Der Wahlkrimi am Sonntagabend im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen endete mit zwei handfesten Überraschungen. Roland Weigert von den Freien Wählern holt mit 31,6Prozentim Stimmkreis 125 das Direktmandat für den Bayerischen Landtag. Der bisherige Stimmkreisabgeordnete Matthias Enghuber von der CSU verliert sein Mandat hauchdünn. Zudem schneidet die AfD im Stimmkreis noch besser ab als bei der Wahl 2018. Damals holte die Direktkandidatin 11,1 Prozent. Christin Gmelch als Stengelheim steigert dieses Ergebnis um rund sechsProzentpunkte auf insgesamt 17 Prozent.
Es war eine Zitterpartie, mit der wohl keiner so gerechnet hatte und die bis spät nach 22 Uhr dauerte. Minütlich wechselten sie sich an der Spitze der Wählerstimmen ab. Einmal lag Enghuber vorn, einmal Weigert, kurz darauf war es schon wieder umgekehrt. Dazwischen meist nicht mal ein ganzer Prozentpunkt. Schon die ersten Meldungen gegen 18.40 Uhr aus den ersten vier Wahlkreisbüros kündigten ein Herzschlagfinale an. Weigert 34,4 Prozent, Enghuber 35,5 Prozent. Es folgten zwei Stunden voller Ungewissheit, wie die Wähler sich am Ende entscheiden würden.
Roland Weigert (FW) ist künftig der einzige Vertreter für Neuburg-Schrobenhausen im Landtag
Roland Weigert, der den Wahlabend im Bayerischen Landtag in München verbrachte, kontrollierte ebenso sekündlich sein Handy wie Matthias Enghuber mit seinen Unions-Parteikollegen im Café Zeitlos in Neuburg gebannt auf den Laptop starrte. "Jetzt ist Weigert wieder vorne", gab Listenkandidat Andy Vogel an die Runde durch. "Jetzt wieder Matthias." So ging es zwei Stunden lang, bis sich gegen 21 Uhr ein leichter Vorsprung von zwei Prozentpunkten abzeichnete - und bis zum Ende hielt. Gegen 22.15 Uhr war das vorläufige Endergebnis aus dem Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen, wo die Meldungen aus den 118 Urnen- und 101 Briefwahlbezirkezusammenliefen, endlich da. Weigert ist neuer Stimmkreisabgeordneter und damit auch der einzige Vertreter des Landkreises im Landtag.
"Wenn es so sein sollte, dann wäre es ein überwältigendes Ergebnis für die Freien Wähler", sagte Weigert gegenüber dieser Redaktion per Telefon. Er konnte bis zum Schluss nicht recht daran glauben, dass er mit der knappen Mehrheit von nicht einmal 1000 Stimmen das Direktmandat der CSU eroberte. Nur zwei Direktmandate in Bayern gehen an die Freien Wähler. Stand Sonntagabend: eines an den FW-Vorsitzenden Hubert Aiwanger und eines an Roland Weigert aus Kleinhohenried. Dass er nun alleine den Stimmkreis in München vertritt und seine "äußert exzellente Zusammenarbeit" mit Matthias Enghuber zu Ende geht, bedauert er.
Weigert konnte seinen Stimmenanteil um zehn Prozentpunkte erhöhen. 2018 hatte er bei seiner ersten Kandidatur für den Landtag aus dem Stand 28,7 Prozent geholt. 2023 sind es knapp 31,6 Prozent und damit der Wahlsieg. Matthias Enghuber holt 30,1 Prozent, verliert also 4,5 Prozentpunkte und damit nach nur einer Legislaturperiode seinen Sitz im Landtag.
Für den CSU-Kandidaten Matthias Enghuber ist das Landtagswahl-Ergebnis ein Schock
Für Matthias Enghuber ist das Ergebnis eine Enttäuschung, die er am Wahlabend noch gar nicht realisiert hat. Wie seine ganze CSU steht auch er unter Schock: "Ich habe damit gerechnet, dass es knapp wird. Dass es so ausgeht, hätte ich nicht gedacht", sagt der 39-Jährige gefasst, dem anzuhören ist, dass ihm die Niederlage schwer auf der Seele liegt. Grund für den Wahlausgang sieht er vor allem bei dem enormen Stimmenzuwachs für die AfD - Stimmen, die für ihn verloren waren. "Dieses Ergebnis sagt klar, dass die Menschen weniger Ausländer im Land haben wollen. Die Lösung dafür sehen sie offensichtlich bei der AfD." Enghuber, der ganz Profi Roland Weigert zum Wahlsieg gratuliert, muss sich nun einen neuen Job suchen. "Weigert und ich haben viele Jahre die Themen miteinander angeschoben, jetzt muss er es alleine machen."
Auch bei den Mitstreitern der CSU ist die Enttäuschung groß. "Mit den beiden Abgeordneten, die an einem Strang ziehen, und miteinander harmonieren, hätte die Region nicht besser vertreten sein können. Jetzt ist die Region geschwächt", sagte die stellvertretende Landrätin Rita Schmidt (CSU). "Das Ergebnis der AfD im Landkreis ist erschreckend und beängstigend. Das ist ein klarer Auftrag, dass wir in der Migrationspolitik dringend handeln müssen."
17 Prozent holte Christin Gmelch aus Stengelheim für die AfD und damit sechs Prozentpunkte mehr als 2018. Sie feierte in Zuchering ud sagte offen, dass sie mit diesem Ergebnis selbst nicht gerechnet habe. Dass die AfD im Stimmkreis drittstärkste Kraft werden würde, das war wohl erwartbar. Doch das enorm gute Abschneiden der Partei ließ die Mienen bei der CSU regelrecht einfrieren. Querbeet durch den Landkreis holte die Direktkandidatin - bisher politisch kaum in Erscheinung getreten - teilweise Werte von über 30 Prozent. Im Wahlbüro der Franziska-Umfahrer-Grundschule 2 in Schrobenhausen gewann Gmelch sogar das Direktmandat mit 26,9 Prozent vor Weigert und Enghuber. (mit ands)