Allerheiligen hatte heuer in Neuburg einen Zusatzaspekt, auf den alle gerne verzichtet hätten: An der Verwüstung von etwa 200 Gräbern vergangene Woche konnte man nicht vorbeigehen. Die Gruppe Regenbogen Wohnen gGmbH entschuldigte sich im vollen Umfang für die Randalierer. Die beiden 14- und 15-Jährigen, die auf frischer Tat ertappt wurden, kommen aus einer Wohngruppe.
Mit einem Regenbogen wird in Neuburg das Bedauern über die zerstörten Gräber ausgedrückt
„Wir fühlen mit Ihnen.“ Mit dieser Inschrift auf einem Regenbogen im alten Friedhof formuliert die Sozialeinrichtung ihr Bedauern. Bis zu 30 Jugendliche und Erwachsene leben in den Gruppen. Man dürfe sie nicht pauschal verurteilen. „Sie sind genauso betroffen wie alle anderen auch“, versichert eine Regenbogen-Sprecherin.
Der 14- und 15-Jährige – beide christlich getauft und aus dem weiteren Umkreis von Neuburg – haben jetzt Hausarrest. Sie seien noch nicht in der Lage, die Motive ihres Handels erklären zu können, so die Sozialarbeiterin. Wie berichtet, waren die beiden nachts wie Vandalen durch den Friedhof gezogen. Grablaternen schlugen sie mit den Füßen oder einem Rechen weg.
Pfarrer Herbert Kohler geht davon aus, dass „seelisch-psychische Ursachen“ bei den beiden Jugendlichen vorliegen, ansonsten sei die brachiale Zerstörung von Grablaternen, Lichtern, Figuren und Pflanzen kaum erklärbar. Er sei davon ausgegangen, dass der Friedhof ein heiliger und unantastbarer Ort sei, „aber das scheint heute nicht mehr so zu sein“.
Der Neuburger Pfarrer Herbert Kohler bat um einen Neuanfang
Er könne die Tränen und die Wut der betroffenen Grabbesitzer verstehen, so der Pfarrer, „aber ich will heute nicht den Stab brechen über die Verursacher.“ Vielmehr bat Herbert Kohler um einen Neuanfang und er weihte den „verletzten Friedhof“ neu. Den Regenbogen am großen Kreuz sieht er als „ehrliche Geste der Anteilnahme“. Er bat die Besucher, dieses Symbol anzunehmen.
Gut 800 Besucher, und damit mehr als in den Vorjahren, beteiligten sich am Dienstag an diesem zentralen Gedenken im alten Friedhof an der Franziskanerstraße. Der Stadtpfarrer war mit den Ministrantinnen und Ministranten zum großen Kreuz gezogen. „Gott hat den Menschen für das Leben gemacht“, sagte der Geistliche, „der Tod hat nicht das letzte Wort.“ Die Verstorbenen verschwänden nicht in der Erde, „wir legen sie in die Hand Gottes in der Hoffnung auf das große Fest“. Die Stadtkapelle spielte „Dann nimm mich in Deine Hände“.
Die Würde jedes einzelnen Menschen sei unantastbar. Dieser Respekt „heilige“ das Leben. Gewalt und Krieg wie in der Ukraine bedeuteten das Gegenteil. An Allerheiligen feiert die katholische Kirche das Hochfest für ihre Heiligen. Das sind „Menschen, die auf Gott vertraut haben und von ihm heilig gemacht worden sind“.
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft legte einen Kranz auf dem Friedhof in Neuburg nieder
Für die würdevolle Begleitung der Bestattungen bedankte sich Pfarrer Herbert Kohler bei Friedhofsverwalter Holger Rinberger und seiner Mannschaft. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft legte wieder einen Kranz für ihre verstorbenen Mitglieder nieder. Seit Jahren gilt diese Geste der Heimatvertriebenen als ein Zeichen gegen Kriege, Vertreibung und Gewalt jeder Art. „Heute bewegt uns Heimatvertriebene das Schicksal der Ukrainer sehr“, sagte Hildegard Weis. Ein Autokrat erschüttere die ganze Welt, „kennen wir das nicht aus dem vorigen Jahrhundert?“.
In allen Friedhöfen in der Stadt und im Umland segneten die Priester die Gräber. Angehörige treffen oft nach längerer Zeit erstmals wieder zusammen und machen Allerheiligen auch zu einem Familientag. An Allerseelen leuchten „Seelenlichter“ auf den Grabstätten als Symbol für die Hoffnung der Auferstehung.