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Neuburg: Supermärkte verkaufen fast alles: Neuburger Händler beklagen „unfaire“ Bedingungen

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Supermärkte verkaufen fast alles: Neuburger Händler beklagen „unfaire“ Bedingungen

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    Viele Geschäfte in Neuburg sind derzeit geschlossen. Große Supermärkte und Drogerien dürfen bestimmte Artikel zum Teil trotzdem weiter verkaufen - zum Unmut der Einzelhändler. Ein aktuelles Gerichtsurteil spielt den großen Märkten in die Karten.
    Viele Geschäfte in Neuburg sind derzeit geschlossen. Große Supermärkte und Drogerien dürfen bestimmte Artikel zum Teil trotzdem weiter verkaufen - zum Unmut der Einzelhändler. Ein aktuelles Gerichtsurteil spielt den großen Märkten in die Karten. Foto: Roland Weihrauch, dpa (Symbol)

    Kurz vor Weihnachten hörte Maria Habermeyer in ihrem Auto einen Radiospot. Eine große Drogeriekette warb dafür, dass man in deren Filialen vor Ort Spielwaren kaufen könne. Habermeyer war außer sich. Eine ganze Nacht lang beschäftigte sie die Werbung. Vor lauter Wut schrieb sie einen Brief an die Drogerie, schickte ihn aber letztlich nicht ab. „Rechtlich mag das in Ordnung sein“, sagt sie. „Charakterlich aber nicht.“ Habermeyer würde selbst nur zu gerne wieder ihre Spielwaren vor Ort verkaufen. Nur: Ihr gleichnamiges Geschäft in Neuburg muss derzeit geschlossen bleiben. Dass große Supermärkte und Drogerien zum Teil weiterhin solche Artikel verkaufen, bezeichnet die Geschäftsfrau als „wettbewerbsrechtlich absolut unfair“. Wegen eines konkreten Falls in Neuburg habe sie sich einmal sogar an die Polizei gewendet – ohne Erfolg. Was können lokale Einzelhändler wie sie also dagegen tun - erst recht nach einem aktuellen Gerichtsurteil?

    Einzelhändler in Neuburg beklagen unfaire Bedingungen

    Habermeyer habe sich sehr genau mit der Thematik auseinandergesetzt. Sie erklärt, was das Gesetz sagt: Besteht das Sortiment eines Händlers zu mehr als 50 Prozent aus systemrelevanten Dingen, also zum Beispiel Lebensmittel, dürfen alle Artikel weiterhin verkauft werden. Abhängen oder versperren müssen Händler Bereiche nur, wenn dies zumutbar ist, wenn die betreffenden Bereiche also etwa räumlich abtrennbar sind. Dass damit große Mitbewerber Dinge verkaufen dürfen, die sie als Fachhändlerin nur auf Bestellung an die Kunden bringen darf, habe sie zunächst sehr geärgert – erst recht, wenn aktiv damit geworben wird.

    Schon seit dem ersten Lockdown würde der Spielwarenverband Vedes alles probieren, um in diesem Punkt etwas zu erreichen. Bislang ohne Erfolg. Doch das Thema ist bei den Händlern nach wie vor präsent, sagt Habermeyer. Zumal ein aktuelles Gerichtsurteil die Karten neu mischen könnte. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat vor wenigen Tagen eine Anordnung der Stadt Kempten gekippt: Der Lebensmittelhändler Feneberg, der zuletzt Bereiche abhängen musste, darf in seinem Markt ab sofort wieder sein gesamtes Sortiment verkaufen. Begründung des Gerichts: Das Angebot umfasst das „übliche Sortiment“ des Geschäfts. Es wird also während des Lockdowns nichts verkauft, was nicht auch schon vorher verkauft wurde. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Signalwirkung dürfte es allemal haben (lesen Sie hier mehr zu diesem Urteil).

    Aktuelles Urteil: Supermarkt darf gesamtes Sortiment verkaufen

    Nicht zugreifen, bitte. Viele Supermärkte mussten zuletzt Randsortimente sperren, wie hier Kaufmarkt in Kempten. Ein aktuelles Urteil stärkt die Rechte der Supermärkte.
    Nicht zugreifen, bitte. Viele Supermärkte mussten zuletzt Randsortimente sperren, wie hier Kaufmarkt in Kempten. Ein aktuelles Urteil stärkt die Rechte der Supermärkte. Foto: Ralf Lienert

    So oder so: Habermeyer habe für sich selbst das Problem mittlerweile abgehakt. „Ich werde es nicht ändern können und habe meinen Frieden geschlossen.“ Zumal sie, bei allem Frust, auch Verständnis für die Politik hat, wie schwierig diese Angelegenheit zu regeln ist. „Ich hätte selbst keine Lösung dafür“, sagt sie. Sie will ihre Kraft nun in positive Dinge stecken, die sie voranbringen. Will für ihre Kunden da sein, deren Bestellungen abarbeiten. „Und irgendwann ist der Lockdown wieder vorbei.“

    Nicht nur die Spielwaren-, sondern zum Beispiel auch die Textilbranche ist von dieser Thematik betroffen. Wer durch die Reihen der großen Supermärkte und Discounter geht, erblickt immer wieder Kleidungsstücke. „Das finde ich nicht richtig“, sagt Claudia Stadlmayr. Ihr Modehaus Bullinger in Neuburg hat derzeit geschlossen, die unverkauften Winterkollektionen stapeln sich. „Gleichberechtigung ist das nicht“, betont Stadlmayr, die von „unfairen“ Bedingungen spricht. Sie ist der Meinung: Auch die großen Supermärkte sollten nur Nahrungsmittel oder wichtige Dinge des Alltags verkaufen dürfen, die restlichen Bereiche sollten abgehängt werden.

    Stadtmarketing Neuburg: Geschäftsführer spricht von "Wettbewerbsverzerrung"

    Dass dies nicht so einfach durchzusetzen ist, weiß Michael Regnet, Geschäftsführer des Stadtmarketings Neuburg. Er verstehe den Frust der Einzelhändler voll und ganz. Auch er spricht von „Wettbewerbsverzerrung“, die zum Teil nichts mit dem Infektionsschutz zu tun habe. In gewissen Supermärkten im Raum Neuburg bekomme man derzeit quasi alles. „Die machen schon seit vergangenem Jahr das Geschäft ihres Lebens“, so Regnet. Doch das Problem sei eine schwammige Rechtsprechung. „Es gibt eine große Grauzone, da würde ich mir von der Politik eine klare Linie wünschen.“

    In der Tatsache, dass große Supermärkte derzeit Dinge verkaufen können, die es woanders nur auf Bestellung gibt, sieht Regnet eine Gefahr für den lokalen Einzelhandel: „Die Kunden gewöhnen sich daran, was sie derzeit alles im Supermarkt besorgen, und gehen in Zukunft vielleicht nicht mehr zum Fachhändler vor Ort“, so seine Sorge.

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