Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Neuburg: Stammtisch digital: So treffen sich Neuburger kontaktlos

Neuburg

Stammtisch digital: So treffen sich Neuburger kontaktlos

    • |
    „Servus beinand!“ Jeden Mittwoch trifft sich der Göbel-Stammtisch virtuell. Beim Zoom-Meeting des Arco-Stammtisches am Sonntagvormittag gibt es dann statt Kaffee auch mal ein Weißbier vor dem PC.
    „Servus beinand!“ Jeden Mittwoch trifft sich der Göbel-Stammtisch virtuell. Beim Zoom-Meeting des Arco-Stammtisches am Sonntagvormittag gibt es dann statt Kaffee auch mal ein Weißbier vor dem PC. Foto: Gloria Geissler

    Der Kaffee steht neben der Tastatur, der PC fährt hoch. Gleich geht er los, der virtuelle Göbel-Stammtisch. Bling, bling, bling... Nach und nach ploppen die Bilder der Teilnehmer auf dem Bildschirm auf. Bernhard Schönacher ist der Erste in der virtuellen Runde, es folgen Anton Göbel, der noch etwas mit der Technik kämpft, die Gesten seiner Stammtischbrüder aber richtig deutet und schließlich den Knopf findet, um sein Mikro einzuschalten. Helmut Wittmann hat sich in Schale geworfen. Sonst nämlich, so plaudern es seine Stammtischfreunde aus, sitze er auch gerne mal im Bademantel vor dem Bildschirm, weswegen er ihn dann lieber ausschaltet. Peter Segeth hat den üblichen Zigarillo im Mund. „Was gibt’s Neues?“, fragt

    Vor rund zehn Wochen wurde der virtuelle Stammtisch gegründet. Bis dahin dachten die Teilnehmer, die meisten zwischen 70 und 80 Jahre alt, dass der Lockdown bald ein Ende finden wird und man sich wieder persönlich treffen könne. Doch als absehbar war, dass es noch Monate dauern wird, bis es soweit ist, ergriff Dieter Munzinger die Initiative und organisierte ein erstes digitales Treffen. Er half auch, wenn es bei der Bedienung des Programms Schwierigkeiten gab. Inzwischen sind die Senioren fit, was digitale Meetings betrifft und genießen das Zusammenkommen. In Vor-Coroan-Zeiten saßen die rund 15 Männer – in unterschiedlicher Besetzung – täglich zwischen 9 und 10 Uhr im Neuburger Café Göbel zusammen.

    Der Göbel-Stammtisch ist seit vielen Jahrzehnten eine Institution in Neuburg

    Doch seit einem Jahr beherrscht die Pandemie unser Leben. Seit einem Jahr beschränken wir Kontakte, um uns, aber natürlich auch unsere älteren Mitbürger zu schützen. Doch vor allem sie leiden unter dem Fehlen der sozialen Nähe. Viele von ihnen haben kaum noch Kontakt zur Welt draußen, manche leben gar ganz isoliert – abgesehen von kurzen Einkäufen und Besuchen beim Arzt. Sie wünschen sich den persönlichen Austausch, dass man das Gesicht des Gegenüber auch mal wieder sehen kann und nicht nur dessen Stimme am Telefon hört.

    Doch die Möglichkeit, sich über digitale Videokonferenzen auszutauschen, nutzen die wenigsten. Meist ist es die Angst vor der Technik, die einen Start scheitern lässt. Renate Wicher, Vorsitzende des Neuburger Seniorenbeirats glaubt, dass ein derartiges Angebot nicht gut angenommen werden würde: „Die älteren Menschen sind nicht so fit am PC, einige haben nicht einmal einen.“ Dennoch sei die Sehnsucht nach persönlichen Gesprächen groß: „Viele rufen mich ohne besonderen Grund an. Sie wollen einfach mal wieder ratschen.“

    Senioren leiden besonders unter den Kontaktbeschränkungen

    Das wünscht sich auch Rosa Maria Böhm für ihre Mitglieder des Katholischen Frauenbunds Neuburg. Seit einem Jahr hat sich die Gruppe nicht mehr getroffen. Weihnachts- und Ostergrüße gehen per Pfarrbrief an die Frauen raus. Digital fand bisher nur eine Vorstandssitzung statt. Bisher sei noch niemand auf sie zugekommen mit dem Wunsch nach einem digitalen Treffen. Dabei würde es bei der 71-Jährigen nicht am technischen Können scheitern. Seit einem Jahr trifft sie sich mit ihren in München lebenden Kindern virtuell über die Plattform „Zoom“. „Ich habe da keine Berührungsängste.“

    Doch damit ist sie wohl eine der wenigen, anders lässt es sich nicht erklären, dass es kaum digitale Treffen von Senioren in der Region gibt. Anderorts gibt es beispielsweise Senioren-Sportgruppen, die ihr Training mittlerweile ins Netz verlagert haben. Der oder die Übungsleiterin turnt im heimischen Wohnzimmer vor, was die Senioren hinter ihren Bildschirmen nach machen. Andere basteln – jeder für sich und doch gemeinsam. Auch Kirchen und Religionsgemeinschaften organisieren digitale Versammlungen. Die Zeugen Jehovas in Neuburg zum Beispiel treffen sich bereits seit März vergangenen Jahres zwei Mal pro Woche über Zoom. Miteingebunden sind selbstverständlich auch die älteren Gläubigen, die eifrig dabei sind.

    Corona lässt auch in Neuburg wenig Kontakte zu

    „Es ist so schön, wenn man die Leute wieder sieht“, sagt Bernhard Schönacher über den Göbel-Stammtisch und fügt lachend dazu, „auch wenn der Schmarrn der gleiche ist, der gesprochen wird.“ Und manchmal hat so ein virtuelles Treffen auch ganz besondere Vorteile, wie Anton Göbel erklärt: „Ich hatte Geburtstag und hab virtuell eine Runde Schnaps ausgegeben. So günstig bin ich noch nie weggekommen.“ Doch so einfach kommt der Bäckermeister seinen Stammtischbrüdern natürlich nicht davon. Beim nächsten digitalen Treffen wird diskutiert, in welcher Form er seine Geburtstagsschulden wettmachen muss. Eventuell muss er jedem ein Schnapserl samt Breze zum nächsten Stammtisch vor die Türe stellen – ganz analog.

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden