. Nach Aussage der Erwachsenen waren sie vergangene Woche in Chemnitz, um sich nach Immobilien umzusehen. Sie haben dort neue Jobs gefunden und bis spätestens Mitte November müssen sie ausziehen. Das Haus steht voller gepackter Kisten und Plastiksäcken mit Abfällen. „Natürlich sieht es derzeit nicht einladend aus“, beschreibt Tatjana W. die Situation. Aber Tierquäler gebe es hier nicht. Niemand in der Familie vernachlässige die Katzen. Ganz im Gegenteil. Erst als sie begannen, Streuner aus der Nachbarschaft zu füttern, ist die Zahl der Katzen gewachsen. Zuletzt haben die vier älteren Tiere bei Familie W. gelebt. Jene vier, die sie als eigentliche Familienkatzen betrachtet. Dazu fünf aus dem Nachwuchs, die bereits Interessenten versprochen sind. Hinzu kommen sieben Baby-Kätzchen, für die Abnehmer gesucht werden. Und schließlich eine unbestimmte Zahl jener Streuner, die regelmäßig zum Fressen vorbeikommen. „Wenn ein Mensch Hunger hat, gebe ich ihm zu essen. Bei Tieren ist das nicht anders“, erklärt Viktor W. die Situation im Haus der Familie.

    Auf einmal wurden es immer mehr...

    Dass sich die Katzen willkürlich vermehrt haben, ist der Familie bewusst. Doch man habe immer einen Abnehmer für die Jungtiere gefunden, sagt die Mutter. Alle anderen Tiere seien regelmäßig vom Arzt behandelt worden. Sie kramt eine Salbe hervor, die eine Katze vor dem Erblinden bewahren soll. Zugegeben, sagt sie, eine Katze sei bereits blind. Da wusste selbst der Tierarzt nicht mehr weiter, sagt die Mutter. Nun will sie ihre Tiere zurückholen und würde dafür auch rechtliche Schritte erwägen, erklärt sie überzeugt. Auch die Vorwürfe der Tierschützer will sie entkräften können, erklärt die 34-jährige Verkäuferin. Allen voran seien die Katzen auch in der Woche versorgt gewesen, als sie auf Wohnungssuche war. „Tochter und die Schwester haben sich um die Tiere gekümmert“, sagt sie. Auch die Tochter erklärt, dass sie die Katzen gefüttert habe.

    Damit hätten sich Polizei und Tierschützer zu Unrecht Zutritt zum Haus verschafft, davon sind die Familienmitglieder überzeugt und sprechen das Thema ein ums andere Mal an. Außerdem haben sie im Keller, Erdgeschoss und zum Teil auch im ersten Stock Chaos hinterlassen, sodass die Familie nach ihrer Rückkehr zuerst von einem Einbruch ausging. Die Polizei sieht das anders. Man habe lediglich vom Betretungsrecht Gebrauch gemacht, als einzelne Tiere nicht mehr reagierten, heißt es aus der Inspektion Neuburg.

    Gemeinde, Nachbarn und Tierschützer schätzen ganz allgemein die Situation völlig anders ein. Michael Schäffer, einer der Nachbarn, erklärt, dass man Aufzucht und unkontrolliertes Vermehren der Katzen längere Zeit kritisch beäugt. „Die haben schlimm ausgeschaut.“ Die blinde Katze sei regelmäßig schnurstracks mit dem Kopf an den Sockel der Eingangstür seines Elternhauses gelaufen. Es gebe keine Vorgeschichte mit den Nachbarn, sagt der 24-Jährige. „Wir hatten bis dahin quasi kein Verhältnis zueinander. Weder positiv, noch negativ.“ Als seine Familie die Gemeinde alarmierte, ging es allein um den Zustand der Katzen.

    Um jene stehe es „schlecht“, sagt die Katzenbetreuerin des Tierheims. „Ganz schlecht“, wiederholt Gabi Josefiok, bevor sie konkreter wird. Sie spricht von eitrigen, zugeklebten Augen. Von zwei Katzen, die vor der Erblindung stehen, weil sie nicht ausreichend behandelt wurden. Von Milben, Läusen und fortgeschrittenen Katzenkrankheiten. Das Urteil der Betreuerin fällt fatal aus. Wie sich die Situation retten lässt? „Das Beste wäre, wenn sie alle Tiere uns überlassen würden“, sagt sie am Telefon. Doch damit will sich die Familie nicht abfinden.

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